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Streit um NRW-FeiertagsgesetzIm falschen Film

Die Stadt Bochum leitet ein Bußgeldverfahren gegen die Initiative „Religionsfrei im Revier“ ein. Diese hatte am Karfreitag „Das Leben des Brian“ gezeigt.

Kein schöner Tag für Christen: Am Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt. Bild: ap

KÖLN taz | Wohl selten ist ein Bußgeldverfahren den Empfängern so willkommen: Die Stadt Bochum will die Initiative „Religionsfrei im Revier“ dafür bestrafen, dass sie am Karfreitag den Film „Das Leben des Brian“ gezeigt hat. Sie droht mit einem Bußgeld von 1.000 Euro. „Besser hätte es gar nicht kommen können“, freut sich unterdessen Jörg Schnückel von „Religionsfrei im Revier“. „Wir haben richtig Spaß dran.“

Sie hoffen auf den Weg durch die Instanzen: „Vielleicht gelingt es uns, ein Urteil herbeizuführen, das weitergehende Konsequenzen hat“, sagt Schnückel. Das Ziel der Initiative ist die Säkularisierung des nordrhein-westfälischen Feiertagsgesetzes, das an stillen Feiertagen nichtreligiöse Veranstaltungen verbietet. Die angedrohte Strafe wollen die Religionsfreien auf keinen Fall zahlen.

Zum „Tatvorwurf“ heißt es im Schreiben der Stadt an die Initiative, am Karfreitag sei das Vorführen von Filmen verboten, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als geeignet anerkannt seien: „Obwohl Sie von dem Verbot der Vorführung wussten, haben Sie dennoch mit vorheriger Ankündigung den Film vorgeführt.“

Die Stadt Bochum habe aufgrund des Feiertagsgesetzes keine andere Wahl gehabt als das Bußgeldverfahren einzuleiten, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger. „Die Initiative wusste von dem Verbot und hat der Stadt Bochum, der Bezirksregierung und dem Landesinnenministerium mitgeteilt, dass sie den Film am Karfreitag zeigt.“ Außerdem sei in der Lokalpresse über die Aufführung berichtet worden.

„Es ist uns als Stadt nicht möglich, das zu ignorieren“, sagt Sprenger. Jetzt habe man darum gebeten, die Gründe für die Aufführung darzulegen, um dann zu entscheiden, ob ein Bußgeld verhängt werde. Denn die Stadt hat durchaus einen Ermessensspielraum.

Feiertagsgesetz kollidiert mit Meinungsfreiheit

Die Initiative argumentiert gegenüber der Stadt, dass das Feiertagsgesetz mit der im Grundgesetz verbrieften Meinungs- und Religionsfreiheit kollidiert. „Nichtgläubige sollten sich nicht nach den Wertvorstellungen einer Gruppe richten müssen, die Privilegien genießt“, sagt Schnückel.

Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) will für die Kosten des Verfahrens aufkommen. IBKA unterstützt auch ein Verfahren gegen das bayerische Feiertagsgesetz, das vom Bundesverfassungsgericht wohl im Herbst entschieden wird.

Mit dem eingeleiteten Bußgeldverfahren hat sich die Stadt Bochum in eine Zwickmühle manövriert, frohlocken die Religionsfreien. Wie auch immer das Verfahren ausgeht, der Initiative wird es nützen. Einige fragten sich, ob sie bei der Stadt heimliche Verbündete haben, sagt Schnückel.

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22 Kommentare

 / 
  • HB
    Homo Bavaricus

    Ende 80er oder Anfang 90er Jahre habe ich im Cinema in München an einem Karfreitag Das Leben des Brian gesehen. Und das im katholischen Bayern. Soviel ich mich erinnere hatte es damals keine Probleme gegeben.

     

    Heuer habe ich an Karfreitag den Film mit meinen Kindern auf DVD angeschaut. :-)

  • S
    Sabine

    @ Hans

    Auch in der Politik setzen sich Mehrheiten durch.

