Streit um Werbeblocker „Adblock Plus“: Das Geschäft mit der Nicht-Werbung
Mit der Anwendung „Adblock Plus“ kämpft eine Firma gegen Werbung im Netz. Damit verdient sie sogar Geld – ein schräges Geschäftsmodell.
BERLIN taz | „Adblock Plus“ ist eine Macht im Internet. Wen Werbung im Netz nervt, der kann sich die kostenlose Erweiterung für den Browser installieren und sieht dann keine mehr. 40 Millionen Menschen nutzen die Anwendung, die klarer Marktführer ist: für den Browser Firefox verwenden sie 15 Millionen Menschen, die nächstbeliebte Anwendung hat dagegen nur 250.000 Nutzer. Wer von Werbeblockern im Netz spricht, meint meist auch „Adblock Plus“.
Zum Beispiel Andreas Perband, der stellvertretende Chefredakteur des Technikmagazins PC Welt. Die Inhalte auf pcwelt.de sind kostenlos zugänglich, Geld wird mit eingeblendeter Werbung verdient. Doch die Einnahmen bröckeln und daran – so sieht es Perband – sind Anwendungen wie „Adblock Plus“ schuld: Die Zahl der Leser, die die Website mit eingeschaltetem Adblocker besucht, nehme deutlich zu. „Das trifft einen Verlag schon sehr“, so Perband.
Während die Einnahmen anderswo sinken, arbeitet die Besitzerfirma von „Adblock Plus“, Eyeo GmbH, aber kostendeckend mit 15 Angestellten. Das ist überraschend, denn sie verkauft ja nichts. Möglich macht das eine Funktion, die von der Firma wenige Monate nach ihrer Gründung im Jahr 2011 eingeführt wurde: „akzeptable Werbung“.
Nach der Einführung von „akzeptabler Werbung“ waren viele Nutzer verärgert. Es entstanden Abspaltungen von Adblock Plus: Die Alternativprojekte Adblock Lite und Adblock Edge. Sie funktionieren laut Entwickler genau so wie Adblock Plus, nur ohne „akzeptable Werbung“.
Auch bei Adblock Plus kann „akzeptable Werbung“ ausgeschaltet werden. Standardmäßig ist sie aber eingeschaltet.
Ein Schlupfloch für Websites, um doch noch Werbung anzuzeigen. Die Betreiber müssen dafür die Aufnahme in eine „weiße Liste“ beantragen. Freigeschaltet wird nur, wer unaufdringliche Werbung anbietet. Und einige bezahlen sogar dafür: als zahlende Kunden sind bislang der Webhoster 1&1 und Google bekannt.
Wer freundlich gesinnt ist, legt „akzeptable Werbung“ so aus wie Eyeo-Mitbegründer Till Faida. „Es hat im Internet eine Fehlentwicklung gegeben: Werbung nervt einfach nur“, sagt er. „Wir wollen bessere Werbeformate etablieren.“ Mit der neuen Funktion würden alle Beteiligten – Nutzer und Websitebetreiber – einen Kompromiss eingehen: Die Nutzer werden nicht genervt und die Betreiber bekommen ihr Einkommen wieder.
Wer weniger freundlich gesinnt ist, sagt, da nutzt eine Firma ihre Marktmacht aus, um anderen ihre Bedingungen aufzuzwingen und nebenbei vorzugeben wie Werbung im Netz auszusehen hat. Andreas Perband spricht von „Wegelagerei“: „Da wird einem die Reichweite geklaut, und dann wieder zurückverkauft“.
Zweifelhafte Interessenslagen
Und mehr noch: Das Technik-Onlinemagazin Mobilegeeks berichtet über einen Interessenskonflikt bei Eyeo. Einer der Besitzer, der Unternehmer Tim Schumacher, hat auch Anteile an dem Marketing-Netzwerk „Yieldkit“. Das wiederum steht auf der weißen Liste. Auch Websites wie GMX, Web.de und 1&1 stehen mit Schumacher über ein Partnerunternehmen in Beziehung. Auch sie stehen auf der weißen Liste. „Ein mafiöses Netzwerk“, wettert der Autor auf Mobilegeeks. Es sei „naheliegend“, argumentiert Till Faida, „dass Seiten, mit denen wir über private Netzwerke verbunden sind, sich als erstes beteiligen.“
Eyeo ist dabei nicht die einzige Firma mit zweifelhafter Interessenslage. Die Browser-Erweiterung „Ghostery“ mit weltweit 19 Millionen Nutzern blockiert auf Websites verborgene „Tracker“, die Daten über die Surfgewohnheiten von Nutzern sammeln. MIT Technology Review berichtete kürzlich, dass „Ghostery“ die Daten seiner Nutzer aber ebenfalls an Firmen weitergebe, damit diese erfolgversprechendere Werbung entwickeln könne. Eine weitere Firma, die für beide Seiten arbeitet.
