Studie zu Wahlerfolgen rechter Parteien: Annäherung stärkt die Rechten
Gemäßigte Parteien versuchen oft, den rechten Rand zu schwächen, indem sie dessen Themen übernehmen. Eine Studie zeigt: Erfolg hat das selten.

Als Beispiel nennt Cohen im Gespräch mit der taz die französische Präsidentschaftswahl 2017, die Ex-Präsident Sarkozy für ein politisches Comeback nutzen wollte. Dabei versuchte er, die rechtsradikale Marine Le Pen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und verwendete eine Rhetorik, die so ähnlich auch vom rechtsradikalen Front National hätte stammen können. Nun, 2022, hat es Marine Le Pen wieder in die Stichwahl geschafft und bei den Wählerstimmen noch mal zugelegt. Sarkozy hingegen hat seine politische Relevanz inzwischen komplett verloren.
Der Studie zufolge ist das kein Einzelfall: Versuche konservativer Politiker:innen, sich für Wähler:innen am rechten Rand attraktiv zu machen, misslingen mehrheitlich – auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Das Ergebnis liefert den Forscher:innen zufolge keinen Beleg für die unter gemäßigten Politiker:innen weit verbreitete Annahme, dass der Erfolg radikaler Rechter eine direkte Konsequenz von zu zentralen Positionen moderater Parteien sei.
Oft versuchten die Gemäßigten, durch die Integrierung extremistischer Kernthemen in den eigenen Diskurs extremistische Parteien zu schwächen, sagt Cohen. „Dies kann sich im Einzelfall zwar auszahlen und zu Stimmgewinnen auf Kosten der radikalen Rechten führen. Im Durchschnitt schadet diese Strategie etablierten Parteien aber mehr, als sie ihnen nützt.“
Seehofer als Beleg
Der Rechtsextremismusforscher Mattias Quent nennt den Seehofer-Merkel Streit zur Geflüchtetendebatte von 2015 als einen solchen Fall: „Durch ähnliche Argumente und gleiche Narrative hat Seehofer sich der AfD angenähert und so stark zu deren Gesellschaftsfähigkeit und politischer Erstarkung beigetragen“, sagte er der taz. So kritisierte der damalige Bayerische Ministerpräsident scharf Merkels Willkommenspolitik. Es sollten stattdessen Notmaßnahmen eingeleitet, Geflüchtete an der deutsch-österreichischen Grenze direkt abgewiesen und monetäre Unterstützung durch Essenspakete ersetzt werden.
Gemäßigte Parteien profitieren von solchen Strategien also nicht. Wenn, dann legt die Studie nun das Gegenteil nahe: „Die Annäherung an rechtsradikale Positionen ist keine gute Idee, weil sie mehr Wähler:innen in die Arme der radikalen Rechten treibt als etablierte Parteien umgekehrt zurückgewinnen können“, so Cohen. Die Legitimierung eines rechtsradikalen Diskurses führte in Deutschland letztendlich zum erstmaligen Einzug der AfD ins Parlament und schlechten Ergebnissen für die CSU im Landtagswahlkampf 2018.
Es zeigt sich: Rechte Parteien könnten langfristig gestärkt werden, da nicht nur ihre Themen, sondern auch ihre Positionen sich in der Gesellschaft festigen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links