Streit um Brandschutz in der Rigaer 94: Auch SPD sieht Fehlverhalten
Innensenator Geisel ordnet Prüfung der Vorwürfe aus ARD-Magazin gegen grüne Bezirksamtsmitglieder in Friedrichshain-Kreuzberg an.
Berlin taz | Im Streit um angeblich politisch blockiertes Vorgehen gegen Brandschutzmängel in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain hat sich die SPD zumindest vorsichtig der Kritik an Baustadtrat Florian Schmidt und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (beide Grüne) angeschlossen. „Es spricht tatsächlich einiges für ein Fehlverhalten des Bezirksamts in dieser Frage“, sagte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann. Klarheit soll eine Prüfung durch den Senat bringen.
Vorangegangen war ein Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“. Unter Verweis auf Behördendokumente war dort, kurz gefasst, davon die Rede, dass Stadtrat Schmidt per amtlicher Weisung dafür gesorgt haben soll, dass kein brandschutztechnisches Verfahren eingeleitet wurde. Die CDU-Fraktion fordert darum am Donnerstag im Abgeordnetenhaus per Dringlichkeitsantrag vom Senat, die Vorwürfe unverzüglich aufzuklären.
In der Parlamentsdebatte dazu sprach ihr Fraktionsvorsitzender Dregger von einem „Skandal“ und sah „eine Chronologie des jahrelangen vorsätzlichen Rechtsbruchs“ durch Schmidt mit Unterstützung von Herrmann. Dem Innensenator Andreas Geisel (SPD) warf er Untätigkeit vor.
Dregger zitierte dabei auch eine Twitter-Äußerung des früheren Grünen-Bundeschefs Cem Özdemir in Richtung seiner Parteifreunde in Friedrichshain-Kreuzberg. Der hatte dort am Dienstag geschrieben: „Merkt hier eigentlich jemand, wie sehr der Kampf gegen Rechtsradikalismus & für unseren Rechtsstaat geschwächt wird, wenn Gesetze & Verordnungen nicht für alle gelten? So jedenfalls machen wir es den Gegnern unserer Demokratie zu einfach.“
Schmidberger kontert Özdemir
Die Reaktion kam gleich zweifach von Katrin Schmidberger, zugleich wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und einflussreiches Mitglied im Kreisverband ihrer attackierten Parteifreunde Schmidt und Herrmann. „Du machst es unseren Gegnern einfach indem Du auf unserem Rücken Politik machst“, antwortete sie auf Twitter ihrem Parteifreund Özdemir. Der habe vor ein paar Jahren hast du „noch stolz einen auf Kreuzberger gemacht“ und schaffe nun keinen Anruf, um sich erst mal zu informieren? „Dann hätten wir es dir erklären können, du hast anscheinend keine Ahnung von der Sachlage.“
In echt im Plenarsaal wies Schmidberger den CDU-Mann Dregger darauf hin, dass erstmal der Eigentümer eines Hauses für den Brandschutz zuständig sei. Die Eigentumsverhältnisse in der Rigaer Straße 94 sind jedoch offen. Mehrere Male erkannte ein Berliner Gericht in den vergangenen Jahren einen Anwalt nicht als ausreichend legitimierten Vertreter der Eigentümer an.
Zu der Möglichkeit, dass das Bezirksamt stellvertretend tätig wird und die Kosten dem Eigentümer später in Rechnung stellt, sah Schmidberger die Lage so, dass das eine Ermessensentscheidung ist und nicht zwingend geschehen muss. So argumentierte auch ihr Koalitionskollege Niklas Schrader von der Linksfraktion. Er empfahl Dregger, bis zur Klärung der Lage „ein bisschen abzurüsten“.
„Der Senat wird geltendes Recht durchsetzen“, versprach der SPD-Abgeordnete Zimmermann und verwies darauf, dass Innensenator Geisel bereits getan habe, was der CDU-Antrag fordert, nämlich für Klärung der in dem ARD-Beitrag erhobenen Vorwürfe zu sorgen. Geisel habe dazu eine Prüfung im Rahmen der Bezirksaufsicht angekündigt. Ihm könne man kein Fehlverhalten anlasten, denn nicht Geisel, sondern der Bezirk sei beim Brandschutz zuständig: „Der Innensenator hat ein breites Kreuz, aber ihm die Verantwortung für die Bauaufsicht aufzubürden, ist nicht zulässig“, sagte Zimmermann.
FDP: Zweierlei Maß beim Brandschutz
Der AfD-Abgeordnete Karsten Woldeit misstraute Zimmermanns Aufklärungsankündigung und widersprach auch der Sichtweise, es handele sich um Politikversagen des zuständigen grün-geführten Bezirksamts. „Dass hieße ja, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein“, sagte Woldeit, „hier aber will man sie einfach nicht lösen, weil man die linksextremistische Klientel schützen will.“
Aus Sicht des FDP-Abgeordneten Paul Fresdorf wird beim Brandschutz zu sehr mit zweierlei Maß gemessen. Während das Bezirksamt in der Rigaer Straße 94 entsprechende Hinweise nicht weiter verfolgt haben soll, sei anderswo zeitweise eine ganze Schule geschlossen worden, weil ein zweiter Treppenaufgang fehlte.
Gar nicht zur Sprache kam in der Debatte das größte Brandschutz-Objekt der Region, der Flughafen BER: Dort hatte das zuständige Landratsamt Dahme-Spreewald konsequent auf Beseitigung der Mängel gedrängt – was dazu führte, dass die für 2012 fest geplante Eröffnung nun erst zum 31. Oktober ansteht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!