    Man nennt das Demokratie.

  • H
    Hans

    @Sabine:

    Stimmt, weil sich die Mehrheitsrelgion in der Geschichte damit durchgesetzt hat. Schauen Sie sich aber z.B. die Entwicklung der letzten Jahre an. Immer mehr religiöse Feiertage wurden in vielen Bundesländern gestrichen.

     

    Zudem nützt es mir als Andersgläubiger wenig, dass ich am Karfreitag frei habe, jedoch zu jedem meiner religiösen Festtage Urlaub nehmen muss.

     

    Der Gregorianische Kalender ist auch nur eine (ja, christliche) Abwandlung des Julianischen (ja, römisch, Heiden) Kalenders, eines Solarkalenders. Aber ja, im chrstlichen Glauben wurde dieses alles eh von Gott erschaffen. Unsere mehrtausendjährige Menschheitsgeschichte kennt viele von Menschen erschaffene Kalender.

     

    Klar, dass unsere Geschichte wichtig ist und uns verfolgt, doch Wandel geschieht immer. Da hilft es ggf. nicht, dass wir die letzte 1700-knirsch Jahre christlich dominiert waren, wenn dies sich nun ändert. Wichtig ist es, sich als Arbeiter seine Freiräume (bezahlte Urlaubstage, etc.) zu bewahren, aber da helfen Gewerschaften vielleicht besser als die Kirche.

  • S
    Sabine

    @ Ceo

    "Jeder darf glauben und denken, was er will, so lange er nicht andere beeinflusst."

    Erstens: In Ihrem Statement sind SIE derjenige, der uns Christen beeinflussen möchte und zwar negativ. "Jeder Christ kann sich an Feiertagen selbst hassen" ist diskriminierend und zeigt, dass Sie vom Christentum keine Ahnung haben.

    Zweitens: In einer Gesellschaft ist es unumgänglich, dass Regeln getroffen werden. Manche Regeln passen religiösen Menschen nicht, andere passen Atheisten nicht. Man sollte lernen, das zu akzeptieren und nicht für alle Tage die Möglichkeit von Party machen einfordern.

    Drittens: Was unseren 2000 Jahre alten Mythos betrifft, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass z. B. unser Kalender ganz genau nach diesem Mythos tickt. Möchten Sie den in Ihrer radikalen Konsequenz Ihres Religionshasses auch abschaffen? Denn es kön nte ja sein, dass Sie es an einem Montag lieber hätten, wenn schon Donnerstag wäre. Dass das nicht geht, dürfen Sie den Christen in die Schuhe schieben. Oder Sie dürfen einsehen, dass das Christentum viel tiefer in Europa verwurzelt ist, als Sie in Ihrer oberflächlichen Betrachtungsweise sehen können.

    Im Übrigen sollte für Sie nicht nur der christliche Feiertag wegfallen, sondern auch das sog. "Wochenende" mit allen Sonntagen.

    Vielleicht denken Sie noch mal darüber nach.

    Im Übrigen ist die Beschäftigung mit der Zeitrechnung und dem Kalender hoch interessant. Ich empfehle Ihnen dazu das Werk: "Die Geschichte der Stunde" des Historkers Gerhard Dohrn-van Rossum.

  • C
    Ceo

    An alle, die sagen, dass man doch arbeiten gehen sollte:

     

    Würde ich machen. Ich bin sowieso dafür, dass Feiertage abgeschafft werden, für jeden, und sie in mehr Urlaubstagen wiedergegeben werden. Somit wäre absolut jeder Happy: Jeder Christ kann sich an den christlichen Feiertagen selbst hassen. Jeder Atheist kann seine Urlaubstage zusammesparen und in den Urlaub fahren und jeder Moslem muss während der Fastenzeit nicht arbeiten.

    Es ist aber eine unendliche Frechheit, Menschen zu zwingen, freizunehmen und ihnen dann noch irgendwas zu verbieten, was sie an jedem Tag dürfen, nur aus den Relikten eines 2000 Jahre alten Mythos.

