StudiVZ-Gründer zieht Bilanz: „Das war total crazy“
Er gründete das Online-Netzwerk StudiVZ, erfand das Gruscheln und wurde so steinreich. Heute ist StudiVZ pleite – und Dennis Bemmann?
taz: Herr Bemmann, sie gründeten damals StudiVZ – warum eigentlich nochmal?
Dennis Bemmann: Das hat sich fast zufällig ergeben. Für einen Verein, den ich mal mitgegründet hatte – das Deutsche Jungforscher-Netzwerk – hatte ich schon im Jahr 2000 eine ähnliche Plattform gebaut. Da hatte man auch Profile mit Foto, konnte Leute nach Interessen suchen, chatten und so weiter. Auf dem Jungforscher-Kongress, den der Verein jährlich veranstaltet, habe ich zufällig meinen späteren Mitgründer Ehssan Dariani kennengelernt. Der sagte: Warum machen wir sowas nicht für alle Studenten? Wir dachten uns, es wäre echt cool wenn es sowas gäbe, also haben wir es dann einfach gemacht. Warum auch nicht?
Soso. StudiVZ – das war ja auch eine Lebensphase für viele Menschen. Was war daran so geil, was war scheiße?
Ja, das war auch für uns eine Lebensphase und die war total crazy. Was ich natürlich megacool fand war, dass alle mitgemacht haben. Wir haben die Plattform ja so gebaut, wie wir sie uns selbst als Nutzer gewünscht haben, denn wir waren ja auch Studenten. Und natürlich haben wir die ganze Zeit allen davon erzählt, aber dann haben tatsächlich so gut wie alle, also alle jungen Leute, sich angemeldet, und das war mehr als wir uns zu träumen gewagt hatten.
Was fanden Sie toll?
Toll war, dass man die Leute aus dem Hörsaal, die man irgendwie vom Sehen her kannte, jetzt ganz einfach online finden konnte – oder die Nachbarn aus dem Wohnheim. Toll waren auch die Gruppen, oder dass man jetzt sehen konnte, Mensch, der Matthias, der mit mir auf der Schule war, ist gerade in Kroatien und hier sind die Fotos. Sowas gab's ja früher gar nicht, da hätte ich mit dem Matthias wahrscheinlich gar keinen Kontakt mehr gehabt.
Jahrgang 1978, gründete gemeinsam mit Ehssan Dariani im Jahr 2005 das Online-Netzwerk StudiVZ, das ähnlich wie Facbeook funktionierte. Bereits zwei Jahre später, im Jahr 2007, verkauften die beiden das Portal an den Holtzbrinck-Verlag – zu einem Preis von 85 Millionen Euro.
Was fanden Sie ätzend?
Ätzend war, dass unsere Infrastruktur diesem Ansturm nicht gewachsen war und dass wir nächtelang geschraubt haben, um die Plattform doch irgendwie am Laufen zu halten.
Fürs Protokoll: Haben Sie das Gruscheln erfunden?
Ach, das Gruscheln.
Das ist doch so ein Mixwort aus Grüßen und Kuscheln, oder?
Jetzt kann ich es ihnen ja sagen: Das dachten zwar immer alle, aber eigentlich war es viel banaler. Schon als wir anfingen, fragten wir uns, wie wir das Portal nennen sollen. Ich war für Studiverzeichnis, Ehssan war für „Gruschelei“. Das war so ein Wort, dass da, wo er herkam, irgendwie gerade kursierte. Aber der Name „Gruschelei“ wäre für das Portal ja noch blöder gewesen als später dann StudiVZ. Und als ich dann irgendwann die Funktion programmiert hab – das war ja so eine Art Gruß, ohne zu grüßen – hab ich es einfach so genannt. Gruscheln. Fertig.
Facebook ist heute überall. Klar, dass StudiVZ sterben musste, oder?
Naja, jede Lebensphase ist ja irgendwann mal vorbei, und die von StudiVZ sicher nicht erst seit heute. Facebook ist anders und funktioniert auch anders. Sowas wie StudiVZ kommt nicht wieder. Einigen Leuten ist es heute fast peinlich, wie sehr sie sich da damals reingehängt haben. Aber irgendwie war es doch schön.
Sie haben das Portal 2007 für 85 Millionen an Holtzbrinck verkauft – Glückwunsch! Was machen Sie heute so?
Bergfürst, das ist eine Plattform, über die man schon mit kleinen Beträgen in Immobilienprojekte investieren kann. Und ich helfe noch verschiedenen anderen Startups, aber ich habe auch sonst viele Hobbies. Ich fotografiere, lerne Sprachen, reise und freue mich einfach, dass ich mir auch die Zeit für Sachen nehmen kann, die mir Spaß machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?