Studie zu Hassverbrechen: Im Osten deutlich gefährlicher
Die Wahrscheinlichkeit, das Asylsuchende in Ostdeutschland Opfer eines Hassverbrechens werden, ist viel höher als im Westen, zeigt eine Studie.
Unter Hasskriminalität werden in der am Sonntag bekannt gewordenen Studie politisch motivierte Taten wie Volksverhetzung, Hakenkreuzschmierereien, körperliche Angriffe und Brandanschläge verstanden. Laut den Autoren ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, nicht dort besonders hoch, wo eine besonders hohe Zahl von Zuwanderern angesiedelt wird. Ein wichtiger Einflussfaktor sei vielmehr, wie viele Erfahrungen die Einheimischen in der Vergangenheit mit Zuwanderern gemacht hätten. Die Zahl der Angriffe sei „in Regionen mit einem zuvor geringen Ausländeranteil höher als in Regionen mit einem bereits hohen Ausländeranteil“, schreiben die Forscher Horst Entorf und Martin Lange.
Die wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. „Hassverbrechen gegen Ausländer haben in erster Linie keine wirtschaftlichen Motive“, sagte Lange. Politiker, die fremdenfeindliche Tendenzen mit lokaler Wirtschaftsförderung, mehr Lohn oder Wohnungsbau-Offensiven bekämpfen wollten, können demnach nicht mit Erfolg rechnen. Wichtiger sei es, in Regionen mit begrenzter Migrationserfahrung das Bewusstsein und das Mitgefühl der Einheimischen zu stärken, so Lange.
Für ihre Untersuchung hatten die Mannheimer Forscher 1.155 Vorfälle aus den Jahren 2013 bis 2015 untersucht. Damals war die Zahl der Angriffe pro 100.000 Einwohner mit 9,76 in der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge am höchsten, gefolgt vom brandenburgischen Landkreis Uckermark (8,24) und vom Saalekreis in Sachsen-Anhalt (ebenfalls 8,24). Laut Studie gab es bundesweit 118 Kreise, in denen kein einziger Übergriff auf Asylsuchende gemeldet wurde. Von diesen 118 Kreisen liegen nur vier in den ostdeutschen Bundesländern.
In ostdeutschen Regionen gebe es „viel Wut und Enttäuschung“, sagte Frank Tempel, Vorstandsmitglied der Linkspartei, der taz. Das Armutsrisiko sei höher, junge Leute zögen wegen fehlender Perspektiven weg, Menschen müssten weit zur Arbeit pendeln. „Parteien wie die AfD nutzen die Unzufriedenheit seit Jahren, um gezielt mit Fake News Fremdenfeindlichkeit zu schüren.“ Nur gute Sozialpolitik allein helfe nicht viel, sagte Tempel. „Es braucht Information, Aufklärung und Begegnungen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell