Studie über Haltung zu Zugewanderten: Rassismus, aber nur ein bisschen

Eine Langzeitstudie zeigt, dass viele Deutsche skeptisch auf Migration blicken. Die Abwertung von Geflüchteten ist so heftig wie noch nie.

Eine Frau mit Kinderwagen läuft vor einer verschmierten Wand "Refugees Welcome" mit einem NOT dazwischen

Keine Ankommenskultur in Eisenhüttenstadt Foto: Daniel Biskup

Die Zustimmung zu einer Willkommenskultur in Deutschland steigt. Gleichzeitig erreicht im Jahr 2020 die Ablehnung von Geflüchteten und Muslimen den höchsten Wert seit 2014. Das sind zwei der zum Teil widersprüchlich scheinenden Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu Einstellungen zu Integration und Migration, die die Stiftung Mercator und die Universität Bielefeld am Montag vorgestellt haben.

„Die Willkommenskultur mündet nicht in eine Ankommenskultur“, sagte Studienleiter Andreas Zick vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Nach wie vor begegneten viele Menschen in Deutschland Integration mit Skepsis und stellten hohe Anforderungen an die gesellschaftliche Teilhabe von Zugewanderten.

So zeigt die aktuelle Befragung von rund 2.000 Menschen mit und ohne Einwanderungserfahrung, dass 2020 erstmals die Mehrheit der Bevölkerung eine Willkommenskultur begrüßt. Gleichzeitig wünschen sich aber zunehmend viele Befragte, dass religiöse und kulturelle Vielfalt am besten unsichtbar bliebe.

Fast ein Fünftel will sogar verhindern, dass „Menschen anderer Kultur“ in der öffentlichen Verwaltung arbeiten. Auch die Zustimmung zur Inte­gra­tion an sich ist gesunken; erstmals begrüßt sie nicht mal mal mehr je­de:r Zweite.

Hohe Zustimmung zu eigenen Vorrechten

Sehr auffällig ist laut der Studie, dass 2020 mit über 30 Prozent dreimal so viele Befragte wie noch 2018 die Ansicht äußerten, neu Hinzugekommenen stünde weniger zu als denen, die schon länger im Land lebten.

Die Au­to­r:in­nen vermuten, dass der erstmalig konkrete Bezug zu Deutschland bei der Fragestellung wesentlich für den hohen Wert verantwortlich ist. Das würde aber darauf schließen lassen, dass die hohe Zustimmung zu eigenen Vorrechten in den vorherigen Befragungen nur „verschleiert“ gewesen sei.

Studienleiter Zick verwies aber auch auf weitere mögliche Gründe. Zum einen hätte die Befragung während des Lockdowns im Winter stattgefunden. Menschen, die von der Pandemie belastet seien, nähmen Fragen nach gleichen Rechten verstärkt als Verteilungskampf wahr.

Auch dass die Bür­ge­r:in­nen während der Pandemie weniger Kontakt miteinander gehabt hätten, dürfte die „integrationsfeindlichen“ Einstellungen erhöht haben, so Zick.

Anforderungen an Zugewanderte gestiegen

Tatsächlich zeigen die sich in verschiedenen Bereichen. So sind etwa die Anforderungen an Zugewanderte gestiegen. Wer zur Gesellschaft dazugehören möchte, soll unter anderem die deutschen Sprache beherrschen, Werte und Traditionen achten, eine Arbeit haben sowie nicht von Sozialhilfe abhängig sein.

Gleichzeitig werden Geflüchtete und Muslime zunehmend abgewertet. So glauben etwa 33 Prozent, dass „die muslimische Kultur einen gefährlichen Einfluss auf die deutsche Kultur hat“. Und nur je­de:r zweite Befragte möchte Geflüchteten das Recht zugestehen, seine Familie nachzuholen.

Zudem gab je­de:r Dritte der 646 Befragten mit Einwanderungsgeschichte an, wegen ihrer Herkunft oft oder sehr oft beleidigt zu werden. Mehr als je­de:r Vierte gab an, oft oder sehr oft rassistisch beschimpft zu werden.

Der Politik empfiehlt das Forscherteam, das „Ankommen“ von Zugewanderten stärker zu unterstützen, etwa durch beschleunigte Einbürgerung und mehr Sprach- und Ausbildungsangebote. Gleichzeitig dürfe das „Konfliktthema Migration“ im Wahlkampf nicht ausgeblendet werden, forderte Zick. Dass Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet zur aktuellen Lage in ­Afghanistan nur sagte, das Jahr 2015 dürfe sich nicht wiederholen, bezeichnete Zick als „unfassbar“.

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