     

    Jeder darf glauben, denken und handeln, was er will und wie er will: Solange er damit andere nicht beeinflusst.

    Das gilt für mich, also einen Atheisten, genauso wie für alle Christen.

     

    Und, obwohl ich Partys nicht sonderlich mag, will ich das Recht haben, auf Partys zu gehen, wann auch immer ich will, wo auch immer ich will, an jedem Tag im Jahr. Alles andere ist einfach nur bigott, wenn man als Christ noch "Toleranz" fordert.

  • S
    Sabine

    @ Elke

    Wenn Sie das so toll finden, seien Sie bitte auch so konsequent, auf freie Sonn- und Feiertage zu verzichten, auf Ihr Weihnachtsgeld zu verzichten und stattdessen Arbeiten zu gehen. Dann könnten wir ins Geschäft kommen.

     

    @ Hans

    Auch Nichtreligiöse haben am Karfreitag frei.

  • H
    Hans

    @Martin:

    Naja, die Religiösen fordern bzw. haben eingefordert, dass andere (trifft ja nicht nur die Nicht-/Andersreligiösen), die z.B. einen Film ausstraheln, oder ein Konzert veranstalten, oder eine Demo abhalten, dies ggf. nicht können, weil das Feiertagsgesetz das verbietet. Somit nehmen Sie wiederum keine Rücksicht auf die Anderen. Wer hat nun mehr Rücksicht verdient. Das regeln schon bestehende Gesetze zu Lärmschutz, etc.. Das Feiertagsgesetz ist dementsprechend nicht nötig und diskriminiert mehr als zu schützen.

     

    @Dr. Manhattan:

    Es stimmt, dass „Religionsfrei im Revier“ sich primär gegen die in Deutschland dominante Religion wenden, doch es gibt auch Aussagen zu/gegen Muslime und Juden, etc.

     

    Ich kann die Gruppe insgesamt nicht für unterstützenswert erachten, weil sie auf ihrer Seite stehen haben: "In der Gruppe ‘Religionsfrei im Revier’ haben sich Menschen aus dem Ruhrgebiet zusammengefunden, die religiöse Weltanschauungen kritisch hinterfragen und für eine religionsfreie, demokratische Gesellschaft eintreten."

     

    Dafür einzutreten finde ich moralisch falsch und enthält undemokratische Meinungsfeindliche Tendenzen.

  • L
    Lars

    Ja endlich, ich gebe euch Recht. Die Christen mit ihren Feiertagen, die sollten alle abgeschafft werden.

    Sind ja christliche Feiertage, die brauchen wir Atheisten nicht. Da gehen wir doch lieber alle arbeiten. Ein Recht auf den Feiertag haben wir ja nicht.

  • R
    Rosa

    "Das Leben des Brian" halte ich für eine sehr religiöse Veranstaltung.

    Aber schlimmer noch als diese Fehleinschätzung seitens der Stadt finde ich,

    daß das Bekenntnis, ob man Christ ist oder nicht, von der Abzocke des Finanzamtes bezüglich Kirchensteuer abhängen soll.

     

    Dieser Anachronismus, den es nur in D gibt gehört endlich abgeschafft.

     

    Wenn die Kirche ihren Job gut macht, bekommt sie Spenden.

    Wenn nicht, dann nicht. Das ist das Gesetz des religiösen Marktes.

  • TB
    Thomas B.

    Es ist ja schön und gut, dass Menschen an Feiertagen wie an Sonntagen ihre Ruhe haben wollen. Aber wie ist zu rechtfertigen, dass einem Großteil der Bevölkerung verboten wird, in abgeschlossenen Räumlichkeiten nach eigenem Ermessen zu feiern oder Filme zu zeigen, wovon außerhalb niemand etwas mitbekommen muss? Gar nicht! Wir leben schließlich nicht in der Bronzezeit, als auch der Nachbar angeschwärzt wurde, wenn er den Sabbat brach!