Faida zufolge werden Schumachers Websites aber nicht bevorzugt. Er verweist darauf, dass jede Freischaltung zunächst im Forum zur Diskussion gestellt werde. Doch Diskutanten gibt es da kaum: Von rund 30 aktiven Usern haben die meisten in anderthalb Jahren nur einen oder zwei Posts geschrieben. Rege beteiligen sich dagegen: Till Faida, Eyeo-Mitbegründer Wladimir Palant und der Eyeo-Angestellte Thomas Greiner. Von gut 100 Websites, die freigeschaltet werden wollten, gab es bei den meisten kaum Kommentare. Auch das legt Faida für sich aus: „Das zeigt, dass wir nur Werbung freigeschaltet haben, die auch akzeptiert wird.“
Wer kommt wie in die weiße Liste?
Einer der erfolglosen Fälle war zunächst die Firma Yieldkit. Im April 2012 will sie in die „weiße Liste“ aufgenommen werden. Ein Nutzer widerspricht. Monatelang passiert nichts. Im November berichtet Yieldkit, dass Eyeo-Mitbesitzer Schumacher in die Firma einsteige.
Wenige Wochen später startet Faida eine Initiative, um die Kriterien für die „Weiße Liste“ zu ändern – danach könnte auch Yieldkit zugelassen werden. Noch am selben Tag postet auch Tim Schumacher im Forum: „Ich glaube das ist eine schlaue und ausgewogene Änderung“. Die Änderung wird angenommen und Yieldkit findet sich im März auf der weißen Liste wieder.
Hat da Schumachers Einfluss eine Rolle gespielt? Faida und auch Yieldkit-Chef Oliver Krohne bestreiten das. Für die Annahme, dass Schumachers Beziehungen kein Wettbewerbsvorteil sind, spricht auch der Umstand, dass ausgerechnet der Webhoster 1&1 eine jener Firmen ist, die für die Aufnahme in die „weiße Liste“ bezahlt.
„Technische Aufwandsentschädigung“
Immer wieder gibt es Berichte, dass Adblock Plus seine Marktmacht für eine Art Schutzgelderpressung nutzt. Wer einen Teil seiner Werbeeinnahmen wiederhaben wolle, werde aufgefordert Geld dafür zu bezahlen, lautet der Vorwurf. Auch PC Welt erhielt ein Angebot: Zunächst sei es um eine kostenlose Testphase gegangen – darin sind sich Andreas Perband und Till Faida einig. Doch laut Perband sollte die Freischaltung danach kostenpflichtig werden: „Es ging um einen Anteil an den Werbeeinnahmen“. Faida spricht von einem Missverständnis, für Blogs und Verlage sei die „Weiße Liste“ immer kostenfrei.
Doch warum zahlt jemand überhaupt dafür, dass „akzeptable Werbung“ freigeschaltet wird? Adblock Plus rechtfertigt die Zahlung damit, dass die Pflege der Whitelist „erheblichen Aufwand“ bedeute. 1&1 sprach sueddeutsche.de gegenüber von „technischen Aufwandsentschädigungen“.
Und wenn sich jemand weigert zu zahlen? Würde die Eyeo GmbH ihre Anfrage zur Diskussion ins Forum stellen? Im Gespräch hatte Faida die Frage noch bejaht, nach der Autorisierung klingt seine Antwort so: „Große Firmen, die mit Acceptable Ads ihre Einnahmen steigern, sollten auch zum nachhaltigen Erfolg der Initiative beitragen“. Nur wären das Einnahmen, die zuvor durch den Werbeblocker reduziert wurden.
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