piwik no script img

Streit um den Görlitzer Park„Der Aufruf der Initiative ärgert uns“

Anwohner wollten eine Initiative gründen, um über die Probleme in dem Park zu sprechen. Sie müssten zunächst über die Ursachen dafür nachdenken, so ein Kritiker.

Polizei bei einer Kontrolle im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Bild: dpa
Antje Lang-Lendorff
Interview von Antje Lang-Lendorff

taz: Herr Müller, am Dienstagabend wollte sich eine Anwohnerinitiative für den Görlitzer Park gründen. Sie haben mit anderen die Veranstaltung, zu der rund 60 Menschen gekommen waren, eskaliert. Warum?

Rafael Müller*: Ich habe die Veranstaltung nicht gesprengt. Viele, die da waren, hat der Aufruf der Initiative geärgert. Auch, wenn sich die Gruppe von Rassismus distanziert, reproduziert sie alle üblichen Ressentiments. Nämlich: Die Schwarzen verkaufen unseren Kindern Drogen. Die sind laut, die sind dreckig. Sie fassen unsere Frauen an. Das wird dann grün-alternativ „Sexismus“ genannt. Auf die Ursachen, warum gerade Geflüchtete aus Afrika im Park Drogen verkaufen, wird dabei gar nicht geguckt. Sie dürfen schließlich nicht arbeiten und haben keine andere Möglichkeit, als Flaschen zu sammeln oder Gras zu verkaufen.

Auf der Homepage der Initiative steht ausdrücklich, dass sie niemanden vertreiben, sondern neben dem Drogenhandel auch Flohmärkte und Feste organisieren wollen. Was ist daran schlecht?

An Flohmärkten ist nichts auszusetzen. Auf ihrer Internetseite sagen sie aber auch, dass sie die Initiative des Bezirks begrüßen. Die zeigt sich in erster Linie in einer Zunahme der Polizei- und Ordnungsamtskontrollen. Das schafft Stress, Angst und Aggression. Die Zunahme der Aggression will die Initiative ja gerade bekämpfen, insofern ist es widersinnig, den Bezirk für die Kontrollen zu loben.

Die Initiative konnte ihre Pläne gar nicht vorstellen, sondern wurde sofort niedergeschrien. Sollte man nicht miteinander sprechen statt sich mundtot zu machen?

Die Frage ist, wer hier wen mundtot macht. Wenn man wirklich Veränderung schaffen möchte, sollte man sich zu den Ursachen des Handels wie dem Arbeitsverbot zumindest positionieren.

Sie meinen, die Anwohner hätten zunächst ihre Solidarität mit dem Protest der Flüchtlinge zum Ausdruck bringen sollen?

Ja. Das wäre eine ganz andere Gesprächsgrundlage gewesen. Ich vermisse bei denen Solidarität und Empathie.

Im Interview: 

31, heißt eigentlich anders. Er wohnt am Görlitzer Park und unterstützt die Flüchtlinge

Es ist nun aber so, dass Leute zunehmend genervt sind von den Spalieren an den Parkeingängen und dem Handel. Wenn man sich anschreit, statt miteinander zu reden, dann verfestigen sich die Fronten doch nur.

Sicher. Ich selbst habe niemanden niedergeschrien. Bei anderen drückt sich da der Frust aus, weil sie von systematischer Diskriminierung betroffen sind, weil sie nicht genug Kohle verdienen, um sich abends was zu essen zu leisten.

Sie sprechen von Flüchtlingen aus der Schule, die auch bei der Veranstaltung waren?

Die werde ich jetzt sicher nicht kritisieren. Viele, die im Park Drogen verkaufen, würden sofort jeden anderen Job nehmen. Die machen das nicht gerne, es ist teilweise nicht mit ihrer Religion zu vereinbaren. Sie würden sich einen anderen Kontakt zu den Anwohnern wünschen. Den gibt es auch, etwa wenn Nachbarn und Geflüchtete wie für diesen Samstag gemeinsam eine Demo organisieren.

Wie könnte man mehr Empathie schaffen?

