piwik no script img

Streit zwischen Polen und RusslandZoff zum Auschwitz-Gedenken

Am 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz sollen allein die Überlebenden das Wort haben. Das erbost den russischen Präsidenten Putin.

Wer hat es befreit? Das Vernichtungslager in Auschwitz. Bild: reuters

WARSCHAU taz | Am 27. Januar werden rund 300 Holocaust-Überlebende aus aller Welt nach Polen reisen. Sie wollen an den Gedenkfeiern zur Befreiung des Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau teilnehmen. „Am 70. Jahrestag sollen die Überlebenden im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Sie werden reden, und wir werden ihnen sehr genau zuhören“, erklärt Piotr Cywinski, der Direktor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.

Dass Staatsoberhäupter und Premierminister keine gesonderte Einladung erhielten, sondern lediglich eine diplomatische Anfrage, ob sie eventuell ebenfalls teilnehmen wollten, fand nur einer empörend und gar beleidigend: Wladimir Putin, der Präsident Russlands.

Auf allen verfügbaren Kanälen posaunten dann die Kreml-Medien in die Welt, dass die Rote Armee 1945 Auschwitz und ganz Polen von den Nazis befreit habe, nun aber die Regierung in Warschau nicht einmal den Präsidenten Russlands zu den Gedenkfeiern einlade. Während die Nachkommen der Täter und Kollaborateure in Polen herzlich willkommen seien, schlüge den eigentlichen Befreiern und Helden von 1945 nur noch Verachtung entgegen. Schuld an Putins Nichterscheinen im polnischen Oswiecim seien die Polen.

Nachdem die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bekannt gab, dass Staatsoberhäupter und Regierungschefs aus knapp 40 Ländern nach Polen kommen wollten, wurde die Delegation aufgewertet. Zwar will Putin nach wie vor an der Gedenkfeier nicht teilnehmen, doch nun soll neben dem russischen Botschafter auch Putins Präsidialamtschef Sergei Iwanow den Überlebenden zuhören.

Während Russlands Außenminister Sergei Lawrow auch gleich noch dem Westen vorwarf, in den letzten Jahren im Kampf gegen faschistisches Gedankengut nachzulassen, erklärte Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee, dass in der Roten Armee auch ukrainische und weißrussische Soldaten gekämpft hätten. Putin habe kein Monopol darauf, für die Befreier sprechen.

Tatsächlich wurde das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 1945 von der I. Ukrainischen Front befreit. Das Tor öffnete Anatoli Schapiro, ein ukrainischer Jude.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

32 Kommentare

 / 
  • Es ist doch eine gute politische Regel:

    Betroffene reden zuerst.

  • Wieso werden eigentlich keine Nachfahren der Täter eingeladen oder derjenigen, die von Auschwitz profitiert haben?

     

    Die Kinder der Flicks, der Thyssens, der Freislers, der Globkes sind doch alle was geworden in der BRD. Die gehören dahin eingeladen.

  • Recht hat er. Auschwitz von den Millionen im Krieg gegen Hitler Verstorbenen zu trennen ist NoGo. Es ist eine Unverschämtheit gegen jeden der Millionen sowjetischen Soldaten, der gegen Hitler verstarb. Niemand hat ein Recht Auschwitz für das alltägliche politische Geschäft zu instrumentalisieren.

    • @Arcy Shtoink:

      es geht nicht nur um die sowjetischen Soldaten, die rote Armee, die aus vielen heutigen Nationen bestand, aber eben, auch wenn es den Deutschen nicht passt unter russischen Kommando stand. Es geht vor allem um alle die in dem Lager litten und nicht um einen Streit welche Nation zuerst da war. So ein Blödsinn!!! Wer fragte vor 2 Jahren woraus die Rote Armee bestand. Unglaublich. Was seid Ihr Deutsche für W...?

      • @format c::

        Bitte... nicht alle Deutschen denken so. Herr Shtoink ist Grünen-Wähler.

  • Euren wundesten Punkt, die hässlichste historische deutsche Hinterlassenschaft, Ausschwitz, mit in Öfen verbrannten Seelen, nehmt Ihr her, Deutsche Presse, um die aktuelle politische Lage zu nutzen und über Putin herzuziehen. Es seien doch sowieso Ukrainer und Weissrussen gewesen die das Lager befreiten, was das mit Russland zu tun habe. Schämt Euch!

    • @format c::

      Format C. : Auschwitz liegt nicht in Deutschland. Bitte nicht anfangen in den Grenzen von anno blödi-mals zu denken. Ok?

      • @Arcy Shtoink:

        anno blödi-mals? Die Geschichte davon liegt in Deutschland, der Ort ist mit Deutschland unzertrennlich verbunden. Kein Deutscher heute hat eine Schuld daran. Aber wo man lebt, der Umgang mit diesem Denkmal sollte klar sein.

        • @format c::

          Auschwitz liegt in Polen. Was aktuell veranstaltet wird liegt in der Verantwortung der Polen. Da hat kein "Deutscher" paternalistisch dazwischen zu funken!

          • @Arcy Shtoink:

            dann braucht die deutsche Presse nicht schwachsinnige Artikel schreiben und erklären wer zuerst da war wenn nicht "paternalistisch dazwischen zu funken!"!

            Wenn überhaupt: Deutsche waren zuerst da und heizten die Öfen vor, oder? Also, Klappe zu!

  • ...ohne die Rote Armee würden Polen und Ukrainer heute noch Sauerkraut essen und Marschmusik hören, als ein Teil des sog. Deutschen Reiches.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Fotohochladen:

      Pardon. Also ich bedanke mich bei der Sowjetunion für den Hitler-Stalin-Pakt, den Einmarsch am 17. September 1939, die sowjetischen Massenmorde an Polen in Katyn und anderswo, danke auch für die unterlassene Hilfeleistung beim Warschauer Aufstand 1944 sowie aller besten Dank für den stalinistsichen Terror in Polen ab 1944/1945...

    • @Fotohochladen:

      Völlig falsch. Die Nazis wollten ihr Großgermanisches Reich vor allem mit "Germanen" besiedeln. Die einheimische Bevölkerung (Polen, Ukrainer, Weißrussen, Russen, usw.) sollte ausgerottet werden. Bis auf einen kümmerlichen Rest, der ohne eigene nationale Identität und Kultur als Arbeitssklaven dahinvegetieren sollte.

       

      Kurz. Es gäbe heute keine Polen und Ukrainer mehr.

    • @Fotohochladen:

      Mit roter Armee haben die Polen Soljanka gegessen und russische Marschmusik sehr lange gehört...

  • normalerweise sollte kein Staatsoberhaubt m/w nach Auschwitz eingeladen werden, denn für diese Leute ist dieser Termin nichts besonderes, da gehört enfach dazu , wie beim Besuch in Israel die Gedenkstääten zu besuchen , ein betroffenes Gesicht machen und dann zum nächsten Termin eilen, die Reden, die das geschwungen werden, werden von Redeschreibern verfasst, ob sie die Meinung der Vortragenden vertreten, naja,, hat man was aus dem Holcaust gelernt, dei Frage wird sicher von den Promis positiv beantwortet, auch wenn man weiterhin , naja, mordet?? und ob das diese oder jene Einheit der Roten Armee war, die Auschwitz befreit, sollte aber auch sowas von egal sein

  • Dass diejenigen, die Auschwitz (und andere Vernichtungslager im Osten) überlebt haben, dies vor allem den Soldaten der Roten Armee verdanken, ist unstrittig.

     

    Dass aber wiederum das Verhältnis zwischen Polen und Russen historisch sehr belastet ist, liegt aber nicht zuletzt an der mangelnden Bereitschaft der russischen Seite, sich mit der eigenen Vergangenheit kritisch auszueinanderzusetzten. Bis heute rechtfertigt Putin den Hitler-Stalin-Pakt http://www.sueddeutsche.de/politik/zweiter-weltkrieg-putin-verteidigt-stalins-pakt-mit-hitler-1.2209854

     

    Und die gleiche Rote Armee, die Auschwitz befreite, ging militärisch gegen die Polnische Heimatarmee vor, ganz zu schweigen von dem von lange geleugneten Massenmord in Katyn. Eine russische Organisation wie Memorial, die den Stalinismus kritisch aufarbeitet, wird dagegen im Reiche des Herrn Putin drangsaliert.

     

    Dass die Polen vor diesem Hintergrund kein gesteigertes Interesse haben, Putin eine Plattform für die offzielle russische Geschichtspropaganda zu bieten ist nachvollziehbar. Und wenn er jetzt beleidigt ist, dann soll er eben zu Hause bleiben. Ihn vermisst wahrlich niemand.

    • @Schalamow:

      Rechtfertigung H-S-Pakt sieht anders aus https://www.youtube.com/watch?v=aRqAyZblCAA

      Erinnerung an Vorgeschichte, wie das Münchner Abkommen, Zersplitterung Tschechiens, heute der Insel fröhnend als Appeasement gehandelt. Polen besetzte seinen tschechischen Kuchen. Mit Nichtangriffspakt mit den Nazis von 1934 in der Tasche. So der brave Bube war Polen nicht http://www.vorkriegsgeschichte.de/content/view/28/44/

      http://www.vorkriegsgeschichte.de/component/option,com_frontpage/Itemid,1/

      Während und nach dem Krieg war Polen auf jeden Fall Opfer des Stalinismus, logo. Über Stalin fielen die Sowjets bereits nach dessen Tod her. Wie auch immer, mit Ausschwitz hat das alles nichts zu tun. Die eigentlichen Verursacher der Tragödie, Deutschland, werden heute auch geladen. Auf den Mitbeseitigern rumgehackt? Was ist das? Die Sowjetunion gibt es nicht mehr? Was will man heutigen Regierungen vorhalten und in Zusammenhang mit Ausschwitz bringen? Niemand muss Putin mögen, aber das ist der falsche Anlass! Die Ukraine ist überhaupt nur Ukraine geworden durch die Sowjetunion, die gab es vorher nicht, und war Teil der roten Armee, wie alle, die jetzt die Befreiung für ihre Nation in Anspruch nehmen. Die Rote Armee war aber russisch kontrolliert, so ist es eben. Alles andere ist Lüge!

