Strengere Auflagen für Schiffe: Vorstoß gegen Seenotrettung

Das Verkehrsministerium plant schärfere Anforderungen an die Sicherheit. NGOs befürchten hohe Kosten für die Umrüstung ihrer Rettungsboote.

Eine Person auf einem Rettungsboot nähert sich einem überfüllten Holzboot

Ein Helfer des Open-Arms-Rettungsboots Astral nähert sich einem havarierten Holzboot vor der italienischen Küste Foto: Juan Medina/reuters

BERLIN taz | Das FDP-geführte Verkehrsministerium will die Sicherheitsanforderungen für kleine Schiffe verschärfen. Alle Wasserfahrzeuge in einer Länge von 24 bis 35 Metern sollen künftig wie große Frachtschiffe behandelt werden – und deshalb unter anderem ein sogenanntes Schiffssicherheitszeugnis vorlegen müssen. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums hervor. Bisher waren unter anderem Rettungsschiffe in dieser Größe von diesen Auflagen ausgenommen.

Sieben deutsche Seenotrettungs-NGOs protestierten scharf gegen den am Dienstag bekannt gewordenen Entwurf. Sie befürchten erhebliche Mehrkosten für Umbau, neue Brandschutzanforderungen, Rettungsmittel, Funkausrüstung und die technische Überwachung der Schiffe.

„Für die Mehrheit der zivilen Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge wird diese Verordnung bedeuten, dass sie ihre lebensrettende Arbeit einschränken oder einstellen müssen“, heißt es in einer Erklärung der NGOs Mare*GO, Mission Lifeline, r42-sailtraining, Resqship, Sarah Seenotrettung, Sea-Eye und Sea-Watch. Die Änderungen stellten einen Bruch des Ampel-Koalitionsvertrags dar, nachdem zivile Seenotrettung „nicht behindert“ werden darf.

Ähnliche Vorstöße des Ex-CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer seien „zu Recht aus den Reihen der heutigen Bundesregierung scharf kritisiert worden“. Das Bundesverkehrsministerium hatte bereits 2019 unter Scheuer versucht, Seenotrettungsschiffen unter deutscher Flagge auf gleiche Weise zu behindern. In der Folge wurde ein Schiff der NGO Mare Liberum festgesetzt. Eine Klage dagegen war allerdings erfolgreich.

Die Neuregelung werde Menschen das Leben kosten

Heute vergrößere die Ampel mit den geplanten Neuregelungen die „drastische Rettungslücke im Mittelmeer bewusst“, so die Stellungnahme der zivilen Retter. „In Abwesenheit einer staatlichen Rettungsoperation und sicherer und legaler Fluchtwege werden den Preis für die geplanten Rechtsänderungen Menschen auf der Flucht mit ihrem Leben bezahlen.“

Das Ministerium weist die Vorwürfe zurück. Auf eine taz-Anfrage sagte ein Sprecher, das Vorhaben ziele „nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab, sondern es geht im Gegenteil darum, deren Arbeit abzusichern.“ Sicherheitsmängel der eingesetzten Schiffe sollen verhindert werden und damit der „Schutz von Leib und Leben gewährleistet“ werden.

Untersuchungen von Seeunfällen hätten mehrfach gezeigt, dass es leicht zu Unfällen mit Lebensgefahr kommen könne. Das gelte vor allem für kleine Schiffe und Boote, wenn diese über eine längere Zeit auf hoher See operieren und bei schwierigen Wetterlagen „bis zur Kapazitätsgrenze eine Vielzahl von entkräfteten, traumatisierten und nicht schwimmfähigen Personen aufnehmen“.

Anfang Dezember seien die NGOs zu einem „persönlichen Austausch auf Arbeitsebene“ eingeladen worden. Übergangs- und Ausnahmeregelungen sollen nun „gemeinsam mit den betroffenen Organisationen auf Arbeitsebene erörtert“ werden, so das Ministerium.

Grüne pochen auf Einhaltung des Koalitionsvertrags

Der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt kritisiert das Vorhaben scharf. Gegenüber dem ARD-Magazin Monitor sagte er: „Wir werden uns als Partei, natürlich auch als Regierungsfraktion dafür einsetzen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird. Und diese Schiffe zu behindern wäre ein ganz klarer Angriff auf die zivile Seenotrettung.“

Auch Hakan Demir, SPD-Bundestagsabgeordneter und Berichterstatter seiner Fraktion für internationales Flüchtlingsrecht, erklärte, das Verkehrsministerium dürfe die vereinbarte Unterstützung für Seenotrettung „nicht torpedieren“. Man könne nicht hinnehmen, dass zivilen Seenotrettungsorganisationen große Hürden auferlegt werden.

In den ersten zwei Monaten des Jahres sind 327 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken, zuletzt rund 60 bei einem Schiffsunglück vor der Küste des italienischen Crotone. Die italienische Regierung hatte zuletzt mit einem Dekret eine Reihe von Auflagen erlassen, die die Arbeit der rund einem Dutzend privater Seenot-NGOs im Mittelmeer – darunter viele aus Deutschland – stark erschwert. Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit mehrfach erklärt, die Seenotretter unterstützen zu wollen, und unter anderem pro Jahr bis 2026 zwei Millionen Euro an Zuschüssen für diese zugesagt.

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