Man muss sich in die Leute reinversetzen: Was macht es mit Menschen, wenn sie ohne Perspektive, ohne Versicherung, ohne Versorgung leben, mit 15 Leuten in einem Raum schlafen, von denen ein Teil traumatisiert ist? Dann gehen sie raus und sehen andere, die frisch geduscht aus ihren Häusern kommen und zu ihrem Job radeln. Da baut sich Frust auf. Deshalb ist ein Dialog wichtig. Und dafür braucht man Empathie. Die erwarte ich in erster Linie von der Mehrheitsgesellschaft. Und nicht von denen, die von den Privilegien ausgeschlossen sind.

Zu einem Dialog gehört aber, dass man die Interessen beider Seiten ernst nimmt – also auch die der genervten Anwohner.

Sicher muss man auch die Interessen der Anwohner ernst nehmen. Die Flüchtlinge sind aber auch Anwohner. Und gemessen daran, dass sie nicht arbeiten und nicht reisen dürfen, jederzeit damit rechnen müssen, von der Polizei mitgenommen zu werden – da hat das Bedürfnis der anderen Anwohner, nicht durch Spaliere laufen zu wollen, einfach weniger Gewicht.

INTERVIEW ANTJE LANG-LENDORFF

■ Website der Initiative unter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
  • Zusammenfassend aus den Leserbeiträgen könnte man feststellen das sich der schwarze Block und die radikale Linke, die hier so schön die Verantstaltung gesprengt hat, mittlerweile genau so von der Bevölkerung entremdet hat wie früher Erich Honnecker und Co.

  • "Sie haben mit anderen die Veranstaltung, zu der rund 60 Menschen gekommen waren, eskaliert. " Was ist das für eine Sprache? Nicht nur schlimm sondern falsch. Eine Situation eskaliert. bzw. jemand trägt zur Eskalation einer Situation bei. Wie kann denn eine Veranstaltung eskaliert werden?? Wenn mit Sprache so schlecht umgegangen wird kann ich natürlich nicht glauben, dass der Rest der Arbeit bie der Taz solide ist. Peinlich.

  • Mit solchem Sektiererkram wie von Müller & Co wird dem Anliegen der Flüchtlinge Schaden zugefügt. War leider nicht bei der Veranstaltung, die Flyer in meiner Straße waren wohl auch abgerissen.

  • "Auch, wenn sich die Gruppe von Rassismus distanziert, reproduziert sie alle üblichen Ressentiments."

     

    Wer meint die Aussage "Schwarze Menschen verkaufen im Görlitzer Park Drogen" sei ein nur Klischee, kann noch niemal dort gewesen sein. Oder er lügt absichtlich.

     

    Natürlich müssen auch geflüchtete die Möglichkeit bekommen legal zu arbeiten. Das rechtfertigt aber nicht, freidliche Versammlungen zu sprengen.

  • 0G
    0564 (Profil gelöscht)

    Na klar ist es am Görlitzer Bhf ein Ärgernis immer wegen Drogen angesprochen zu werden, fühle mich verunsichert immer als potentieller Drogennehmer identifiziert zu werden. Aber hey, damit mit muss man umgehen, habe mich auch schon an die penetranten Amnesty International, div. Tierschutz und Zeitungsabonnement Verkäufer gewöhnt. Ebenso an teure U-Bahntickets, teure Mieten und die Vertreibungen langjähriger Nachbarn. Auch an den Anblick von seit 1998 viel mehr Pennern und Obdachlosen im Kiez, an die Schließung von Bibliotheken, die Teuerung der Schwimmbäder Preise, ach misst muss los, würde hier gern noch endlos weiter auflisten. Toll aufjedenfall von euch da in euere Lebenqualität mishandelt zu sehen, wo einem der Rechtsstaat einmal kräftig unter die Arme greift. Ihr seit ja nicht an einem besseren ZUSAMMENleben interessiert, ihr wollt einfach EUREN bürgerlichen Frieden und was rechts und links von euch in der Welt abgeht ist "euch" halt scheißegal. Das ist brutal.

    • @0564 (Profil gelöscht):

      "Aber hey, damit muß man umgehen..." Ach ja ? Muß man das wirklich ? Können Sie sich vielleicht etwas vorstellen, daß Sie nicht abkönnen; beispielsweise ein NPD-Büro nebenan. Und dann kommt jemand an und sagt: "Hey, ... mussu damit umgehn". Ne, also so geht das nicht, lieber Junge. Einen Zusammenhang zwischen bürgelichem Frieden und Drogendealern herzustellen, ist schon arg gewagt. Alles hängt mit allem zusammen ? Butterfly-Teorie ?

