piwik no script img

Streitpunkt EntwicklungspolitikCDUler kritisieren Union

Mehrere ehemalige Unions-Amtsträger sprechen sich gegen die Kürzung von Entwicklungsgeldern aus. Organisationen warnen vor humanitären Folgen.

Flüchtlinge aus dem Sudan in einem Transitlager im März 2025 – die CDU plant Gelder für Entwicklungshilfe zu streichen Foto: Eva-Maria Krafczyk/picture alliance

Berlin taz | Aus den eigenen Reihen mehrt sich Widerspruch gegen Vorhaben der Union, die deutsche Entwicklungspolitik zu stauchen. Sparkurs und die Abschaffung des Ministeriums blieben Streitthemen in den Koalitionsverhandlungen der Arbeitsgruppe und müssen nun von den Parteichefs verhandelt werden. In einem offenen Brief warnten am Donnerstag mehrere ehemalige Spitzenpolitiker von Union und SPD vor Kürzungen, die nicht nur „humanitäre Folgen hätten, sondern auch Deutschlands Sicherheit und die internationale Stabilität gefährden“.

Unter den Unterzeichnenden sind die Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU) sowie die ehemaligen Ent­wick­lungs­mi­nis­te­r*in­nen Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Gerd Müller (CSU). „Entwicklungszusammenarbeit stärkt internationale Partnerschaften, verhindert Krisen und schützt unsere Interessen – sie ist ein strategisches Instrument für Deutschland“, heißt es in dem Appell.

Kritik kam auch von zahlreichen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen. „Anstatt die Existenz des Ministeriums zu debattieren, sollten die Kompetenzen und Strukturen für die zunehmenden Aufgaben, etwa im Bereich Klimaschutz, im Zentrum der Diskussionen stehen“, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt.

Mathias Mogge von der Welthungerhilfe verwies darauf, dass der Hunger in der Welt zunehme, während die Budgets schrumpften. „Diese Kürzungen bedrohen das Leben von Millionen Menschen und gefährden zudem die Existenz lokaler Organisationen, die für die Umsetzung und nachhaltige Wirkung der Hilfe unverzichtbar sind.“

UNAIDS befürchtet 6,3 Millionen Todesfälle

Die Debatte in Deutschland findet vor der Hintergrund eines weltweiten Rückzugs an Entwicklungsgeldern statt. Die Abwicklung der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID reißt Milliardenlöcher in die medizinische Versorgung, Hilfsleistungen und Entwicklungsprojekte. Die USA waren bislang der größte Geldgeber, 2023 gaben sie 64,7 Milliarden US Dollar für die offizielle Entwicklungshilfe aus. Auch Großbritannien hat drastisch Entwicklungsfinanzierung reduziert.

Winnie Byanyima, die Chefin von UNAIDS, dem Programm der Vereinten Nationen für die Versorgung von HIV-Infizierten warnte Anfang der Woche, in den nächsten vier Jahren könnte es mehr als 6,3 Millionen zusätzliche Todesfälle geben und täglich könnten sich 2.000 Menschen zusätzlich infizieren, wenn es zu den drastischen Kürzungen kommt. Die USA finanziert 35 Prozent des UNAIDS-Budgets.

Auch das Kinderhilfswerk Unicef warnte am Mittwoch, die Kürzungen gefährdeten 14 Millionen Kinder weltweit, die im Jahr 2025 den Zugang zu lebenswichtigen Nahrungsmitteln verlieren könnten.

Deutschland hat sich zu dem UN-Ziel bekannt, jährlich 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen auszugeben. 2023 war es eins von fünf Ländern, die das auch erreicht haben, mit einer Quote von 0,82 Prozent. Ein Viertel davon wurde jedoch in Deutschland ausgegeben, zum Beispiel für die Unterbringung von Geflüchteten. Weitere 20 Prozent sind Beiträge an die EU, die UN und an Entwicklungsbanken. Die meisten bilateralen Projekte sind langfristig angelegt. Kürzungen treffen daher meist Gelder für Krisen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Es ist doch schon ein minimaler Posten im Haushalt. Was zum ... will man da kürzen? Es mutet verzweifelt an, wie man sich um die Frage nach Besteuerungen von Superreichen und Konzernen herumwindet.

  • besonders interessant, was die union da plant, weil sich gerade alle Welt über die Kürzungen der Amerikaner in diesem Bereich echauffiert....