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Studie zu Tropen-Urwäldern6,7 Millionen Hektar Wald zerstört

Die Vernichtung von Tropen-Urwäldern erreichte 2024 laut einer Studie einen Höchststand. Fast die Hälfte der Zerstörungen geht auf Brände zurück.

Ein Feuerwehrmann unternimmt Maßnahmen zur Verhinderung von Waldbränden in der brasilianischen Cerrado-Region Foto: Eraldo Peres/AP/dpa

Paris afp | Alarmstufe Rot“: Angesichts des fortschreitenden Klimawandels hat die Zerstörung tropischer Urwälder laut einer Studie im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten erreicht. Wie die Forschungsorganisation World Resources Institute (WRI) am Mittwoch mitteilte, wurden 2024 insgesamt 6,7 Millionen Hektar Tropen-Urwald zerstört und damit eine Fläche von der Größe Litauens. Dies sei der höchste Stand seit dem Beginn der Erhebung entsprechender Daten im Jahr 2002.

„Dieses Ausmaß der Zerstörung tropischer Wälder ist vollkommen beispiellos in mehr als 20 Jahren der Datenerhebung“, erklärte WRI-Co-Direktorin Elizabeth Goldman. „Das ist weltweit Alarmstufe Rot.“

Der Bericht konzentriert sich auf Tropenwälder, die am stärksten bedroht und besonders wichtig für die Artenvielfalt und die Speicherung des Treibhausgases CO₂ sind. Das WRI wertete dafür zusammen mit der University of Maryland aktuelle Daten der Plattform Global Forest Watch aus, die seit 2002 Information zur Zerstörung tropischer Urwälder zusammenträgt. Demnach wurde vergangenes Jahr minütlich eine Fläche von der Größe von 18 Fußballfeldern zerstört. Im Vergleich zu 2023 sei dies ein Anstieg um 80 Prozent.

Fast die Hälfte der Zerstörungen geht der Studie zufolge auf Brände zurück. Sie sind damit erstmals ein wichtigerer Faktor für die Tropenwaldzerstörung als die Landwirtschaft. Durch die Waldbrände wurden nach Erkenntnissen der Experten 3,1 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt. Das ist etwas mehr als die jährlichen Emissionen des Energiesektors von Indien.

Klimawandel trägt zu stärkeren Waldbränden bei

Auch wenn Waldbrände durchaus natürliche Ursachen haben können, werden laut WRI die meisten Feuer in Tropenwäldern vom Menschen verursacht. Überdies trägt der von Menschen gemachte Klimawandel zu häufigeren und intensiveren Waldbränden bei.

2024 war weltweit das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wissenschaftler führen die Rekordtemperaturen auf den fortschreitenden Klimawandel zurück, der insbesondere durch die weiterhin massive Nutzung fossiler Energieträger verursacht wird, sowie auf das Klimaphänomen El Niño.

Allein Brasilien registrierte vergangenes Jahr die Zerstörung von 2,8 Millionen Hektar Urwald, zwei Drittel davon durch Brände. Diese würden oft gelegt, um Platz für den Anbau von Soja oder für Viehweiden zu machen, erläuterte das WRI.

Besonders stark betroffen ist das Amazonas-Gebiet

2023 hatte Brasilien noch relativ gute Daten zur Waldentwicklung vorlegen können, weil Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva im ersten Jahr seiner neuen Amtszeit Schutzmaßnahmen verfügte. „Dieser Fortschritt wird weiter durch die Expansion der Landwirtschaft bedroht“, warnte WRI-Forscherin Sarah Carter. Besonders stark von den Waldzerstörungen betroffen war das brasilianische Amazonas-Gebiet. Dort erreichten die Zerstörungen den größten Umfang seit 2016.

Die WRI-Zahlen, die alle Ursachen für die Waldzerstörung einbeziehen, stehen im Widerspruch zu denen des brasilianischen Waldmonitors MapBiomas, die vergangenen Donnerstag vorgelegt worden waren. Demnach war die Entwaldung in Brasilien 2024 zurückgegangen. Der Schutz der Wälder als wichtige CO₂-Speicher gehört zu den Prioritäten der brasilianischen Präsidentschaft bei der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP30), die im November in der Amazonas-Metropole Belém stattfindet.

