Streit um Schulverpflegung: Mittagessen zum Marktpreis
1-Euro-Jobber werden aus Schulküchen abgezogen, kommerzielle Anbieter sollen dann das Essen liefern. Die seien zu teuer, kritisieren Elternvertreter.
In rund 60 Schulküchen soll der Einsatz von 1-Euro-Jobbern schrittweise bis zu den Sommerferien 2012 auslaufen. Ein Konzept zur Weiterführung der Küchen mit sozialversichert Beschäftigten, wie es der Senat im Mai angekündigt hat, erweist sich nun als Luftnummer: Anfang des Monats erhielten die Schulen eine Liste mit 19 kommerziellen Catering-Dienstleistern, aus denen die Schulleitungen auswählen sollen. Die Stadt steuert zur Finanzierung keinen Cent bei.
"An unserer Schule können wir die Essensversorgung gleich einstellen, wenn wir zu einem der 19 Anbieter wechseln", sagt Claus Metzner vom Elternrat der Jenfelder Otto-Hahn-Stadtteilschule. Zurzeit liefert dort noch "Quadriga" das Mittagessen für 1.450 Schüler. Kosten: zwei Euro pro Portion. Metzner zufolge sei versucht worden, den Preis auf 2,50 Euro anzuheben. "Da ist die Nachfrage eingebrochen."
Für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern, die vom Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes profitieren, soll das Schulessen zwar auch in Zukunft gratis sein. Es gebe aber im Stadtteil viele Familien, sagt Metzner, "die leben nicht von Hartz IV und haben trotzdem wenig Geld". Auf Eltern mit drei oder vier schulpflichtigen Kindern kämen "hohe Summen" zu.
Zwar könnten für die Schulen auch weiter die bisher involvierten Beschäftigungsträger das Schulessen kochen, heißt es in einem Beibrief der Schulbehörde. Aber nur, wenn es denen gelingt, die gleiche Leistung statt mit 1-Euro-Jobbern künftig mit sozialversichert Beschäftigen anzubieten. Pro Mahlzeit dürften maximal 3,50 Euro verlangt werden, das sind im Monat 75 Euro je Kind.
Zu wenig, um die Kosten zu decken, sagt Träger-Sprecherin Petra Lafferentz. Schon bei Kita-Kindern werde beim Mittagessen ein Preis von 4,50 Euro je Mahlzeit einkalkuliert - "und die essen auch weniger". Nicht ohne Grund, sagt Lafferentz, habe ein "seriöser" Anbieter auf der Behördenliste erklärt, er könne den auf 3,50 Euro festgelegten Preis "nicht bedienen".
Der Lösungsvorschlag der Schulbehörde: Sie preist in ihrem Brief die städtische Hamburger Arbeit Service (HAB) als neuen Auftragnehmer an. "Wir werden zwischen 3 Euro und 3,50 Euro nehmen", sagt HAB-Sprecherin Heike Baumann. Aber: Die Sache müsse sich rechnen, sonst "wird das eingestellt". Subventioniert werden darf das HAB-Essen wiederum nicht - sonst rügt der Rechnungshof eine Benachteiligung nichtstaatlicher Mitbewerber.
Aus Sicht von Träger-Sprecherin Lafferentz muss die Stadt die Essenspreise aller Anbieter subventionieren, und zwar über eine "soziale Staffelung" des Elternbeitrages: In bestimmten Wohngebieten werde man "keine Eltern finden, die 75 Euro im Monat zahlen". Die Schulbehörde lehne das aber bislang in Verhandlungen ab. Da für Kinder, die vom Bildungs- und Teilhabepaket profitieren, größtenteils der Bund aufkomme, spare die Stadt rund 900.000 Euro.
Behördensprecher Thomas Bressau konnte diese Zahl nicht bestätigen. Er sagte, die Möglichkeit einer sozialen Staffelung der Essenspreise werde "geprüft". Allerdings drängt die Zeit: Die ersten fünf Schulen sollen schon im Januar ohne 1-Euro-Jobber auskommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass