Streit um Rente mit 67: SPD nimmt Seehofer beim Wort
Der CSU-Chef soll mit der SPD für die Aussetzung des höheren Rentenalters stimmen, meint Generalsekretärin Nahles. Aber Seehofer rudert schon wieder zurück.
BERLIN taz | Andrea Nahles hat am Mittwoch Horst Seehofer die Pistole auf die Brust gesetzt. Die SPD-Generalsekretärin forderte den CSU-Parteichef via Rheinische Post auf, mit der SPD für eine Aussetzung der Rente mit 67 zu stimmen. Nahles kündigte an, die SPD werde einen entsprechenden Antrag ins Parlament einbringen.
Die Sozialdemokraten wollen, dass die angehobene Rentengrenze erst greift, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Derzeit haben etwas über ein Viertel dieser Älteren, 26,4 Prozent, eine abgesicherte Stelle. Fast 8 Prozent von ihnen arbeiten nur Teilzeit. Bei den 64-Jährigen ist sogar nur jeder Zehnte in einem sozialversicherungspflichtigem Job.
Seehofer hatte am Wochenende einmal mehr an der Schärfung seines sozialpolitischen Profils gearbeitet und angemahnt, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer über 50 müssten spürbar verbessert werden. "Sonst wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur faktischen Rentenkürzung." Solch eine "massenhafte" Rentenkürzung sei mit ihm "nicht zu machen".
Ertrag und soziale Härte in keinem Verhältnis
Seit Beginn des Jahres ist der Countdown für die schrittweise Steigerung des Renteneintrittsalters eingeläutet. Ab 2031 werden Arbeitnehmer die volle gesetzliche Rente endgültig erst mit 67 Jahren in Anspruch nehmen können. Steigen sie vorher aus dem Job aus, drohen Abschläge von bis zu 100 Euro.
Doch die wenigsten arbeiten heute überhaupt bis 65. 2010 gingen Männer und Frauen im Schnitt mit 63,5 Jahren in die Altersrente. Rund 1,5 Jahre vorher aber scheiden sie, oft wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit, schon aus dem aktiven Erwerbsleben aus. Bereits heute geht die Hälfte der NeurentnerInnen im Schnitt mit Abschlägen von 113 Euro in den Altersruhestand.
Für Ottmar Schreiner vom linken SPD-Flügel ist die Rente mit 67 deswegen völlig inakzeptabel: "An eine höhere Altersgrenze kann man erst denken, wenn Ältere systematisch weiterqualifiziert werden, wenn es die Jobs für sie gibt und wenn das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz systematisch forciert wird. Das aber tut die Bundesregierung nicht." Opposition und Gewerkschaften weisen zudem immer wieder darauf hin, dass die soziale Härte der Rente mit 67 in keinem Verhältnis zu ihrem Ertrag stünde: Würde auf die höhere Rentengrenze verzichtet, fiele der Beitragssatz 2030 nur um 0,5 Prozentpunkte höher aus.
Horst Seehofer ruderte am Mittwoch schon wieder zurück: "Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit war in Hinblick auf den demografischen Wandel die richtige Entscheidung", sagte er am Rande der CSU-Tagung in Wildbad Kreuth. Auch Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin, nannte das höhere Rentenalter "alternativlos".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“