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Studie fehlte in ZulassungsantragBayer angezeigt wegen Glyphosat

Der Chemiekonzern habe den Behörden kritische Studien über Gesundheitsrisiken des Pestizids nicht vorgelegt, so Umweltverbände. Bayer sieht das anders.

Protest gegen Glyphosat: AktivistInnen vor der Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen Foto: Federico Gambarini/dpa

Berlin taz | UmweltschützerInnen haben den Chemiekonzern Bayer angezeigt, weil er Hinweise auf Gesundheitsgefahren durch Glyphosat im Antrag auf Wiederzulassung des Pestizids nicht vorgelegt habe. Die Verbände Global 2000 und Pestizid-Aktionsnetzwerk verdächtigen das von Bayer angeführte Herstellerkonsortium, im Zulassungsantrag „unvorteilhafte Ergebnisse und Daten aus Herstellerstudien unzulässig zurückgehalten oder inkorrekt dargestellt zu haben“, um die Behörden „zu täuschen“.

Das geht aus der Anzeige hervor, die die Organisationen nach eigenen Angaben am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Wien eingereicht haben. Sie appellierten an die EU-Staaten, bei einer für Mitte Oktober geplanten Abstimmung eine erneute Zulassung von Glyphosat zurückzuweisen. Die aktuelle Erlaubnis läuft am 15. Dezember aus.

Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ – mit Glyphosat gefütterte Säugetiere hatten Tumore entwickelt. In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte Bayer zu hohen Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Der Konzern beruft sich dagegen auf verschiedene Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.

Die EU-Pestizidverordnung verlange, dass Hersteller in ihrem Zulassungsantrag alle Studien über potentiell schädliche Effekte vorlegen, erklärten die Umweltorganisationen. „Doch im aktuellen Zulassungsantrag von Bayer fehlt die Mehrzahl der publizierten Studien, die auf schädigende Auswirkungen auf das Nervensystem (Neurotoxizität) durch Glyphosat hinweisen.“ Darunter sei eine Studie, die bei Kindern ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen festgestellt habe, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft oder sie selbst im ersten Lebensjahr Glyphosat ausgesetzt waren.

Besonders schwer wiege der von zwei schwedischen WissenschaftlerInnen erhobene Vorwurf, dass auch eine vom Agrarchemiekonzern Syngenta beauftragte Studie zur Schädigung des sich entwickelnden Nervensystems durch eine Glyphosatverbindung den EU-Behörden vorenthalten worden sei. Rattenjungen hätten darin eine stark eingeschränkte Motorik gezeigt, wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft den Stoff erhielten. Die US-Umweltbehörde EPA habe diese Untersuchung als “akzeptabel für regulatorische Zwecke“ eingestuft. Demnach seien die schädlichen Effekte bei einer Dosis aufgetreten, die von den EU-Behörden derzeit als sicher eingestuft wird.

Nach Hinweis durch die schwedischen Wissenschaftler habe die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) sich die Studie schicken lassen, sagte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei Global 2000. Zu dem Zeitpunkt hatte die Behörde dem Umweltschützer zufolge aber schon „tausende Seiten von Begründungen“ geschrieben. Die Efsa habe dann die Studie, die ihrer bisherigen Bewertung widersprach, für irrelevant erklärt. Andere wichtige Studien habe die Behörde gar nicht erhalten.

Ähnliche Vorwürfe wegen früherer Zulassungen haben die Umweltschützer schon mehrmals seit 2016 erhoben. Seit vier Jahren ermittele deshalb die Staatsanwaltschaft Wien gegen Monsanto und den Rechtsnachfolger Bayer, so Global 2000.

Bayer sagt, der Konzern habe alle relevanten Studien für die Zulassung vorgelegt

„Bayer hat zu keiner Zeit relevante wissenschaftliche Studien zurückgehalten“, schrieb ein Konzernsprecher der taz. Die Studie zum Thema Entwicklungsneurotoxizität habe „nichts mit dem Wirkstoff Glyphosat zu tun“. Sie beziehe sich auf das Salz Glyphosat-Trimesium, aber nicht auf den zugelassenen Pestizidwirkstoff Glyphosat. „Beides sind komplett verschiedene Wirkstoffe mit einem unterschiedlichen Toxizitätsprofil“, so Bayer.

