Streit um Bürgerschaftsdirektor: Grüne werfen SPD Klüngelei vor
Die SPD hat mit der CDU die Grünen bei der Wahl des Bürgerschaftsdirektors überstimmt. Andere waren qualifizierter als der SPD-Mann, sagen die Grünen
Über dem Amt des Bürgerschaftsdirektors liegt kein Segen. Mit dem Grünen Rainer Oellerich kam Bürgerschaftspräsident Christian Weber nicht zurecht und schickte ihn in den vorläufigen Ruhestand. Damals wollte er die frühere Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) als Direktorin einstellen – und scheiterte mit seinem Vorschlag in der eigenen Partei. Es dauerte drei Jahre, bis ein neuer Direktor da war – Karl Heinz Hage, und es dauerte zwei Jahre, da war Hage wieder weg. Wegen des fehlenden Vertrauens des Bürgerschaftspräsidenten war er spazieren gehen geschickt worden – er sei der am besten bezahlte Geiger Bremens, spottete der Hobby-Musiker damals.
Nun favorisiert Weber den SPD-Fraktionsgeschäftsführer Frank Pietrzok für die Leitung der Bürgerschaftsverwaltung. Der ist zwar kein Volljurist, in der aktuell laufenden Ausschreibung war dies als fachliche Qualifikation aber nicht mehr zur Voraussetzung gemacht worden, so dass Pietrzok sich bewerben konnte. Am Dienstag waren fünf KandidatInnen zum Vorstellungsgespräch geladen – und danach, so erklärt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner, habe Weber „durchgezockt“. Der Wunsch der beiden grünen Vertreterinnen im Bürgerschaftsvorstand, eine Denkpause einzulegen und die Auswahl-Sitzung zu vertagen, wurde abgelehnt, Weber ließ abstimmen – drei SPD-Stimmen und die CDU waren für Pietrzok.
Die beiden grünen Mitglieder im Bürgerschaftsvorstand, Silvia Schön und Zahra Mohammadzadeh, fanden nach der Anhörung der BewerberInnen, andere seien eindeutig besser qualifiziert.
Warum hat der CDU-Vertreter zugestimmt? „Wenn Herr Pietrzok der Vertrauenskandidat von Präsident Weber ist, dann hat diese Entscheidung die Solidarität der übrigen Vorstandsmitglieder verdient“, erklärte Thomas Röwekamp dazu. Das sei eine „gelebte Tradition des Einvernehmens“.
Das würde allerdings bedeuten, dass die Teilnahme der anderen an dem Bewerbungsverfahren rein formal ist. Die verabredete „einvernehmliche“ Auswahl des Direktors interpretiert Güldner aber anders: Wenn zwei Bürgerschaftsvorstands-Mitglieder anderer Ansicht seien, dann sei das Verfahren so nicht „einvernehmlich“ abzuschließen.
Matthias Güldner kündigte gestern an, dass die Grünen den Bürgerschaftspräsidenten in die nächste grüne Fraktionssitzung einladen wollen. „Wir haben seit Jahren ein Problem mit der Amtsführung von Herrn Weber“, erklärte Güldner. Immer wieder habe es wenig Kollegialität und viele Alleingänge gegeben. So habe jüngst der Bürgerschaftsvorstand aus der Zeitung erfahren, dass der Präsident eine Debatte über die Einschränkung der Versammlungsfreiheit auf dem Marktplatz anzetteln will. Der Vorfall am Dienstag hat offenbar das Fass zum Überlaufen gebracht. „Wie besetzen wir Top-Stellen“, sei die Frage. Und: Wie geht man fair miteinander um. Die Grünen wollen Weber fragen, wie er sich eine kollegiale Amtsführung in Zukunft vorstellt.
„Erhebliche Verfahrensfehler“ seien zudem passiert, formulierte Güldner die Lage. Dies wäre wichtig für den Fall, dass andere Bewerber die Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht anfechten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen