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Studie zu Tagebau und WaldsterbenRWE „grillt“ den Hambacher Forst

Der Braunkohletagebau verstärkt laut einer Studie das Sterben der angrenzenden Bäume. Um sie zu erhalten, braucht es sofortige Maßnahmen.

So nah ist der Bagger schon an den Hambacher Forst gerückt Foto: dpa

KÖLN taz | In einer Studie mit dem Titel „Hambacher Forst in der Krise“ kommen Forscher*innen zu dem Schluss, dass es sofortige Maßnahmen brauche, um den Hambacher Wald zu erhalten. Die Situation der Bäume habe sich „eklatant“ verschlechtert. Der Grund: die extremen Temperaturunterschiede zwischen Wald und näherrückendem Tagebau. Seit Oktober 2018 steht der Hambacher Forst unter höchstrichterlichem Schutz, seinen Erhalt hat die Kohlekommission der Bundesregierung als „wünschenswert“ bezeichnet.

Wälder sind tendenziell feucht und kühl. Eine Art Klimaanlage einer Region. Weite, nackte Flächen hingegen, beispielsweise der Tagebau Hambach mit der Größe tausender Fußballfelder sind trockene Hitzepole. Eine Art Grill. Nähert sich ein Tagebau einem Wald, kommt es durch die Temperaturunterschiede zu „Randeffekten“.

Diesen Vorgang haben die Forscher*innen der Hochschule Eberswalde und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) erstmals in Deutschland auch mit Daten eines Nasa-Satelliten belegt. In der von Greenpeace beauftragten Studie schreiben sie, für den Erhalt des Hambacher Forstes sei „dringend“ notwendig, „dass der vom Tagebau Hambach ausgehende ökologische Hitze- und Trockenheitsstress gemindert wird“.

In manchen Jahren seien im Tagebau Hambach „durchschnittliche Oberflächentemperaturen von über 45 °C zu verzeichnen“, berichten die Forscher*innen. Im Hitzesommer 2018, dem Untersuchungszeitraum, sei der Wald bis zu 22 Grad kühler gewesen als die nahe Braunkohlegrube.

An den Waldrändern sterben Bäume

Das führe unter anderem zu starken Winden, die die Austrocknung verstärkten und reihenweise Bäume entwurzelten. „An den Waldrändern zeigt sich das vermehrte Absterben von Bäumen, die besonderem Hitze‐ und Trockenstress ausgesetzt sind.“ Dies betreffe nicht mehr nur die „wenig standortgerechten Fichten, sondern vor allem Buchen.“

Wolle man den Hambacher Forst erhalten, sei „dringend ein Maßnahmenbündel umzusetzen, welches die Kühlung der Landschaft um ihn herum erreicht“, schreiben die Forscher*innen. „Hierzu gehören der sofortige Stopp des weiteren Abbaggerns des Tagebaus Hambach, die Rekultivierung und Wiederbewaldung von (ehemaligen) Straßen und auch des Kiestagebaus sowie an den Wald angrenzender Agrarflächen.“

Die Bäume müssten bewässert werden, vor allem in der Wachstumsphase. Die Trasse der ehemaligen A4 müsse aufgeforstet und die im Zuge der Baumhausräumungen verbreiterten Waldwege zurückgebaut werden. Über Hecken und Gehölzkorridore solle der Hambacher Forst mit anderen Waldflächen der Region verbunden werden.

Besonders wichtig sei, rund um den Wald eine „thermische Pufferzone“ zu schaffen: 500 Meter breit und dicht bepflanzt. Im Moment passiert allerdings genau das Gegenteil. Schützendes und kühlendes Gehölz ist an vielen Stellen des Waldes entfernt worden, besonders im Tagebauvorfeld. Und die Abbaukante rückt immer näher: Im Laufe des Jahres 2019 hat RWE die Tagebaukante bis zu 50 Meter an den Wald herangebaggert. Ein Sprecher von RWE hatte zuletzt mitgeteilt: Der „angemessene“ Abstand zum Wald sei „keine nach Metern festgelegte Größe“.