Den zweiten Platz auf der Rangliste der weltweiten Tropenwaldzerstörung belegt laut WRI Brasiliens Nachbarland Bolivien, wo vergangenes Jahr dreimal so viel Wald zerstört worden sei wie im Vorjahr. Hauptfaktor seien auch dort Brände gewesen. Ein Großteil davon seien gelegt worden, um Platz für „Bauernhöfe von industriellem Ausmaß“ zu machen, heißt es in der Studie.

Auch im Kongo und in der Demokratischen Republik Kongo hat sich die Lage der Studie zufolge 2024 deutlich verschlechtert. Immerhin in den südostasiatischen Ländern Indonesien und Malaysia verbesserte sich der Schutz der Tropenwälder.

Getrieben durch Palmöl, Soja, Rindfleisch und Holz

Die Verdrängung von Tropenwäldern ist historisch gesehen insbesondere auf vier Produkte zurückzuführen: Palmöl, Soja, Rindfleisch und Holz. Während es in manchen Bereichen wie dem Palmöl Verbesserungen in puncto Walderhalt gab, treten mit der erhöhten Nachfrage nach anderen Produkten wie Avocados aus Mexiko oder dem vermehrten Anbau von Kakaobohnen und Kaffeebohnen neue Probleme auf.

Die Ursachen für die Waldzerstörung blieben also „nicht immer dieselben“, erklärte Rod Taylor, Leiter des WRI-Waldprogramms. So bereiteten mittlerweile auch der Bergbau und die Nachfrage nach bestimmten Metallen verstärkt Probleme.

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8 Kommentare

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  • "Der Schutz der Wälder als wichtige CO₂-Speicher..."



    "...wichtig für... die Speicherung des Treibhausgases CO₂..."



    Es wäre schön, wenn zwischen "Speicher" und "Senke" differenziert würde, und nicht Beides in einen Topf gehauen. Das sind keine Synonyme.

  • Der Mensch lernt leider nicht dazu. Weder die Politiker in den Ländern, noch die Bürger und eben auch nicht die Kosumenten in den reichen Ländern: Es muss kein Soja, Avocado oder Palmöl sein. Es gibt Alternativen die vor der Haustür wachsen und diese Roden verhindern können!

  • Brasilien, Bolivien, Kongo, Indonesien - offensichtlich hat der Urwald keine Lobby.

  • Wir können die Erde gar nicht platt machen.



    Aber die Erde wird uns wohl platt platt machen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wann WIR die Lebensgrundlagen für UNS derart beschädigt haben, dass "Mensch" ausstirbt. Für die Erde wäre dies maximal ein kleiner Schnupfen gewesen. Umweltschutz wäre also reinster Egoismus zu unseren Gunsten, mehr nicht.

    • @Hans Dampf:

      Der Mensch stirbt nicht aus, diese 'Hoffnung' 😜 will ich Ihnen direkt nehmen.



      Selbst Modelle des IPCC die bis +5 Grad gehen sagen das nicht voraus.



      Da kann man auch direkt die jüngere Vergangenheit als Beweis anführen, also die letzten 2 Millionen Jahren, wo der moderne Mensch, bzw seine Vorfahren über die Erde schritten. Auch in diesem Zeitraum war es schon mehr als 5 Grad wärmer als heute...



      Insofern: es mag sehr ungemütlich werden, es mag für Milliarden tödlich enden, aber komplett aussterben wird die Menschheit nicht 'bloß' wegen des Klimas.



      Auch Seuchen a la Corona werden es nicht schaffen, ein paar Immune gibt es immer...



      Nein, es bräuchte schon einen globalen Killer wie bei den Dinosauriern, also ein externes Event.

  • Es müssen profitable Plantagen angelegt werden. Was kümmert die schon Sauerstoff!

  • Nun, 8 Mrd. wollen ernährt werden. Wenn wir hier die Nahrungsmittelproduktion behindern, werden die Nahrungsmittel woanders produziert.

    • @Bernhard Hellweg:

      Und nun?



      Alles roden für Lebensmittel, ohne Rücksicht auf die Wasserkreisläufe und der Bedeutung des Waldes für das Weltklima, Hauptsache vorerst genug zu essen? Denn so wird es auch bald wieder zu wenig sein, wenn die Wettereignisse die Ernten zerstören.