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Streit um geöffnete SchulenPolitisch gewollt, aber gekonnt?

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Im Prinzip läuft vieles richtig beim Schulbetrieb in der Pandemie. Manchen Ländern fällt es aber schwer, Entscheidungen der Ämter zu respektieren.

Klassenraum mit viel Abstand Foto: Julian Stratenschulte

Z ugegeben: Allen Seiten werden es die Kul­tus­minis­te­r:innen sowieso nicht recht machen können. Noch dazu, wenn es um steigende Infektionszahlen und Regelunterricht an Schulen geht. Wie sehr die Nerven derzeit blank liegen, zeigen die Adjektive, die Eltern und Leh­re­r:innen im Moment für die Entscheidungen der Politik finden: falsch, unverständlich, unverantwortlich.

Dabei machen die Länder vieles richtig – zumindest im Prinzip. Sie versuchen, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten, was dringend geboten ist, um Schüler:innen aus sozial benachteiligten Familien nicht den Anschluss zu verbauen. Sie schicken Schüler:innen und Lehrkräfte bei einem Coronafall vorsorglich in Quarantäne, was auch dann noch vernünftig ist, wenn – wie aktuell – die Zahl der Betroffenen dramatisch klingt (in Wahrheit aber keine 5 Prozent der Schüler:innen betroffen sind). Und: Sie überlassen es den lokalen Gesundheitsämtern, in Rücksprache mit den Schulen vor Ort über Wechselunterricht und Schulschließungen zu entscheiden.

So weit die Theorie. Die Praxis sieht leider weniger rosig aus. Denn wenn bei gestiegenen Infektionszahlen die Klassen immer noch voll sein sollen, heißt das auch: Maske auf im Unterricht. Manche Bundesländer wie Bayern muten inzwischen lieber ihren Grundschüler:innen einen Mund-Nasen-Schutz zu, als über geteilte Klassen und Wechselunterricht nachzudenken. Und dass viele Schüler:innen im Unterricht nur mehr im Wintermantel sitzen, weil die Kultusministerien regelmäßiges Lüften verordnen (und gleichzeitig die Notwendigkeit von Luftfiltern in den Klassenzimmern abstreiten) –, ist dann halt der Preis, den „wir“ für den weitgehend aufrechterhaltenen Präsenzunterricht zahlen müssen. Fair enough!

Man kann die Einschränkungen natürlich für das kleinere Übel halten, vielleicht muss man das sogar. Eines muss man sich jedoch klarmachen: Die Entscheidung, Schulen offen zu lassen, ist politisch gewollt. Das war sie von Anfang an. Nun aber zeigen sich erste Risse zwischen der heiligen Allianz aus Wissenschaft und Politik: Davon zeugen nicht nur die jüngsten Mahnungen von RKI-Chef Lothar Wieler, die Schulen mögen doch wieder die Abstandsregeln einführen (was die Länder partout ablehnen). Und offenbar fällt es manchen Ländern auch schwer, die Entscheidungen der Gesundheitsämter vor Ort zu respektieren. Das zeigt das autoritäre Verhalten der nordrhein-westfälischen Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), die den Schulen in Solingen verboten hat, ins Wechselmodell zu wechseln. Klar erntet man so Kritik– selbst wenn die Entscheidungen richtig sind.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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1 Kommentar

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  • In Wahrheit sind 5% der Schüler betroffen? Von was genau betroffen?

    Machen wir uns nichts vor: Ein Virus, das von einem nur kleinen Teil der Infizierten überhaupt bemerkt wird, kann sich überall dort prima verbreiten, wo viele Menschen in kleinen Räumen zusammenkommen. Dass das Coronavirus zwischen Gaststätten, Bars, Kinos, Fitnessstudios und Schulen unterscheidet, mag ich jedenfalls nicht glauben. Und Schüler halten sich kaum an Hygieneregeln, die kann man ihnen auch nicht beibringen. Wer will Kindern denn verbieten, Kinder zu sein?

    Die Schulen sind sicherlich nicht deswegen noch geöffnet, weil es um Bildung geht. Vielmehr müssen die Kinder aufbewahrt werden, damit die Eltern arbeiten gehen können. Dicht machen die Schulen erst dann, wenn im TV die ersten Bilder von auf Krankenhausfluren sterbenden Covid19-Patienten und Berichte über Triagen auftauchen. Nur so kommen wir von der aktuell überwältigenden Mehrheit pro Schulöffnung auf unter 50%, und dann können die Politiker endlich tätig werden. Vorher geht nichts.