Streit um Atomkraft in der Ampel: Krachender Streit, vager Optimismus
Die Positionen von Grünen und FDP im AKW-Streit sind festgefahren. Dennoch sind alle zuversichtlich, dass man sich bald einigt.
Die Grünen haben auf ihrem Parteitag eine rote Linie gezogen und wollen keinesfalls neue Brennstäbe akzeptieren, die für die von der FDP geforderte Laufzeit nötig wären. „Wer rote Linien formuliert, handelt unklug und verantwortungslos“, holzte Bijan Djir-Sarai zurück. Der Konflikt ist ausgehärtet. Die FDP will sich nach etlichen Wahlniederlagen als nüchterne Technikpartei gegen die sturen grünen Ideologen profilieren. Die Grünen wollen nach vielen Anpassungen an die Regierungsrealität inklusive Waffen für Saudi-Arabien wenigstens bei den AKWs Standfestigkeit zeigen. Lösung? Unklar.
Gleichzeitig aber bemühen sich beide Parteien, Optimismus zu verbreiten. Djir-Sarai erklärt munter, man werde sich spätestens Dienstag einigen. Ähnliches hört man von den Grünen. In der Sache aber ist man kompromisslos. Mit dem Reservebetrieb für die beiden süddeutschen AKWs, so Grünen-Chefin Ricarda Lang, sei man der FDP schon sehr weit entgegengekommen. Die Ampel sei „in keinem schönen Zustand“.
Andererseits verströmt auch Lang die Gewissheit, dass die Koalition an dem Atomstreit „nicht zerbrechen“ werde. Auch ganz überzeugte grüne Atomkraftgegner sind sicher, dass sich die Ampel am Ende einigt. Ebenso sieht es Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Man sei auf dem Weg zu einer Einigung, die möglichst zeitnah verkündet werden solle, sagte sie am Montag.
Diese Mixtur von krachendem Streit und gelassenem Optimismus ist nicht leicht zu entziffern. Ist das ein vorweggenommenes blame game, in dem man versucht, den Schwarzen Peter für den Fall des Scheiterns aus dem eigenen Feld zu verbannen? Oder ist es die Taktik, bis zum letzten Moment zu warten, um zu beweisen, wie tapfer man kämpft?
Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck versuchen am Montag abermals einen Kompromiss zu finden. Aber Grüne und FDP können sich noch nicht mal darauf einigen, was sie vereinbart hatten. Die Grünen verweisen auf das drei Wochen alte Ampel-Papier zu dem 200 Milliarden schweren Gaspreisdeckel.
Dort steht: „Wir schaffen die Möglichkeit, die süddeutschen Atomkraftwerke bis zum Frühjahr 2023 laufen zu lassen.“ Die Grünen halten dies für den Beweis, dass man sich doch schon auf den Reservebetrieb für Isar 2 und Neckarwestheim 2 und das Aus für das AKW im Emsland verständigt hatte. Die FDP bestreitet das. Dass die Deutungen so weit auseinandergehen, zeigt: Das Vertrauen in der Ampel ist brüchig geworden.
Zeitnahe Lösung erforderlich
Sicher ist: Der Zeitdruck ist real. Das AKW Isar 2 muss repariert werden, um 2023 als Reserve zur Verfügung stehen zu können. Dafür muss der Bundestag in dieser Woche ein Gesetz beschließen. Sonst geht Isar 2 endgültig vom Netz. Das können weder die Grünen noch die Liberalen wollen. FDP-Mann Djir-Sarai betont: In dieser Woche müsse der Paragraf 7 Absatz 1 des Atomgesetzes geändert werden „als Basis für die weitere Vorgehensweise“.
Sachlicher kann man es nicht formulieren. Zudem habe er Informationen von Betreibern, dass man auch ohne den Einkauf neuer Brennstäbe die AKWs bis Ende nächsten Jahres laufen lassen könnte. Deutet sich da schon ein Kompromiss an? Der Verzicht auf neue Brennstäbe würde die Furcht der Grünen, der Ausstieg würde nicht nur aufgeschoben, sondern aufgehoben, besänftigen. Und die FDP könnte einen kleinen Erfolg verbuchen, wenn AKWs länger als bis zum 15. April laufen.
Der Zeitdruck kann also eine Einigung beschleunigen. Djir-Sarai hält es sogar für so etwas wie ein „Markenzeichen“ der Ampel, „am Ende des Tages“ zu Lösungen zu kommen. Das ist eine gewagte Interpretation: Die Lähmung der Ampel wird zur Stärke umgedeutet.
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