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9 Kommentare

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  • Vorstand und Aufsichtsrat von RWE wollen den Wald halt weghaben. Erinnert an Rumpelstilzchen.

  • Dass dieser Forst nicht zu retten ist, wurde nun schon oft genug gesagt. Allein das abgesenkte Grundwasser macht ihm den Garr aus.

    Es sind doch nur wenige Anwohner, die ihre Grundstücke und ihren Besitz retten wollen, die hier die Illusion eines intakten Waldes erwecken wollen.

    Dass Stadtkinder dies nicht wahrhaben wollen, ändert nichts. Diese Bäume werden sterben.



    Statt diesen Symbolwald zu pampern, sollte die geforderten Mittel in Forstmaßnahmen in der Fläche investiert werden.

    • @TazTiz:

      Na? Aktien beim RWE?

      Jetzt mehr im Ernst: Ja, das ist eine mediale Schlacht. Vom RWE auf der einen, von den fortschrittlichen Kräften auf der anderen.

      In der Mitte die Politik, die nicht weiss, auf welche Seite sie sich schlagen soll: soll sie (wie so oft!) die Investitionen der Dinosaurier schützen? Aber da sind doch diese vielen WählerInnen-Stimmen! Ach, ach! (Söder, ick hor dir trapsen [1]).

      Um den Wald geht's nicht primär. RWE ist nicht zu retten. Die Frage ist nur, wie viel Schaden die auf ihrem Weg nach unten anrichten. Wie viel Schaden wir, die Zivilgesellschaft, noch von denen tolerieren wollen.

      Vergessen wir nicht: je mehr RWE in diese todgeweihte Branche investiert, desto mehr Entschädigung können sie sich für die Stilllegung erhoffen.

      Lassen wir das nicht zu.

      • @tomás zerolo:

        Gut auf den Punkt. So isses. Wir lasssen uns verarschen und verarschen und verarschen …



        und "dürfen" für die Besitzenden, die ihren Hals offenbar nie vollkriegen werden,



        zahlen und zahlen und zahlen –



        danach kommen Sterben und Verhungern, weil das Klima unrettbar gekippt ist. Schick, ne?!

        • @Frau Kirschgrün:

          ... und Strom kommt aus der Steckdose.

          Hier gibt es eine interessante Symbiose von lokalen Grundeigentümern, politischen Aktivisten und der (new) green Economy.

          Wer davon auch ein "Besitzender" ist und den kapitalistischen "Hals nicht voll genug" kriegt, sei mal dahingestellt. Wenn uns RWE verarscht, dann jedenfalls nicht alleine.

          • @TazTiz:

            "... und Strom kommt aus der Steckdose"

            Sie befinden sich damit in bester Gesellschaft. War es nicht derselbe, der auch sagte, in BaWü würden die Lichter ausgehen, wenn Wyhl nicht gebaut wird?

          • @TazTiz:

            Und was hilft uns das jetzt, dass RWE nicht allein schuld an der Welt- und Klimavernichtung, an unstillbarer Gier leidend und an der Gesellschaftsspaltung ist?



            Der Strom kommt aus Erneuerbaren, die Atomlobby lügt allen schon wieder die Taschen voll, Atomstrom wäre CO2-neutral – ist er mitnichten – und die Kohleverstromung verstopft die Netze , sodass die Erneuerbaren ständig runtergefahren müssen.



            Bei Erneuerbaren merke: Geht nicht gibt's nicht.



            Fossil erzeugter Strom – DAS geht gar nicht. Das ist doch inzwischen unstrittig.



            Btw., dass der Strom aus der Steckdose kommt, könnte frauman als ein klein wenig abgedroschen empfinden… auch wenn's stimmt 😂 .

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Rechts oben lese ich Knast für Regenwaldfrevel.



    blogs.taz.de/latin.../2019/08/14/10210/



    Genau das wünsche ich mir schon lange für die, die den Wald, die Meere, die Flüsse, die Böden vernichten und nicht zuletzt Menschen umbringen für ihre Profite.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Da wünsche ich aber ganz massiv mit.