Strengeres Klimaschutzgesetz für Hamburg: Klimainitiative springt weit über die Hürde
106.000 Unterschriften hat die Hamburger Volksinitiative für den geforderten „Zukunftsentscheid“ gesammelt. Damit ist der Weg für eine Abstimmung frei.
Damit endet das Volksbegehren für ein strikteres Hamburger Klimaschutzgesetz nach dreiwöchiger Sammelphase erfolgreich: Die aus Fridays for Future und dem Naturschutzbund Nabu hervorgegangene Initiative kann nun davon ausgehen, dass es zu einem Volksentscheid über die von ihnen aufgestellten Forderungen kommt.
„Die letzten Wochen haben wir viel gearbeitet und gebangt, ob wir es schaffen“, sagte Lou Töllner, Sprecherin des Hamburger Zukunftsentscheids, am Montag. Rund 600 Aktivist*innen waren zum Sammeln der Unterschriften in der Stadt unterwegs – und damit deutlich erfolgreicher als nötig: Rund 66.000 braucht es für ein erfolgreiches Volksbegehren.
Aber um zu zeigen, wie groß ihr Klima-Anliegen in der Gesellschaft ist, hatte sich die Volksinitiative 100.000 Unterschriften zum Ziel gesetzt. Töllner blickt mit Stolz auf das Ergebnis: „Mit 106.000 Unterschriften haben wir das Ziel komplett gesprengt.“ Damit sei es das erfolgreichste Volksbegehren der vergangenen zehn Jahre und würde zeigen, wie stark die Zustimmung für besseren Klimaschutz sei. Unterstützung erfährt der Zukunftsentscheid inzwischen auch von insgesamt 60 Organisationen – darunter Vereine wie der FC St. Pauli oder aus dem Kulturbereich wie dem Deutschem Schauspielhaus.
Weg frei für Volksentscheid
Das nun erfolgte Bürgerbegehren ist der zweite Schritt im Rahmen der Hamburger Volksgesetzgebung auf dem Weg zu einem Volksentscheid. Schon den ersten Schritt hatte die Initiative erfolgreich geschafft: In der ersten Sammelphase waren 23.100 Unterschriften und deutlich mehr als die nötigen 10.000 gesammelt worden. Wenn der Hamburger Senat nach Prüfung der nun abgegeben Listen bestätigt, dass das Quorum erfüllt wurde, steht der Weg zu einem Volksentscheid frei.
Dort können die Hamburger Wahlberechtigten dann über die von der Initiative vorgelegten Forderungen abstimmen. Im Kern geht es darum, Hamburgs bestehendes Klimaschutzgesetz zu verschärfen. Dieses sieht vor, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Bis 2045 soll Hamburg klimaneutral sein.
Die Initiative hält dies für unzureichend und fordert, dass die Hansestadt bereits bis 2040 klimaneutral wird. „Die großen transformativen Fragen dürfen wir nicht in die Zukunft schieben“, betont Töllner. Hamburg liegt im Vergleich zu anderen Bundesländern mit der angestrebten Klimaneutralität noch zurück: Sieben andere Bundesländer haben sich die geforderte Klimaneutralität bis 2040 bereits zum Ziel erklärt.
Noch zentraler ist der Initiative, dass Klimaschutz in Hamburg endlich verbindlich werden müsse – durch festgelegte Zwischenziele und ein CO2-Budget sollen konkrete Maßnahmen garantiert und notfalls einklagbar werden. „Selbst wenn das Gesetz später abgeschwächt wird, hätten wir die Möglichkeit, dagegen vorzugehen“, erklärt Töllner.
Grüne dafür, SPD dagegen
Für ihre Forderungen hätten die Aktivist*innen beim Unterschriftensammeln viel positives Feedback erhalten. Töllner sieht dies in den klaren Zielen begründet: „Der Volksentscheid bringt konkrete Verbesserungen, hat realistische Ziele und spielt die soziale und Klimafrage nicht gegeneinander aus. Das trifft auf viel Zustimmung.“ Angetreten seien sie dennoch auch für die Leute, von denen sie keine Unterstützung erfahren, um in das Gespräch über Klima zu kommen.
Die Linkspartei bezeichnet das Volksbegehren als großen Erfolg. „Die Initiative greift Punkte auf, die auch die Linksfraktion in der Diskussion um das Klimaschutzgesetz bemängelt hat: Insbesondere die fehlende regelmäßige Überprüfung der Klimaschutzziele verhindert eine notwendige zeitnahe Reaktion bei Zielverfehlungen“, sagt Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion.
Bei der regierenden rot-grünen Bürgerschaftsmehrheit gibt es hingegen widersprüchliche Reaktionen: „Dass es im nächsten Jahr in Hamburg sehr wahrscheinlich zu einem Volksentscheid über Klimaschutz kommt, ist eine spannende Entwicklung und nicht zuletzt auch ein gutes Signal in Zeiten häufiger Extremwetterereignisse und neuer Rekordtemperaturen“, sagte einerseits die grüne Ko-Fraktionsvorsitzende Jenny Jasberg. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hingegen sprach sich am Montag erneut gegen die Volksinitiative aus: „Es reicht nicht, Sozialverträglichkeit als grundsätzliches Ziel zu formulieren, ohne das dann auch mit einem entsprechenden Maßnahmenkatalog zu hinterlegen.“
Sollten SPD und Grüne mit den Klimaaktivist*innen nicht noch einen Kompromiss aushandeln, kommt es wohl parallel zur Bundestagswahl im Herbst 2025 zum Zukunftsentscheid. Darauf blickten die Initiator*innen am Montag schon zuversichtlich: „Dass wir so viel mehr Unterschriften als notwendig sammeln konnten, macht Mut“, sagte Töllner und ergänzte: „Wir wären ja auch nicht angetreten, wenn wir nicht denken würden, dass wir das gewinnen können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen