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Studie zu AlleinerziehendenImmer mehr Kinder leben in Armut

Kinder von Alleinerziehenden leben fünfmal häufiger in Armut als Kinder aus einem Paarhaushalt, so eine Studie. Die Familienpolitik bekämpfe Armut zu unwirksam.

In Paarhaushalten sind Kinder nur selten arm, bei Alleinerziehenden viel häufiger Foto: dpa

Gütersloh dpa | Den etwa 2,3 Millionen Kindern von Alleinerziehenden in Deutschland droht deutlich häufiger Armut als ihren Altersgenossen in Paarfamilien. Wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, sind mehr als ein Drittel aller Alleinerziehenden (37,6 Prozent) auf Hartz-IV-Leistungen für ihre Familien angewiesen. Damit sind sie fünf Mal häufiger Empfänger als Familien mit zwei Elternteilen (7,3 Prozent). Kinderarmut sei damit in wesentlichem Maße auf die Armut von Alleinerziehenden zurückzuführen: Jedes zweite Kind im Hartz-IV-Bezug lebt mit nur einem Elternteil.

„Hat man die Verantwortung für Erwerbsarbeit, Haushalt und Fürsorge und Erziehung der Kinder ganz alleine, ist es sehr schwierig, ein Einkommen zu erwirtschaften, das für die Familie reicht. Bleibt dann der Unterhalt aus, rutschen viele unter die Armutsgrenze“, erläutert Studienautorin Antje Funcke. Obwohl die Zahl der Alleinerziehenden seit Jahren steigt und mittlerweile jede fünfte Familie eine Ein-Eltern-Familie sei, gelinge es der Familienpolitik bislang nicht, Armut wirksam zu bekämpfen, heißt es in der Studie.

Im Gegenteil: Der Anteil der Alleinerziehenden, die als armutsgefährdet gelten, ist 2014 auf 42 Prozent angestiegen, 6,6 Prozentpunkte mehr als noch 2005. Entsprechend gängiger Armuts-Definitionen sind davon Familien betroffen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommen zur Verfügung haben. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung lag diese Schwelle 2014 für eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 7 Jahren bei etwa 1150 Euro. Der Anteil armutsgefährdeter Paarfamilien dagegen ist um 11,7 Prozentpunkte zurückgegangen.

Die Studienautorinnen sehen vor allem Reformbedarf bei den Regelungen für den Kindesunterhalt. Die Hälfte aller Alleinerziehenden erhalte gar keinen, weitere 25 Prozent nur unregelmäßig oder zu wenig Geld vom unterhaltspflichtigem Elternteil. Der Staat springt dann über einen Vorschuss ein – allerdings nur sechs Jahre lang und nur für Kinder unter zwölf Jahren. „Das ist eine Regelung, die die Kinder überhaupt nicht im Blick hat“, kritisierte Antje Funcke. Auch brauche es bessere Mechanismen, um die Ansprüche auf Unterhalt durchzusetzen.

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4 Kommentare

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  • Die Politik zeichnet sich gegenwärtig immer noch dadurch aus, daß sie durch die Bekämfung der Armen (HartzIV, Zwangs-Minilohnjobs usw.) für diese Menschen den Wunsch nach Nachwuchs so unattraktiv wie möglich macht und andererseits genau diejenigen massiv fördert, bei denen eine Förderung vom ihrem Sinn her überflüssig ist.

     

    Unter dem Strich ist das eine andere Form von bewußter ethnischer Selektion, sofern man Arme und Reiche als verschiedene ethnische Gruppen betrachtet. Daß derartiges nur ganz selten krass ins Auge fällt, liegt daran, daß übergeordnet der Trend besteht, das gesamte Volk zu freiwilligen Sklaven zu machen, ohne daß das Volk es selbst bemerkt.

  • Die Ungerechtigkeit beginnt im Steuerrecht. In kaum einen Land werden Alleinerziehende so hoch besteuert wie in Deutschland. Im Bereich der Sozialleistungen dagegen, die dazu verleiten, lange zu Hause zu bleiben und langfristig die Erwerbsmöglichkeiten beeinträchtigen, ist Deutschland an der Spitze.

    Wenn hier also noch mehr Sozialleistungen gefordert werden, so führt dies nicht zu einer Besserung.

    • @Velofisch:

      Sozialleistungen müssen nicht HartzIV sein. Wenn zumindest Kinderbetreuung flächendeckend möglich wäre, könnten Alleinerziehende leichter Arbeit finden. Momentan ist das je nach Region schwer bis unmöglich. Auch ist der Kinderbedarfsatz von HartzIV zu niedrig angesetzt - Kinder sind nicht halbe Erwachsene.

      • @Frida Gold:

        Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Was ich bei den Sozialleistungen besonders empörend finde ist, dass das Kindergeld damit verrechnet wird. Da genügt Kopfschütteln allein nicht. Hier gehört unseren Familienpolitikern vom Wähler ordentlich in den Hintern getreten. Das ist einfach unanständig. Solange alles mögliche an Leistungen so schön appetitlich aufgelistet und danach doch nur miteinander verrechnet wird, ohne auch geleistet zu werden, rechnen wir uns vor den Nichtbetroffenen schön und die Betroffenen sind die Leidtragenden.

         

        Aber die Liste ist ja noch wesentlich länger. Der Begriff "Soziale Hängematte" ist da einfach nur eine Beleidigung.