Streit zwischen CSU und CDU: Drohend aufeinander zugehen
Im Konflikt um Merkels Flüchtlingspolitik sprechen CDU-Politiker von einer Ausdehnung nach Bayern. Schäuble nimmt derweil Seehofer in Schutz.
Neben der Flüchtlingspolitik dürfte es um weitere Streitthemen wie die Zukunft der Rente, die Erbschaftssteuer oder die Bund-Länder-Finanzen gehen. Beschlüsse oder gemeinsame Papiere sind als Ergebnis des Treffens nicht zu erwarten.
Unter dem Druck der schweren CDU-Wahlschlappen in Berlin und zuvor in Mecklenburg-Vorpommern hatte Merkel am Montag Fehler in der Flüchtlingspolitik eingestanden. So sei der Flüchtlingszuzug 2015 vorübergehend außer Kontrolle geraten, sagte die CDU-Vorsitzende: „Die Wiederholung dieser Situation will niemand, auch ich nicht.“
Seehofer, der Merkels Vorgehen in der Flüchtlingskrise seit dem Vorjahr scharf attackiert, hatte das positiv bewertet. Er sieht aber keinen Kurswechsel der Kanzlerin, den seine Partei weiterhin fordert.
Vorsichtiges Entgegenkommen
In Sachen Obergrenze hatte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt jüngst eine Kompromissmöglichkeit erkennen lassen. Sie verstehe die von Seehofer geforderte Obergrenze nicht so, dass der Erste, der nach 200.000 Flüchtlingen ankomme, nicht mehr ins Land dürfe. Es gehe um eine „Richtgröße“, eine „Orientierungsgröße“. Ob es dabei eine Formulierung mit der Zahl 200.000 oder ohne diese Zahl gebe, werde man sehen, so Hasselfeldt.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt die Schwesterpartei CSU in Schutz. „Es ist eine Unverschämtheit, etwa dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu unterstellen, ausgerechnet er sei gegen einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen“, sagte Schäuble der Wirtschaftswoche. In Bayern gebe es weniger rechtsextreme Anschläge auf Flüchtlinge als in anderen Ländern. Zudem hätten die Bayern den Zustrom von Flüchtlingen 2015 herausragend bewältigt. Allerdings mahnte er auch Richtung Seehofer, die Rhetorik zu zügeln. „Was bringt es, immer gleich in jeder Auseinandersetzung das Ende einer Partei heraufzubeschwören?“, sagte er mit Blick auf Warnungen des CSU-Chefs, die Existenz der Union stehe auf dem Spiel.
Schäuble beurteilte zugleich den selbstkritischen Auftritt von CDU-Chefin Angela Merkel am Montag als überzeugend. Merkel habe nie die Schwere der Aufgabe infrage gestellt. „Aber die Aufgabe kann gemeistert werden, und da hilft es, wenn Politik Hoffnung vermittelt“, sagte er mit Blick auf Merkels umstrittenen Satz „Wir schaffen das“. „Wenn so der Zustrom geordnet werden kann und wir allmählich zu einer angemesseneren Verteilung kommen, dann werden wir die Menschen auch gut integrieren können. Und wenn der Satz der Bundeskanzlerin nun diese Wirkung hat, dann braucht sie ihn auch nicht mehr so oft zu sagen.“
Drohung einer Bayern-CDU
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und sein Vorgänger Roland Koch schlagen derweil eine CDU-Ausdehnung nach Bayern vor, wenn die Schwesterpartei CSU im Flüchtlingsstreit nicht einlenken sollte. Wenn die Attacken aus München weitergingen, müsse man in München nach einer Immobilie Ausschau halten, sagte CDU-Vizechef Bouffier nach Informationen des Focus im CDU-Präsidium am Montag. Ein Teilnehmer der Sitzung bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters diese Aussage.
Der Focus berichtete zudem, dass auch Koch, der als Symbolfigur der Konservativen in der CDU gilt, an eine Ausdehnung seiner Partei nach Bayern denke. „Wenn beide Seiten nicht bald zu einer Abkühlung kommen, dann wird CDU-Generalsekretär Tauber irgendwann in München Räumlichkeiten anmieten müssen“, soll Koch im Vorstand der hessischen CDU am vergangenen Freitag nach Teilnehmerangaben gesagt haben. Auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hatte diese gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen