Streit um Entschädigung für Atomausstieg: Etappensieg für Vattenfall
Das Schiedsgericht der Weltbank urteilt über Schadensersatz wegen des deutschen AKW-Aus. Es hält sich für interne EU-Konflikte zuständig.
![Ein großes Stopp-Schild steht vor der Kuppel eines AKW: Vattenfall klagt auf Entschädigung wegen des Atomausstiegs Ein großes Stopp-Schild steht vor der Kuppel eines AKW: Vattenfall klagt auf Entschädigung wegen des Atomausstiegs](https://taz.de/picture/2940025/14/2562034.jpeg)
Vattenfall hat 2012 die Bundesrepublik vor dem Washingtoner Schiedsgericht verklagt. Das schwedische Unternehmen verlangt von Deutschland 4,4 Milliarden Euro plus Zinsen. Durch den beschleunigten Atomausstieg nach Fukushima seien Vattenfalls Reststrommengen entwertet worden.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 2016 Vattenfall bereits Kompensation zugesprochen. Doch Vattenfall verlangt vor dem Schiedsgericht ein Mehrfaches davon. Dabei beruft sich Vattenfall auf den Energiecharta-Vertrag von 1994, der ausländische Investoren in der Energiebranche vor Enteignung und unfairer Behandlung schützt.
Eigentlich sollte das Washingtoner Urteil im ersten Quartal 2018 verkündet werden. Doch dann sorgte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg für einen Paukenschlag. In seinem „Achmea“-Urteil vom März 2018 beanstandete er generell bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten.
Begründung: Die darin vorgesehenen Schiedsgerichte könnten das EU-Recht anders auslegen als der EuGH. Manche Beobachter riefen schon das „Ende der Schiedsgerichtsbarkeit“ aus. Daraufhin eröffnete das ICSID-Schiedsgericht das Vattenfall-Verfahren erneut und bat um Stellungnahmen zum EuGH-Urteil.
Einwand kam nicht zu spät
Die Bundesregierung nutzte die Gelegenheit, um nun das Schiedsverfahren in Washington generell in Frage zu stellen. Streitigkeiten innerhalb der EU – also auch zwischen einem schwedischen Staatsunternehmen und Deutschland – dürften nach dem Achmea-Urteil nicht mehr vor Schiedsgerichten ausgetragen werden. Vattenfall hielt das Schiedsgericht jedoch weiter für zuständig, das Achmea-Urteil passe nicht auf den Energiecharta-Vertrag. Deutschland komme mit seinem Einwand ohnehin viel zu spät, „sechs Jahre nach Beginn des Verfahrens“.
Das Schiedsgericht hat nun ein Zwischenurteil verkündet. Danach durfte Deutschland seine neuen Einwände durchaus vorbringen. Das EuGH-Urteil habe nämlich eine „neue Situation“ geschaffen. Inhaltlich wurden die deutschen Einwände gegen das Verfahren jedoch in vollem Umfang zurückgewiesen.
Urteil noch in diesem Jahr
Der Energiecharta-Vertrag erlaube es stets, so das ICSID-Schiedsgericht, bei Streitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat und einem Investor aus einem anderen Vertragsstaat ein Schiedsgericht anzurufen. Es gebe nicht den leichtesten Hinweise im Vertragstext, dass dies nicht gelten solle, wenn beide Streitparteien aus der EU kommen. Eine entsprechende Klausel sei ausdrücklich nicht in den Vertrag aufgenommen worden.
Der Energiecharta-Vertrag könne auch nicht (wie von Deutschland gewünscht) im Lichte des EU-Rechts und des EuGH-Urteils ausgelegt werden, so die Schiedsrichter. Denn das EuGH-Urteil gelte nur für zweiseitige Investitionsschutz-Abkommen. Der Energiecharta-Vertrag sei aber ein multilateraler Vertrag mit 53 Vertragspartnern. Ein Schiedsgericht dürfe nicht aus dem Achmea-Urteil eine neue Regel des Völkerrechts „hochrechnen“, es dürfe nur eindeutige Regeln des Völkerrechts anwenden.
Beobachter gehen davon aus, dass das Schiedsgericht sein Urteil nun bald, also noch in diesem Jahr, verkünden wird. Wie die Schiedsrichter über die Klage von Vattenfall entscheiden werden, deuteten sie nicht an.
Die Bundesregierung hatte schon spekuliert und gewarnt, ein Urteil des Schiedsgerichts könne in der EU nicht vollstreckt werden, weil das Schiedsgericht nach EU-Recht ja nicht zuständig sei. Wenn Vattenfall das Verfahren fortführe, verletze es EU-Recht. Die Schiedsrichter hielten sich zurück und nahmen hierzu keine Stellung.
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