Streit um Comic-Ausstellung in Essen: Die zerschnittenen Blutspuren
Während einer Austellung über Graphic Novels hängt eine muslimische Studentin zwei Exponate ab – eins zerstört sie sogar. Ihr Motiv scheint antiisraelisch zu sein.
KÖLN taz | An der Universität Duisburg-Essen tobt ein Karikaturenstreit. Weil sie zwei Poster in einer Ausstellung über aktuelle Graphic Novels für anstößig hielt, schritt eine muslimische Studentin zur Selbsthilfe und hängte die umstrittenen Exponate ab. Und nicht nur das: Offenkundig aus antiisraelischen Motiven heraus zerstörte sie eines der beiden Plakate. Daraufhin wurde die Comic-Ausstellung in der Universitätsbibliothek vorzeitig beendet – aus Protest gegen die erfolgte Zensur.
Jetzt wird an der Hochschule über Wissenschafts- und Meinungsfreiheit diskutiert. Steine des Anstoßes sind zwei Plakate in der Ausstellung „What Comics can do! – Recent Trends in Graphic Fiction”, die seit dem 23. Mai im Foyer der Uni-Bibliothek auf dem Campus Essen gezeigt wurde. Ausgestellt wurden studentische Poster aus der Anglistik, in denen die Erzähltechniken und Inhalte von zwölf Graphic Novels erläutert wurden.
Darunter befanden sich auch eine Collage mit verschiedenen Szenen aus dem Orient-Comic „Habibi“ des US-Comickünstlers Craig Thompsons sowie ein Plakat, das sich mit dem Buch „Blutspuren” der israelischen Zeichnerin und Illustratorin Rutu Modan befasst. Zunächst hatten sich Mitte Juni einige muslimische Studierende lautstark darüber mokiert, dass neben einer gewalttätigen Sexszene aus Thompsons „Habibi“ das Wort „Allah“ in arabischer Kalligrafie montiert war. Dies verletzte ihre religiösen Gefühle, beklagten sie und forderten die Entfernung des Bildes.
Während die Bibliotheksleitung noch überlegte, wie sie mit dem Protest umgehen will, schritt eine Studentin zu Tat. Zuerst hängte sie am 17. Juni auf eigene Faust die Thompson-Collage ab. Doch dabei beließ es die angehende Gesellschaftswissenschaftlerin nicht. Anders als von mehreren Zeitungen wie der WAZ oder der Welt berichtet, die sich offenkundig auf eine entsprechende Veröffentlichung in der AStA-Publikation „ak[due]ll bezogen, ging es der jungen muslimischen Frau nicht nur um Thompsons „Habibi“ und die vermeintliche Verletzung ihrer religiöser Gefühle. Denn ein zweites Plakat erregte bei ihr noch größeren Unmut.
Als anstößig empfundene Bildinhalte
Am 24. Juni ging sie nach Informationen der taz gegen eine Collage mit Motiven aus Rutu Modans Werk „Blutspuren” vor. Mit einer Schere schnitt die Studentin von ihr als anstößig empfundene Bildinhalte aus dem Plakat heraus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung. Daraufhin wurde die Ausstellung vorzeitig abgebrochen.
„Eine teilzensierte Ausstellung hätte als Eingeständnis einer Schuld gewertet werden können, was auf jeden Fall vermieden werden sollte“, begründet der geschäftsführende Direktor des Instituts für Anglophone Studien, Christoph Heyl, die Entscheidung. Auf der zerstörten Collage stand weder das Wort „Allah“, noch zeigte sie eine Sexszene. Stattdessen ist darauf eine Friedensdemonstration in Israel zu sehen, bei der auf einem Transparent die Aufschrift „Shalom“ zu lesen ist.
Auch wenn die Hochschule selbst angibt, derzeit noch über die Motive der Studentin zu rätseln: Es liegt mehr als nahe, dass ihrer Aktion ein handfestes antiisraelisches, wenn nicht antisemitisches Motiv zugrunde lag. Rutu Modans mehrfach preisgekrönte Graphic Novel „Exit Wounds“, die 2008 unter dem Titel „Blutspuren“ auch auf deutsch erschien, spielt vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts und der Bedrohungssituation der in Israel lebenden Menschen durch palästinensische Selbstmordattentäter.
Es handele sich um eine „glänzend erzählte Geschichte“, urteilte seinerzeit die Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Mit kühlem Understatement im Stil der franko-belgischen Tradition ist die Geschichte gezeichnet, zurückhaltend und klar konturiert coloriert“, schrieb die taz in einer Rezension. Die in Tel Aviv lebende Mitgründerin des israelischen Künstlerkollektivs Actus Tragicus zeige in ihrem Buch „die Konsequenzen eines Lebens mit einer ständig latent im Alltag vorhandenen Bedrohung“.
Eindringliches Gespräch
Die Hochschulleitung hat nun angekündigt, mit der Studentin ein eindringliches Gespräch zu führen. „Weitergehende juristische Schritte behalten wir uns vor“, betonte Uni-Rektor Ulrich Radtke. Ihr eigenmächtiges Verhalten sei in keiner Weise zu rechtfertigen. „An einer Universität darf es keine Denkverbote geben“, betonte Radtke. Schließlich sei die Universität ein Ort der Toleranz und Wissenschaftsfreiheit.
„Es entspricht dem Wesen des wissenschaftlichen Diskurses, auch gegensätzliche Standpunkte auszuhalten“, sagte der Professor. Deswegen will die Hochschule jetzt ein wissenschaftliches Kolloquium zum Thema „Hochschule und Meinungsfreiheit“ organisieren.
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