    • @0564 (Profil gelöscht):

      Ich mag was Du schreibst.

      • 3G
        3053 (Profil gelöscht)
        @Marion Marian:

        ich auch

  • Wieso heißt Rafael Müller eigentlich anders?

     

    Hat er die Hose voll?

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Weil er im Gegensatz zu Ihnen so mutig ist, Kritik am Staatsapparat zu üben. Hätten Sie in Ihrem Leben nicht alles geschluckt, was Ihnen vorgekaut wurde, wüssten Sie, welche Konsequenzen eine so klare Position mitunter nach sich ziehen kann!

  • Ich war auf dem Treffen und war absolut schockiert darüber, wie sämtliche Wortbeiträge, die den selbsternannten Flüchtlingsunterstützer/Innen nicht ins festzementierte Weltbild passten, gnadenlos niedergeschrien wurden. Wenn jemand auch nur behutsam versuchte, Kritik an der Situation in und um den Park zu äußern, wurde er pauschal als Rassist oder Faschist abgestempelt und zusammengebrüllt. -Unter einem Großteil der Anwohner herrscht tatsächlich seit einiger Zeit großes Unbehagen - aber eben nicht über die Hautfarbe der Dealer - so viele echte Rassisten suchen sich nicht ausgerechnet Berlin Kreuzberg als Wohnort aus. Es geht vielmehr um die Konsequenzen, die es hat, wenn sich organisierter Drogenhandel plötzlich in derartigem Umfang völlig offen in einem Kiez breit machen kann, ohne dass auch nur ansatzweise dagegen vorgegangen wird. Die Hautfarbe der Dealer ist dafür nicht relevant. Im Umkehrschluss wird deren oft sehr dreistes Auftreten häufig nur WEGEN ihrer Hautfarbe und der Annahme, es handele sich evtl. um traumatisierte Flüchtlinge toleriert. Trotzdem sollte man negative Erfahrungen und Ängste zumindest artikulieren dürfen. Um dann über Lösungen für ein besseres Zusammenleben nachzudenken. Das ist das Mindeste, was den AnwohnerInnen zugestanden werden sollte. Es sei denn, man will, dass die Situation eskaliert. Und wie bei dem katastrophalen Treffen klar wurde, ist es offenbar die erklärte Absicht der brüllenden 'linken Unterstützer', Deeskalition und Dialog zu verhindern.

    • @steve burns:

      Sie sind schockiert? Warum ziehen Sie nicht weg? Warum sind Sie überhaupt da hingezogen? Ich vermute Sie sind AfD-Wähler und wollen heimlich Kreuzberg rechtspopulistisch unterwandern, Sie Schlingel.

      • @MussManNichtWissen:

        Warum er schockiert ist ? Mann, tun Sie sich doch nicht dümmer als Sie sind. Weil es vom Mundtotmachen durch Niederbrüllen auf einer Versammlung bis zum Erschießen des Gegners keine weite Strecke ist.

    • D
      D.J.
      @steve burns:

      Aber, aber, ich bitte Sie. Das sind doch die Guten. Sie gehören offensichtlich zu den Bösen. Und seit wann haben es die Guten nötig, den Bösen zuzuhören?

      Und ist es nicht auch irgendwie bendeidenswert, so ein schönes dualistisches Weltbild zu haben? Dieses wohlige Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Nie Selbstzweifel. Und das Ganze auch noch weniger anstrengend als die Zeugen Jehovas.

      • @D.J.:

        Hahaha. Genau. Gut gesagt.

  • Interessante Wortwahl der Interviewerin:"Sie haben mit anderen die Veranstaltung, zu der rund 60 Menschen gekommen waren, eskaliert." Eskaliert als transitives Verb. Ich wusste gar nicht, dass es für das Mundtodmachen andersdenkener so einen schönen Euphemismus gibt.

  • Der Herr Müller strahlt soviel Empathie aus. Das finde ich großartig und unterscheidet ihn zweifellos von der rassistischen Bevölkerungsmehrheit. Leider hat die Interviewerin vergessen ihn zu fragen wieviel der traumatisierten Flüchtlinge er bei sich aufgenommen hat, und sei es nur zum Duschen.

  • Es kann doch nicht Aufgabe der Anwohner sein, den Drogenhändlern im Viertel aus wie auch immer gearteten sozialen und wirtschaftlichen Miseren zu helfen!

  • Sie meinen, die Anwohner hätten zunächst ihre Solidarität mit dem Protest der Flüchtlinge zum Ausdruck bringen sollen?

    Ja. Das wäre eine ganz andere Gesprächsgrundlage gewesen. Ich vermisse bei denen Solidarität und Empathie.

    Dazu fällt einem nicht mehr viel ein, bevor berechtigte Kritik geäußert werden darf muß ich den Zustand erstmal loben.

    Hier wird Ursache und Wirkung aber voll auf den Kopf gestellt.

  • Deshalb in Zukunft AfD wählen!

    Die setzen sich als einzige dafür ein, dass Asylanten Arbeitsgenehmigungen kriegen und nicht gezwungen sind solch entwürdigenden Tätigkeiten wie Strassenrealen nachgehen zu müssen.

     

    Welch unmenschliche Politik betreiben wir eigentlich?

     

    Da kommen arme Menschen in ein reiches Land und CDU/SPD zwingt sie in den Bodensatz hinab, ohne Aufstiegschancen.

     

    Ein Land, das die Vorraussetzungen für Aufstiegschancen nicht schafft, ist auch kein Einwanderungsland.

    • @Lorenz Meyer:

      Die Rechtsradikalen wollen doch nur noch „nützliche“ Ausländer ins Land lassen, wie passt das bitte zusammen?

      • @jj05:

        Was die Rechtsradikalen wollen, weiss ich nicht.

         

        Mit ein wenig Bildung ist einem der Unterschied zwischen Asylant und Zuwanderer bekannt.

         

        Die AfD möchte das Asylanten schnellstmöglich eine Arbeitsgenehmigung kriegen.

         

        Bei der Zuwanderung muss man sich hingegen wirklich fragen, warum man sich nicht ein Beispiel an den Ländern in der Welt nimmt, die als klassische Einwandererländer über 100 Jahre Erfahrung mit der Thematik haben und Einwanderung über Qualifikation regulieren.

        Was soll denn daran falsch sein?

  • Die Forderung nach Empathie kann nie falsch sein. Nur wenn man sich bei diesem Thema äußern will, sollte man wenigstens ein paar grundlegende Dinge beachten. Flüchtlinge ohne Aufenthaltstitel mit ständiger Angst vor Abschiebung werden ein Sache gewiss nicht machen: Dorthin gehen, wo die Gefahr groß ist, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Das heisst, die die Drogen verkaufen, sind garantiert nicht die, die von Abschiebung bedroht sind. Ausserdem, auch wenn der Umgang mit Flüchtlingen gerade was Arbeitserlaubnis angeht, vollkommen daneben ist, gilt trotzdem: Wenn man so viel Verständnis für die Dealer aufbringt, nach dem Motto, was sollen sie amchen ohne Arbeitserlaubnis, dann ist das auch ein Schlag ins Gesicht all jener, die keine Arbeitserlaubnis haben und trotzdem nicht dealen und z.B. schwarz arbeiten. Was erheblich anstrengender und weniger lukrativ ist, als zu dealen. Insofern immer für Empathie aber dann für ALLE.

  • Ich bin auch Anwohner und habe diese Veranstaltung leider verpasst, wäre sicher interessant gewesen. Dem Interviewpartner muss ich widersprechen, ich verfolge die Interessen meiner Familie. Die möchte nicht ständig im Park belästigt werden. Es ist nicht meine Aufgabe, die sozialen Probleme der unfreiwilligen Rauschgiftverkäufer zu lösen, auch wenn sie mir teilweise leid tun.

  • Allen Anwohnern wünsche ich einen schönen Aufenthalt in ihrem hippen und alternativen Stadtviertel. Viel Spaß!

  • Total Intolerante wie dieser Interviewte polarisieren. Das finde ich gut, denn denn klärt sich vieles - so oder so. Je eher, desto besser.