      • @format c::

        Die Deutschen heute haben genausowenig mit Ausschwitz zu tun wie heutige Russen, Polen oder Ukrainer. Es trifft sie keine Schuld. Aber die Geschichte umschreiben. Als das Land das historisch verantwortlich ist Russland erzählen wer Ausschwitz befreit hat, das seien doch Ukrainer gewesen, keine Russen.

        Schämt Euch deutsche Presse, dazu habt Ihr kein Recht!!!

    • @Schalamow:

      Was nur kolportieren Sie hier mal so aufs gerate wohl hinaus - es ist nicht zu fassen.

       

      Wer mag schon Putin.- Aber der Gedenkanlass heißt nunmal "Befreiung des Lagers Auschwitz". Die Russen haben einen hohen Blutzoll dafür entrichtet. Ganz einfach: Außerordentlich schäbig und unmoralisch diese polnischen Administrativen! Es gilt auch den seinerzeitigen, russischen Soldaten und deren Hinterbliebenen ein Gedenken abzuhalten

       

      Wenn sowas immer nur nach der moralischen Qualität des jeweiligen Regierungsvertreters erwünscht wäre, hätte bis heute, mit Blick auf die allgemeinen Menschenrechte, so manchem US-Amerikaner bei diesbezüglichen Treffen, von Deutschland die Tür gewiesen werden müssen.

       

      Normalerweise habe ich persönlich keinen Gebrauch für das Wort Schande: Aber ich vergebe es hier mal, an diese dafür so mickrig verantwortlichen Polen.

      • @H-G.-S:

        In der Sache bringen Sie jetzt keine Gegenargumente.

         

        Halten wir mal fest: Niemand hindert Putin am Kommen. Er ist wohl einfach nur beleidigt, weil er für sich selber wohl eine imposantere Rolle vorgesehen hat. Aber dafür, dass er das Gedenken an die Opfer von Auschwitz nicht zu Selbstdarstellung nutzt, gibt es gute Gründe.

  • Nun, ich weiß zumindest von EINEM Staatsoberhaupt, das eine persönliche Einladung erhalten hat: Petro Poroschenko, und zwar von Polens Regierungschefin Ewa Kopacz.

     

    Was den Hype um die 1. Ukrainische Front betrifft, so soll man mal schön auf dem Teppich bleiben. Es war und ist stets das offizielle Narrativ Moskaus, daß in der damaligen Roten Armee Angehörige aller Nationalitäten der Sowjetunion gemeinsam gekämpft haben. Und gemeinsam hat man auch das KZ in Auschwitz befreit.

    Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, wenn nun ausgerechnet Kiew, in welchem dem Polenmörder Bandera gehuldigt wird, sich zum Befreier von Auschwitz hochstilisieren will. 1. Ukrainische Front? Nicht mehr als ein Name, denn ursprünglich hieß die entsprechende Formation der Roten Armee die "Woronesher Front" und wurde erst, als die Rote Armee bei ihrer Zurückschlagung der Wehrmacht durch die Ukrainische Sowjetrepublik marschierte, in "Ukrainische Front" umbenannt: http://de.wikipedia.org/wiki/Woronescher_Front

    Dies änderte aber nichts an der Zusammensetzung der Truppe, in der weiterhin Russen Seite an Seite mit den Angehörigen anderer Nationalitäten kämpften.

     

    Natürlich hat Putin "kein Monopol darauf, für die Befreier sprechen". Aber mir wäre nicht bekannt, daß er dies beansprucht. Wenn Poroschenko es ernst meinte mit dem Vermächtnis von Auschwitz, dann sollte er mal in seinem Land die Nazi-Jünger in die Schranken weisen. Tut er aber nicht, und wenn es weiter so geht, geschieht eher das Umgekehrte.

    • @Der_Peter:

      Völlig richtig. Wie mit dem Namen 1. Ukrainische Front Geschichte verbogen wird, ist einfach widerlich. Die Ukrainer, die heute von der Kiewer Regierung als Helden gefeiert werden, haben Judenpogrome veranstaltet und als Helfer in den Vernichtungslagern gedient. Und die Soldaten der Roten Armee aus allen Völkern der damaligen SU, die das Morden beendet haben, gelten der Regierung in Kiew als Verbrecher. Ich denke da nur an die jüngsten Äußerungen Jazenjuks in der ARD. Mit was für Leuten lässt sich unsere Regierung da ein?