Streit um Privatisierungspläne: Hannover will Konzern spielen

Die Stadt Hannover will Teile ihrer Verwaltung auslagern. Die Gewerkschaft Verdi sieht das als Affront gegen die Beschäftigten und kämpft dagegen.

Protestierende mit Fahnen und Bannern vor dem Rathaus in Hannover

Pochen auf ihre Fachkompetenz: Protestierende vor dem Rathaus in Hannover Foto: Verdi, Bezirk Hannover-Heide-Weser

OSNABRÜCK taz | Worte sind geduldig. Als „gute Arbeitgeberin“ lobt sich die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover auf ihrer Webseite. Man nehme „soziale Verantwortung ernst“, biete „berufliche Entwicklungschancen“. Von einer „Unternehmens- und Führungskultur“ ist da die Rede, „geprägt von Wertschätzung und Respekt“.

Die Tarifbeschäftigten der Stadtverwaltung, die derzeit jeden Tag mit ihrem Banner „Zusammen! Vielfältig! Laut!“ vor dem Hannoveraner Rathaus für die Verlängerung ihres Haustarifvertrags demonstrieren, sehen das anders. Bis zu 800 sind es, mehr sind wegen Covid-19­ nicht erlaubt. Sie sind enttäuscht von der Stadt, sie sind wütend. Harald Memenga, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Hannover-Heide-Weser: „Die haben die Schnauze gestrichen voll, bis rauf zur Leitungsebene.“

Das Problem: Finanzdezernent Axel von der Ohe und Personaldezernentin Rita Maria Rzyski wollen im neuen Vertrag für die Stadt unternehmerische Freiheiten durchdrücken, planen die Ausgliederung ganzer Verwaltungsabteilungen in „alternative Rechtsformen“. Für die Gewerkschaft Verdi ist das ein „fragwürdiger Kurs“. Sie will eine Fortführung des bisherigen Tarifvertrags Beschäftigungs­sicherung (TV-BS), der einen Privatisierungs- und Ausgliederungsverzicht enthält.

Über 9.000 Mitarbeiter betrifft dieser Vertrag, 2015 ist er in Kraft getreten, Ende Oktober läuft er aus, die Zeit drängt also. Aber Verhandlungsrunde nach Verhandlungsrunde vergeht ohne Einigung, seit Anfang September. Die vierte steht für den 6. Oktober an.

Keine Bewegung in den Verhandlungen

Rzyski und von der Ohe wollen den Beschäftigten die Sicherheit des TV-BS nehmen. Seit 2005 ist der Privatisierungs- und Ausgliederungsverzicht in ihm festgeschrieben. Nun wollen die Dezernenten umorganisieren können, „wo eine Erledigung der Aufgabe durch einen externen Anbieter vernünftiger, wirtschaftlicher und zügiger umzusetzen wäre“, heißt es in ihrem Brief an die Tarifbeschäftigten.

Verdi sieht darin die Fachkompetenz der Beschäftigten „mit Füßen getreten“. Meinen Rzyski und von der Ohe wirklich, dass die Mitarbeiter der Stadt unvernünftig, unwirtschaftlich und langsam arbeiten? Memenga, Kopf der Verhandlungskommission: „Wie kann man seinen Leuten so was um die Ohren hauen? Erst lobt man sie, dass alles so gut weiterläuft trotz Corona, dass jeder soviel Einsatz zeigt, und jetzt das!“

Memenga ist ein erfahrener Verhandler. Aber was hier geschieht, verwundert ihn. „Dass die Stadt ihre Position über drei Runden aufrechterhält, ohne sich zu bewegen“, sagt er, „habe ich nicht erwartet“. Eine konkrete Ausgliederungs- und Privatisierungsliste haben Rzyski­ und von der Ohe nicht vorgelegt. „Die Stadt will offenbar einen Freifahrtschein“, sagt Memenga. „Trotz aller Gespräche sind wir in dieser Frage bisher nicht schlauer geworden.“

Die Ausgliederung kommunaler Aufgabenfelder aus der Kernverwaltung ist ein Zauberwort, von dem oft nicht viel Zauber ausgeht. „Es gibt unzählige Beispiele, dass eine Privatisierung weder besser ist noch kostengünstiger“, sagt Memenga.

Auch in Hannover selbst hat sich das schon gezeigt – am Misburger­ Bad. Die Sanierung durch einen privaten Betreiber schlug fehl, Kredit aus der Stadtkasse inklusive, Baufälligkeit führte zur Schließung. Memenga:­ „Das sind Millionen, die die Stadt da aufbringen muss. Weggeworfenes Geld!“

Die Konsequenzen für ausgegliederte Beschäftigte könnten gravierend sein, fürchtet Memenga. „Stellen wir uns vor, es kommt da zur Bildung einer GmbH. Erst ist sie vielleicht rein städtisch, wobei dann natürlich die Frage ist, was das bringt. Aber was, wenn es auf einmal einen zweiten oder dritten Eigentümer gibt? Dann steht vielleicht irgendwann auch die Tarifbindung in Frage.“ Hinzu kommt der wegbrechende Schutz durch eine starke Personalvertretung, wenn kleine Arbeitsgruppen sich vereinzeln. „Da kann dann unter dem Radar­ durchentwickelt­ werden.“

Rita Maria Rzyski und Axel von der Ohe, von der taz um Stellungnahme gebeten, schweigen. „Es handelt sich um interne und laufende Verhandlungen“, sagt Pressesprecher Udo Möller an ihrer Stelle, „zu deren Stand und Inhalt wir in diesem Stadium keine offizielle Stellungnahme abgeben“. Auch eine Antwort.

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