Stromnetzbetreiber vor Gericht: Missbrauchsverfahren gegen Tennet
Der niederländische Netzbetreiber schafft es nicht, die Windparks in der Nordsee anzuschließen. Tennet ist offenbar „überfordert“. Nun drohen hohe Haftungszahlungen.
BERLIN dpa | Das Unternehmen Windreich hat wegen eines fehlenden Anschlusses für den Nordsee-Windpark „Deutsche Bucht“ Antrag auf ein Missbrauchsverfahren gegen den Stromnetzbetreiber Tennet gestellt. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Willi Balz der Presseagentur dpa. Es ist das erste Verfahren dieser Art. Tennet habe den Bau der Leitungen für eine Umspannstation und die Anbindung zum 252-Megawatt-Park auf unbestimmte Zeit verschoben.
Das entsprechende Verfahren gegen Tennet wurde von der dafür zuständigen Bundesnetzagentur eingeleitet und die Verhandlung für den 12. September angesetzt. Im schlimmsten Fall kann das Unternehmen anschließend vor einem Zivilgericht auf Millionen-Schadenersatz verklagt werden. Eine Tennet-Sprecherin wollte sich nicht näher dazu äußern, verwies aber darauf, dass man sich trotz der bisherigen Probleme auf einem guten Weg sehe. Besonders hilfreich seien die neuen Haftungsregelungen bei dem Anschluss der Windparks.
Die Haftungsregelungen sehen vor, dass die Verbraucher die Kosten für Netzstörungen beim Abtransport von Strom aus Windkraftanlagen per Umlage über den Strompreis mittragen sollen. Dies könnte den Strompreis zusätzlich steigen lassen. Nur wenn dem Netzbetreiber massives Eigenverschulden - etwa ein verzögerter Anschluss - nachgewiesen werden kann, muss er selbst haften, aber auch hier nur in der Regel mit 20 Prozent. Das Kabinett will die Regelungen in Kürze beschließen.
Das niederländische Unternehmen Tennet ist seit Monaten wegen Problemen beim Anschluss der Nordsee-Windparks massiv in der Kritik. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will die Probleme an diesem Donnerstag bei einem Besuch in den Niederlanden ansprechen. Insgesamt fehlen bis zu 15 Milliarden Euro an Kapital. Tennet will aber bisher nicht die Verantwortung für die Netzanschlüsse abgeben.
SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber forderte, dass eine Deutsche Netz AG unter Beteiligung der öffentlichen Hand zur Lösung der Probleme geschaffen werden sollte. Die Einnahmen aus den Netzentgelten würden dafür sorgen, dass dies kein Verlustgeschäft werde. „Es ist offensichtlich, dass Tennet als Netzbetreiber überfordert ist.“ Dem wolle Rösler dadurch begegnen, dass er Tennet mit den neuen Haftungsregeln von Risiken freistellen wolle. „Dies sollen die Stromkunden und gegebenenfalls sogar die Steuerzahler ausbaden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos