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Stromausfall auf iberischer Halbinsel„Wasserfallartiger“ Zusammenbruch des Netzes

Auf der gesamten iberischen Halbinsel gingen am Montag die Lichter aus. Starke Schwankungen aus Nachfrage und Angebot könnten verantwortlich sein.

Barcelona während des Stromausfalls: Verkäuferinnen vor ihrem Geschäft wissen auch nicht weiter Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

Madrid taz | „Alles was warten kann, sollte warten“, hieß es im öffentlichen spanischen Radio RNE alle paar Minuten. „Bitte benutzen Sie das Auto nur im Notfall“ und „es ist nicht nötig, Hamsterkäufe zu tätigen“ lauteten weitere Ratschläge. Der Grund: Gegen 12.30 Uhr war plötzlich der Strom weg – und er kam auch Stunden später nicht wieder.

Hatten alle anfangs noch an eine kleine Havarie im Straßenzug oder Wohnblock gedacht, wie sie sonst ab und an vorkommt, war dieses Mal alles anders. Auf der Straße erzählten Leute aus benachbarten Stadtteilen von ähnlichen Erlebnissen. Dann brach auch die Datenversorgung auf den Handys zusammen und schließlich das mobile Telefonnetz.

Überall auf der Iberischen Halbinsel, in ganz Spanien und Portugal, war für über 60 Millionen Menschen der Strom weg. Nur die Inselgruppen im Mittelmeer und Atlantik der beiden Länder wurden weiterhin versorgt, denn sie verfügen über vom restlichen Land getrennte Netze. Gerüchte, wonach auch in Teilen Frankreichs, Italiens und gar in Deutschland und Dänemark Probleme gebe, konnten von den Reportern bei RNE weder bestätigt noch endgültig dementiert werden. Selbst die Regierung war relativ ratlos. Ohne Kommunikation, keine Information.

Stundenlanger Stillstand in Aufzügen und Zügen

Menschen steckten stundenlang in Aufzügen fest und in den großen Städten blieben die U-Bahnen und Züge einfach stehen. Menschen verließen die Tunnel zu Fuß. Die Ampeln fielen aus. Der auch im Normalfall chaotische Verkehr in den Großstädten wurde dadurch nicht flüssiger. Madrid sperrte den inneren Schnellstraßenring. „Wir halten ihn für Notfalleinsätze frei“, erklärte Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida. Er forderte die Hauptstadtbewohner auf, die Notfallnummern nur anzurufen, „wenn es absolut unerlässlich ist“.

Hinzu kam, dass viele Unternehmen, Behörden und selbst Geschäfte, Schulen und Universitäten ihre Beschäftigten lange vor Feierabend nach Hause schickten – oder besser hinaus in eine Stadt, die kaum noch öffentliche Verkehrsmittel hatte. Bloß die Schalter in den Flughäfen funktionierten dank verbundener Notstromaggregate weiterhin, die Krankenhäuser ebenfalls, die trotzdem auf Notfallbetrieb schalteten.

Schlangen für Brot, Wasser, Batterien

Einige Mobilfunkmasten arbeiteten ebenfalls mit Generatoren. Wer Glück hatte, konnte telefonieren. Vielerorts bildeten sich Schlangen, um Brot, Wasser und vor allem Batterien zu kaufen. Allerdings wurde nur bedient, wer Bargeld hatte. Denn Kartenzahlung braucht Strom.

Informationen und Gerüchte gingen von Mund zu Mund, denn ein Großteil der Haushalte hat längst kein Transistorradio mit Batterien mehr. Und wer keinen Gasherd hatte, musste auf kalte Küche umsteigen. In den dunklen Kneipen gab es nur kalte Getränke und belegte Brote. In den Touristengebieten, wie etwa der Madrider Altstadt, blieben sie dennoch voll. Überall irrten Menschen durch die Innenstadt, ohne die gewohnten Kartendienste auf den Handys etwas orientierungslos.

Spekulationen über Ursache

Was der Grund für den Ausfall sein könnte, darüber konnten die Menschen auf der Straße und auch die Politiker, die im Radio zu Wort kamen, nur spekulieren. Juanma Moreno, der Präsident der Regionalregierung im südspanischen Andalusien, sprach aus, was viele vermuteten. „Es sieht ganz nach einem Cyberangriff aus“, sagte er.

Die spanische Regierung, die unter Ministerpräsidenten Pedro Sánchez im Nationalen Sicherheitsrat zusammengekommen, wollte sich nicht äußern. „Es ist besser, nicht zu spekulieren, wir werden die Ursache erfahren und schließen keine Hypothese aus“, sagte Sánchez. Die portugiesische Regierung schloss eine Cyberattacke auf ihre Netze aus. Der aus Portugal stammende EU-Ratspräsident António Costa erklärte auf X, es gebe bisher „keine Hinweise auf einen Cyberangriff.

Ein Sprecher des spanischen Netzbetreibers REE sprach von „einem stark schwankenden Ungleichgewicht aus Nachfrage und Angebot“. Dies habe zu einem „wasserfallartigen“ Zusammenbruch des Stromnetzes geführt. „Die Sicherungen der Stromversorgung sind rausgeflogen“, erklärte er das ganze etwas zugänglicher. Es müsse zuerst wieder das Netz stabilisiert werden, um dann genau zu untersuchen, was der Grund dafür sein könnte. Sechs bis zehn Stunden könnte dies dauern, hieß es. Das war um 14 Uhr. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatten einige Orte in Randlagen im Süden und im Norden des Landes wieder Strom. Im Zentrum – und vor allem im Ballungsraum Madrid – blieben die Lichter aus.

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