Streit um Entbindungsklinik in Irland: Das letzte Aufbäumen der Kirche
Irland braucht eine neue Entbindungsklinik. Doch der potenzielle Standort gehört der katholischen Kirche, und die will ihre Regeln durchsetzen.
E s ist das letzte Aufbäumen der katholischen Kirche in Irland. Das Land braucht eine neue Entbindungsklinik, und die soll neben das St. Vincent University Hospital in Süd-Dublin gebaut werden. Doch das Krankenhaus und das Baugrundstück gehören den Sisters of Charity, aber die Schwestern der Barmherzigkeit sind keineswegs barmherzig.
Der Plan, die Klinik vom derzeitigen Standort in der Dubliner Holles Street zu verlegen, besteht schon seit 2013. Genauso lange wird darum gestritten. Das 1815 gegründete katholische Institut Sisters of Charity will das Grundstück nämlich nicht verkaufen, sondern bietet dem Staat einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 99 Jahren und der Möglichkeit einer Verlängerung von 50 Jahren an.
Die Schwestern haben das gesamte Gelände einschließlich des bestehenden St. Vincent Hospital vor kurzem an eine neu gegründete Wohlfahrtsorganisation St. Vincent Holdings überschrieben. Der ehemalige Chef des Entbindungskrankenhauses in der Holles Street, Peter Boylan, sagt: „Der religiöse Ethos lebt im St. Vincent Hospital weiter, wenn auch in einer anderen Organisationsform.“ Künstliche Befruchtung und Sterilisation werden dort nicht durchgeführt.
Wenn das St. Vincent Hospital und das neue Entbindungskrankenhaus von demselben Vorstand geleitet werden, wie es sich der Krankenhauschef James Menton wünscht, stehen der katholischen Organisation Posten in diesem Vorstand zu. So könnten zum Beispiel Schwangerschaftsunterbrechungen verhindert werden, da der Vatikan diese auf kirchlichem Grund und Boden verbietet. Der Erzbischof und Primas von Irland, Eamon Martin, hat bereits angekündigt, er werde öffentlich gegen Abtreibungen im neuen Krankenhaus kämpfen.
Rückfall durch die Hintertür
Menton hatte bereits 2017 an das Gesundheitsministerium geschrieben, die Übertragung des Eigentums des Klinikgeländes auf eine neue Wohltätigkeitsorganisation“ sei „der beste Weg, um die Vision und die Werte von Mary Aikenhead, die die Sisters of Charity 1815 gegründet hat, zu bewahren“. Dadurch werde „unzulässiger Einfluss durch Individuen oder andere Quellen verhindert.
„Was versteht er unter unzulässigen Einfluss?“ fragt Áine Lyons, eine pensionierte Grundschuldirektorin und Gewerkschafterin. „Es ist eine Frechheit, wie sich die Kirche Einfluss sichern will, und zwar gegen den Willen der Bevölkerung.“ Die hatte jeweils mit Zweidrittelmehrheit per Volksentscheid 2015 die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt und 2018 das strenge Abtreibungsverbot gekippt.
Trotzdem versuche der Klerus durch die Hintertür, die Uhr zurückzudrehen, sagt Lyons: „Erst neulich hat die Kirche ein Programm für die sexuelle Aufklärung an Schulen vorgelegt. Der Umgang mit Sexualität ist von religiösen Ansichten geprägt, denn 90 Prozent der Schulen werden von der katholischen Kirche betrieben.“ In dem Programm heißt es unter anderem: „Wir sind von Gott perfekt geschaffen, um uns fortzupflanzen.“
Menton schiebt hingegen organisatorische Gründe vor, um den Befürchtungen in Bezug auf das neue Entbindungskrankenhaus den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Die Trennung des Eigentums oder der Leitung der Kliniken würde die nahtlose Pflege in dem Krankenhauskomplex stören, und das hätte Folgen für die Verantwortung und Haftung in beiden Kliniken.“ Die erforderliche Bürokratie könnte zu Einschränkungen oder Verzögerungen bei der Verlegung von Patienten zwischen den Kliniken führen, meint er: „Dadurch würden die Risiken für Patienten erhöht.“
Unfug, sagt die Abgeordnete Bríd Smith von der linken Partei People Before Profit: „Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn es medizinisch notwendig ist, werden Patienten im ganzen Land von einem Krankenhaus ins andere überwiesen, und diese Praxis besteht seit Jahrzehnten.“ Die Opposition fordert deshalb einen Enteignungsbeschluss, um die Sisters of Charity zu zwingen, das Grundstück an den Staat zu verkaufen. Ein solcher Prozess könnte sich aber über Jahre hinziehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?