  • J
    JadotA

    Egal was Papst XYZ sagt,

    und die Erde rund oder flach ist,

    es finden sich immer Leute,

    die alten Hüte als neue Tiara loben.

  • JK
    Jean Kühl

    Woaw! Dr Manhattan (10:43) deklariert Religion als Rasse.

    Es wird spannend.

  • DA
    der alte Fritz

    In unserem eher katholisch geprägten Haushalt, frage ich an Karfreitag unsere Kinder, ob sie lieber zur Steinigung oder zur Kreuzigung gehen möchten. Mangels Alternative gehen wir dann zur Kinderkreuzigung und unseren Bub interessiert das nicht die Bohne. Er geht lieber stiften und schaut sich die Kerzen bei der Maria an.

    Das Lächeln und der Humor war das Attribut des Heiligen Franziskus, der als erster das Bild vom "fröhlichen Geber" propagierte. Ein Schelm, der da an unseren aktuellen Papst denkt.

    Sicher ein Eigentor für die Stadt Bochum und ich hoffe die Richter sehen das auch so.

  • MD
    Martin D.

    "am Karfreitag sei das Vorführen von Filmen verboten, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als geeignet anerkannt seien"

     

    das klingt nach dunklem mittelalter. dass rotgrün dort solche relikte nicht schon abgeschafft hat? kann doch nicht so schwer sein, oder? sehr peinlich!

  • D
    D.J.

    Wer Anstand hat, wird am Karfreitag nicht unmittelbar vor Kirchen tanzen oder im Ramadan am Moschee-Eingang keine Currywurst mit Bier verdrücken. Frage der Höflichkeit.

    Hat aber mit dem Skandalgesetz nichts zu tun. Änderung des Gesetzes mit RotGrün in NRW? Eher nicht, schließlich ist das Motto dort bisher gewesen: Mehr religiöse Märchen in den Schulen statt weniger (Einführung isl. Religionsunterrichts auf schmaler Rechtsbasis).

  • NM
    Nixus Minimax

    Wir müssen uns entscheiden, ob wir "mitleiden" möchten, oder doch lieber auf das lange Wochenende verzichten möchten. Wem die verordnete Ruhe nicht gefällt, könnte ja lieber glaubendfrei arbeiten gehen.

  • J
    JadotA

    Bochum … Wurde nicht „das Leben des Peers“ dort gedreht?

  • DM
    Dr. Manhattan

    Also, ich war jetzt mal auf der Seite von Konfessionslos im Revier und ja, es geht da nur ums Christentum. Also Christenfrei im Revier? Das ist schon ein bißchen arm. Frömmeleien anderer Religionen bleiben natürlich außen vor. Das zu kritisieren ist ja rassistisch.

  • E
    Elke

    Hervorragend! Immer mehr Initiativen gehen gegen diese unsägliche Privilegierung der christlichen Kirchen vor. Es wird Zeit, dass sich die große Masse der Nichtreligiösen Gehör verschafft.

  • R
    RPH

    Ich mag einen guten Gottesdienst. "Das Leben des Brian" sowieso( da lacht der liebe Gott drüber) Und gerne beides an einem Tag, auch am Karfreitag . - UNVEU -

  • M
    Martin

    Warum fordern Atheisten immer Toleranz ein, denen tut doch keiner was, können die nicht einfach die Gefühle der Gläubigen respektieren?

  • H
    Hans

    Sympathisches Trollen. Tolle Aktion.

    Ich finde zwar als religiöser Mensch, dass man durchaus auf die Religion anderer Menschen Rücksicht nehmen kann, doch scheiße noch eins, wir leben in einem säkularen Staat und diese Feiertagsgesetze sind echt reliktiös und billigen den Religiösen Menschen mehr Rechte zu als den Anders-/Nichtreligiösen und das ist Ungleichheit/Diskriminierung.