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Studie zu Spät­aus­sied­le­r*in­nenMit Deutschland zufrieden

Zuwanderern aus der Sowjetunion wird häufig ein Hang zur AfD unterstellt. Eine Studie untersucht ihre Einstellungen und wie gut sie integriert sind.

Mutter mit Kind nach ihrer Ausreise aus der UdSSR im Grenzdurchgangslager Friedland, 1984 Foto: Sommer/imago

Berlin taz | Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion zugewandert sind, sind in Deutschland insgesamt gut integriert. Politisch wählen sie konservativer als andere Zuwanderergruppen. Das zeigt eine neue Studie, die der Sachverständigenrat für Migration und Integration und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Donnerstag vorlegten.

Aktuell leben 2,6 Millionen Menschen in Deutschland, die vor allem in den neunziger Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion zugezogen sind. Sie sind zwar nach den Türkeistämmigen die größte Bevölkerungsgruppe mit Migrationserfahrung – trotzdem tauchten sie in den Bevölkerungsstatistiken bislang nur spärlich auf.

Die Studie untersucht nun, wie und wo Spät­aus­sied­le­r*in­nen in Deutschland leben und arbeiten, wie sie sozial integriert sind, wen sie wählen und welche Medien sie konsumieren. Die Au­to­r*in­nen werteten dazu Daten aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts von 2019 sowie aus dem Integrationsbarometer des Sachverständigenrats von 2018 und 2020 aus.

Auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sind Spät­aus­sied­le­r*in­nen in Deutschland der Studie zufolge sehr gut integriert: 83 Prozent der Menschen sind erwerbstätig; die Quote liegt ähnlich hoch wie unter Deutschen ohne Migrationserfahrung. Gleiches gilt für das Bildungsniveau. Das durchschnittliche Einkommen liegt im mittleren Bereich. Die meisten Spät­aus­sied­le­r*in­nen leben in mittelgroßen Städten in Westdeutschland. Sie sind häufiger im Besitz von Immobilien als Zugewanderte aus anderen Ländern.

In Hinblick auf die soziale Integration zeigt die Studie, dass der Großteil der Spät­aus­sied­le­r*in­nen in Freundes- und Bekanntenkreise mit Menschen ohne Migrationserfahrung eingebunden sind. Mehr als 90 Prozent gaben an, sich mit Deutschland identifizieren zu können. Diskriminierungserfahrungen, wie sie etwa Deutschrussen aktuell in Bezug auf den Ukraine-Krieg erleben, wurden kaum berichtet.

Neigung zur AfD „mehr als nur ein Klischee“

Mit den politischen Verhältnissen in Deutschland sind sie den Ergebnissen zufolge mehrheitlich zufrieden, mit denen im jeweiligen Herkunftsland eher unzufrieden. Gewählt würden vor allem die Unionsparteien: Bei einer Befragung 2018 gaben 36 Prozent an, CDU und CSU zu präferieren. Dahinter folgte die Linke mit 12 Prozent.

Außerdem sei die Neigung der Spät­aus­sied­le­r*in­nen aus dem (post-)sowjetischen Raum zur AfD „mehr als nur ein Klischee“, heißt es in der Studie. Zehn Prozent der Befragten gaben 2018 an, die AfD zu wählen. Damit setzten sich die Spät­aus­sied­le­r*in­nen von anderen Zu­wan­de­re­r*­in­nen ab, die so gut wie nie rechtspopulistisch wählten.

Auch bei den Themen Flucht und Asyl ergibt sich ein eher konservatives Bild: Spät­aus­sied­le­r*in­nen sind dem Thema Migration gegenüber insgesamt skeptischer als andere Zu­wan­de­re­r*­in­nen – aber auch als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Weniger Vertrauen in Medien des Herkunftslandes

Zu der Frage, wie Spät­aus­sied­le­r*in­nen aktuell etwa mit russischer Kriegspropaganda umgehen, die über die staatlichen Medien verbreitet wird, kann die Studie nichts aussagen. Allerdings heißt es zu den Daten von 2018 und 2020: „Es lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass postsowjetische Spätaussiedlerinnen und -aussiedler massenhaft prorussische und europakritische Sichtweisen russischsprachiger Medienformate unkritisch übernehmen.“

Dass sie den Nachrichtenkanälen aus ihrem Herkunftsland vertrauten, gibt etwa ein Viertel der Spät­aus­sied­le­r*in­nen an. Die Au­to­r*in­nen weisen darauf hin, dass das jedoch deutlich weniger sind als bei Mi­gran­t*in­nen aus anderen Ländern, wo etwa 40 Prozent der Zu­wan­de­re­r*­in­nen den Medien ihres Herkunftslandes vertrauen.

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4 Kommentare

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  • Bei den sogenannten Russlanddeutschen gab es damals große Probleme.



    Schuld war meiner Ansicht nach unsere Gesellschaft. Die Kinder und Jugendlichen aus Russland fühlten sich offenbar extrem ausgegrenzt - Kinder sind halt oft grausam.

    Ich hoffe, dass dies mit den Ukrainern nicht passiert.



    Kinder ohne Väter sind aber generell ein Problem - meine Erfahrung! Da kann man nur hoffen, das sie hier gut integriert werden und Hilfe bekommen.

    • @cuba libre:

      Kinder _sind_ niemals ein Problem.



      Kinder alleinerziehender Eltern sind aber häufiger von Armut betroffen und anderweitig benachteiligt.



      Das oft als problematisch benannte angebliche Fehlen von männlichen Rollenvorbildern bei Kindern alleinerziehender Mütter ist angesichts der vielen fragwürdigen männlichen Rollenvorbilder in unserer Gesellschaft wohl eher kritisch zu betrachten.

  • Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn die Autorin die Wahlumfragen unter Spätaussiedler*innen von 2018 in die allgemeinen Umfragen zu diesem Zeitpunkt einsortiert hätte. Dann würde nämlich deutlich werden, dass Spätaussiedler*innen ziemlich exakt so wählen wie die Gesamtbevölkerung.

  • Es ist lange bekannt, dass Migranten statistisch gesehen konservativer sind als Bevölkerungsgruppen ohne Migrationshintergrund. Das wird für Deutschland in besonderem Maße gelten, da die deutsche Bevölkerung weltweit eine der progressivsten ist.



    Spätaussiedler werden sich von der AfD wohl deshalb nicht bedroht fühlen, weil die Animositäten der AfD sich nicht unisono gegen Migranten richten, sondern primär Migranten aus anderen Kulturkreisen im Fokus stehen.



    Meine Erfahrung, mit türkischen und syrischen Migranten, ist jedoch das diese tendenziell ebenfalls sehr konservativ sind und häufig sogar Positionen rechts der AfD vertreten. Diese Positionen betreffen nur eben nicht die Migration, sondern andere, gesellschaftliche Fragestellungen.



    Von daher sollte man von Links gut darüber nachdenken, wie das Wahlverhalten aussehen wird, sobald der Aufenthaltsstatus einmal geklärt ist und das Eigeninteresse an einer liberalen Migrationspolitik wegfällt.



    Es wird ja gerne darüber gewitzelt das viele Rechte vor allem deshalb etwas gegen Muslime haben, weil sie neidisch auf deren Kultur sind,… sonderlich witzig finde ich das nicht, dazu ist zu viel Wahrheit dran. Es gibt immer wieder fälle in denen prominente, rechte Aktivisten auf einmal zum Islam konvertieren.