Eine andere von den Umweltschützern zitierte Studie sei ein öffentlicher Literaturartikel, „der bei der Bewertung als nicht zuverlässig und daher für die Risikobewertung von Glyphosat als nicht relevant erachtet wurde.“ Mehrere Regulierungsbehörden „auf der ganzen Welt“ hätten festgestellt, dass Glyphosat nicht neurotoxisch sei. Auch die Efsa wies in einer Stellungnahme für die taz darauf hin, dass das Glyphosatsalz in der EU nicht zugelassen sei.

Burtscher-Schaden antwortete darauf: „Glyphosat-Trimesium enthält eben auch Glyphosat. Und es gibt keine Anhaltspunkte, dass nicht Glyphosat sondern Trimesium für die schädlichen Effekte verantwortlich wäre.“ Deshalb seien die Antragsteller verpflichtet, dies zu untersuchen und die Behörden zu informieren.

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8 Kommentare

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  • Eine Meinung zum Thema hat wahrscheinlich jede*r. Die Frage ist nur, wie fundiert diese ist. Wer keine tiefgehenden Kenntnisse dieses Spezialgebiets der Chemie hat, dem spreche ich ab, sich qualifiziert zum Thema äußern zu können.

  • Ich denke, daß es grundfalsch ist, Lebensmittel mit Giften zu behandeln.

    Wenn solche dann auch noch erwiesenermaßen das Insektensterben massiv beschleunigen, muß man schon arg blöde oder Bayer-affin sein, für den Einsatz solcher magic-Mittelchen zu sein.

    Oder fauler Agrartechniker. "das haben wir immer einfach totgespritzt - So ist es einfach."

    Und wieder muß ich an diese Nullstelle denken, an diesen Özdemir ... Also es gäbe durchaus Arbeit für ihn, seines Zeichens "grüner" Landwirtschaftsminister. Ich finde es ekelerregend, was diese Regierung so veranstaltet (mit ganz wenigen Ausnahmen) ...

    • @Zebulon:

      Ekelerregend und widerwärtig, ganz meine Meinung.

      Auch dieses verkürzte Schauen auf direkte Gesundheitsschädigung bei Menschen geht mir gegen den Strich.

      Wenn wir den Artenschutz weiterhin derart mit Füßen treten, wirkt sich das ebenfalls drastisch auf unsere Gesundheit aus.



      Zudem werden wir noch genug Probleme bekommen, wegen all der Gifte, die wir seit Jahrzehnten auf die Umwelt loslassen.



      Wir sollten beginnen, diese Schädigungen deutlich zu verringern. - Vielleicht aus Mitgefühl für die nichtmenschliche Mehrheit der Erdbewohner, - falls wir es uns selbst nicht wert sind.

    • @Zebulon:

      Da Sie den Begriff "fauler Agrartechniker" verwenden scheint es mir so als ob Sie noch weniger Ahnung von Landwirtschaft haben als der von Ihnen kritisierte Cem Özdemir.

  • Je näher das Datum des EU-Votums heranrückt, desto origineller werden die Gegenargumente. Vorgestern war es eine mutmassliche Kanzerogenität, gestern die Biodiversität und heute also ein Trimesiumsalz, dessen Zulassung in der EU gar nicht beantragt wird. Was wohl morgen vorgebracht werden wird? Natriumchlorid-Residuen im Kochsalz? Dihydrogen-Monoxid-Spuren im Trinkwasser? Man darf gespannt sein!

    • @Magic Theo:

      Ja, und jetzt wird auch noch Autismus ins Feld geführt (für den Eso-Spinner sonst immer Impfungen verantwortlich gemacht haben). Als wären alle schwangeren Frauen einer täglichen Glyphosat-Dusche ausgesetzt.

      Und nach wie vor wird hierzulande massenhaft Kaffee getrunken, obwohl der von der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation ebenfalls als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde. Davor hat aber niemand Angst, und niemand ruft dazu auf, Kaffee zu verbieten. Ganz zu schweigen von Alkohol, der sogar gesichert krebserregend ist. Würden die Mutmaßungen der Internationalen Krebsforschungsagentur wirklich ernstgenommen, dann hätten wir hier ganz andere Diskussionen als die über Glyphosat.

    • @Magic Theo:

      "in Trimesiumsalz, dessen Zulassung in der EU gar nicht beantragt wird."

      Und warum steht das dann hier drin?

      www.bmel.de/Shared...ublicationFile&v=1

      • @Ajuga:

        Der Link verweist auf eine Anordnung des Ministeriums aus 2021, die das Ausbringen von Trimesiumsalzen untersagt. Und das ist ja auch ok so! Mein Punkt war ein anderer: Hat jemand die Zulassung von Trimesiumsalzen beantragt? Und falls ja, wer war es?