Studie zu Fukushima-Folgen: Atom-GAU schädigt Affenblut
Primaten aus der Unglückszone weisen schlechtere Blut- und erhöhte Radiocäsium-Werte auf. Das macht sie offenbar anfälliger für Infektionen.
BERLIN taz | Freilebende Affen aus dem Gebiet rund um das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi weisen abnormale Blutwerte auf. Die Forscher der Nippon Veterinary and Life Science University in Tokio gehen in ihrer Studie, die sie im Fachblatt Scientific Reports veröffentlicht haben, von einem Zusammenhang mit der Nuklearkatastrophe von 2011 aus.
Das Forscherteam rund um Shin-ichi Hayama hat ein Jahr lang Bluttests an einer Gruppe von Japanmakaken, die in einem Umkreis von 70 Kilometern um das Unglücksareal leben, durchgeführt und die Zahlen mit Japanmakaken von der Halbinsel Shimokita etwa 400 Kilometer entfernt im Norden der japanischen Hauptinsel Honshu verglichen.
Demnach weisen alle Affen aus dem Umfeld des Katastrophenreaktors eine geringere Anzahl an weißen und roten Blutkörperchen auf, auch die Hämoglobin- und Hematokritwerte sind geringer. Dadurch könnten die Affen anfälliger für Infektionskrankheiten sein, so die Forscher.
Außerdem fanden die Forscher erhöte Radiocäsiumwerte bei den Fukushima-Affen. Diese hatten eine Konzentration zwischen 78 und 1778 Becquerel pro Kilogramm. Bei den Affen von der 400 Kilometer entfernten Halbinsel Shimokita war hingegen kein Radiocäsium nachweisbar.
Junge Japanmakaken sollen besonders anfällig für radioaktive Strahlung sein. Bei ihnen wiesen die Forscher eine auffallend niedere Anzahl an weißen Blutkörperchen nach, bei gleichzeitiger besonders hoher Konzentration an Radiocäsium.
"Diese ersten Daten von Primaten sollten einen bedeutenden Beitrag zu zukünftigen Untersuchungen, über die gesundheitlichen Auswirkungen radioaktiver Strahlung auf den Menschen liefern", sagte Hayama zur britischen Tageszeitung The Guardian.
Kollegen bezweifeln Aussagekräftigkeit der Studie
Ob die Daten aussagekräftig sind, ist indes umstritten: "Die nachgewiesenen Radiocäsiumwerte sind in etwa gleich hoch wie die Werte, die bei Schafen in manchen Teilen Großbritanniens nach dem Tschernobyl-Unfall gefunden wurden. Sprich extrem niedrig, was die Schädlichkeit für die Tiere betrifft. Ich glaube, dass die niedrigen Blutwerte von etwas anderem, als der radioaktiven Strahlung verursacht wurden", zitiert der Guardian den Umweltwissenschaftler Jim Smith von der University of Portsmouth zu den Ergebnissen seiner japanischen Kollegen.
Die Cäsiumwerte seien als Indikatoren dafür herangezogen worden, wie sehr die Affen radioaktiver Strahlung ausgesetzt gewesen seien, sagte Hayama. Die Forscher könnten bisher keine andere Ursache für die abnormen Blutwerte finden, als die radioaktiven Strahlen, denen die Affen ausgesetzt waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei