Streit um die Zukunft von FCAS: Europäisches Luftkampfsystem droht abzustürzen
Der deutsche Luftfahrtverband fordert ein deutsches Kampfflugzeug für das europäische Milliardenprojekt. Und auch die Gewerkschaften haben Bedenken.
Es gilt als das teuerste europäische Rüstungsprojekt überhaupt, und die IG Metall möchte in dem Gezerre darum nicht mehr mitmachen. „Wir sind fest überzeugt: Dassault hat sich als verlässlicher Partner komplett disqualifiziert“, schreibt der Vizevorsitzende der Gewerkschaft, Jürgen Kerner, in einem Brief an Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD). Bis Ende des Jahres möchte die Bundesregierung eine Entscheidung über die Zukunft des Luftkampfsystems FCAS (Future Combat Air System) fällen – und die Zeichen deuten auf einen teilweisen Ausstieg.
Das fordert zumindest auch der Gesamtbetriebsratschef von Airbus Defence, Thomas Pretzl, der den Brief an die Minister ebenfalls unterzeichnet hat. Die Vorwürfe der Gewerkschafter richten sich vor allem gegen Éric Trappier, Chef des französischen Rüstungskonzerns Dassault. Der hatte sich in den vergangenen zwei Jahren immer skeptischer gegenüber der gemeinsamen Entwicklung des Luftkampfsystems gezeigt.
In einer Anhörung vor dem französischen Senat im Mai 2023 hatte Trappier die Frage in den Raum gestellt, warum für FCAS „Arbeitsplätze in Frankreich geopfert werden, um sie in Ländern anzusiedeln, die sich für den Kauf des US-Kampfjets F-35 entschieden haben“.
Die Gewerkschafter machen nun ihrem Ärger Luft. „Wir arbeiten gerne mit französischen Unternehmen zusammen, nicht aber mit Dassault“, schrieben Kerner und Pretzl vergangene Woche an die Minister. Die deutsche Politik und die Industrie hätten bei FCAS von Beginn an Zugeständnisse gemacht. „Trotzdem ist Dassault von Anfang an bemüht, uns zu diffamieren, zurückzudrängen und gegen uns zu arbeiten. Der Bogen ist überspannt. Wir trauen Dassault nicht mehr.“
Auf ihrer Seite wissen die Gewerkschafter dabei auch die Arbeitgeber. Angesichts des Streits mit Dassault fordert der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) von der Bundesregierung, dass sie sich für den Bau eines deutschen Kampfflugzeugs einsetzt. „Für uns lautet die Lösung: zwei Fighter – ein Programm“, heißt es von dort.
Der Verband zielt damit darauf ab, dass die FCAS-Länder Deutschland, Frankreich und Spanien künftig nur noch an der Systeminfrastruktur des Projekts gemeinsam arbeiten. Denn ein zentraler Teil des Systems ist eine KI-gestützte „Combat Cloud“, in der die neuen Kampfflugzeuge mit Drohnen und anderen Waffensystemen verknüpft werden können. Ob die Arbeit an dem Milliardenprojekt jedoch leichter würde, wenn Deutschland und Frankreich unterschiedliche Flugzeuge bauen, um diese dann in einem gemeinsamen hochkomplexen System zu integrieren, darf bezweifelt werden.
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