Streit um Wahlergebnis in Bolivien: Bolivien schreit sich an
Haarscharf soll Boliviens Präsident Evo Morales die Wiederwahl im ersten Durchgang gewonnen haben. Die Opposition protestiert, Morales spricht von Staatsstreich.
Die erneute Wende war von der Opposition erwartet worden. Sie hatte am Mittwoch zum Generalstreik aus Protest gegen einen mutmaßlichen Wahlbetrug aufgerufen – ungeachtet dessen, dass in der Nacht zum Mittwoch neue Zwischenergebnisse bei 96 Porzent ausgezählter Stimmen veröffentlicht worden waren, die Morales' Vorsprung bei nur noch 9,3 Prozentpunkten sahen, was eine Stichwahl am 15. Dezember zur Folge gehabt hätte.
Der Streik wurde nach Angaben der Tageszeitung La Razon in acht von neun Provinzen des Landes befolgt. In mehreren Städten kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, wieder wurden Büros der Wahlbehörde attackiert.
Dennoch hatte Morales sich am Mittwoch erneut – wie schon am Montagabend – zum Sieger im ersten Wahlgang erklärt, was den Unmut seiner Gegner*innen nur steigerte. Morales beschuldigte rechte Politiker und Militärs im Ruhestand, einen Staatsstreich vorzubereiten. “Vor dem bolivianischen Volk und der ganzen Welt klage ich an: Das ist Staatsstreich, obwohl ich sagen muss, dass wir das schon vorher wussten. Die Rechte hat sich mit internationaler Hilfe auf einen Staatsstreich vorbereitet“, sagte Morales. Die Angriffe auf Lokale der Wahlkommission seien ein Beweis hierfür. „Die Auszählung der Stimmen zu verhindern, ist ein Attentat gegen die Demokratie“, sagte er am Mittwoch.
Die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) empfahlen am Mittwoch, trotz der Erfüllung der Bedingungen für einen Sieg in der ersten Wahlrunde eine Stichwahl zuzulassen, um die Situation zu entspannen. Die OAS-Mission am Montag, nachdem die Wahlbehörde nach rund 24 Stunden Funkstille Morales den direkten Sieg zugesprochen hatte, ihre Beunruhigung und Überraschung über diese „schwer erklärbare“ Trendwende zum Ausdruck gebracht.
Morales hatte sich zum dritten Mal zur Wiederwahl gestellt. Ein Referendum hatte ihm 2016 die erneute Kandidatur versperrt. Der erste indigene Staatschef Boliviens erlangte jedoch ein Urteil vom Verfassungsgericht, das ihm die Bewerbung als ein unwiderrufliches Menschenrecht anerkannte.
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