Streit über "Tagesschau"-App: Der Protest ist nur Werbung

Im Streit um die iPhone-Präsenz der "Tagesschau" übersehen viele: Die ARD ist längst auf Mobiltelefonen präsent. Eine Revolution ist der App-Entwurf ohnehin nicht.

Geht app: die "Tagesschau" auf iphone. Bild: dpa

Yve Fehring vermasselt es. Die Moderatorin tut, was fehl am Platze ist: Sie tritt aus der Souveränität, mit der sich ARD und ZDF im Streit über ihre digitalen Grenzen endlich mal brav zurückgehalten haben. Fehring macht sich aber in der Sendung "Neues" einfach gemein mit der eigenen Sache und sagte ihren Zuschauern, ihrer Meinung nach "dürfen und müssen" sich öffentlich-rechtlichen Sender an neue Verbreitungswege anpassen. Ausgerechnet in einem Computermagazin.

Mit dieser Szene bediente Fehring das Klischee, Medien missbrauchten eigene Flächen für ihr Lobbying. So, wie der Axel-Springer-Verlag das macht, um gegen die Präsenz des gebührenfinanzierten Rundfunks in der multimedialen Welt zu kämpfen. Seine Forderung: Weil "Bild" und "Welt" für das iPhone Programme ("Apps") verkaufen wollen, sollen die öffentlich-rechtlichen Sender das nicht dürfen. "Bild" & Co. titelten gegen den "GEZ-Wahnsinn" und sammelten Stimmen von Politikern, die sich gegen gebührenfinanzierte Mobilprogramme aussprachen.

Erst vor wenigen Tagen jubilierte der Konzern, binnen eines Monats mehr als 100.000 seiner Apps an die iPhone-Gemeinde gebracht zu haben obwohl die ein bisschen Geld kosten. Auch wenn noch völlig offen ist, wie viele dem Verlag die Treue halten werden, wenn sie nach einem Testzeitraum für die Inhalte der Springer-Blätter im Digitalen mehr zahlen müssen, zeigt diese Entwicklung: Der Verkauf von durchdacht aufbereiteten Inhalten für die immer mobilere Bevölkerung hat Potenzial.

Und doch ist die Schlammschlacht völlig überflüssig, an der sich auch vermeintlich seriöse Titel wie die "Süddeutsche Zeitung" beteiligen. Die warf der ARD beiläufig eine "hemmungslose Digitaloffensive" vor, ging aber fast gleichzeitig selbst mit einer "SZ Gold"-App auf den Markt. Das war ebenso durchsichtig und traurig wie Springers Kampagnen-Versuch, nur eben Meinungsmache im kleinen Stil.

Manch ein Rundfunkrat, der einen Sender kontrolliert, lässt sich von dem Druck der Verleger gar beeindrucken: Gerade erst hat das Gremium des WDR empfohlen, mit der Entwicklung der "Tagesschau"-App noch ein wenig zu warten, bis die zum Teil noch laufende Prüfung der Online-Präsenz von ARD und ZDF durch ist. Gut möglich, dass die Nachrichten-App deshalb später auf den Markt kommt als geplant. Und das, obwohl inzwischen alle auf dem iPhone sind. Erst gestern hat das Weiße Haus eine iPhone-App gestartet. Wer will, kann sich darüber die Reden von US-Präsident Barack Obama live ansehen.

Wer sich die Mühe macht, sich in der Hamburger Redaktion von ARD-aktuell die "Tagesschau"-App anzusehen, der stellt hingegen fest: Das Programm wird keine Revolution sein, sondern tatsächlich ein Service am Gebührenzahler. Der muss ohnehin neben der Nutzung von klassischen TV- und Radio- auch für "neuartige Empfangsgeräte" zahlen, dazu zählen eben auch Geräte wie das iPhone, das in Deutschland übrigens mehr als eine Million Kunden zählt. Ist es bei dieser Masse nicht legitim, dass die "Tagesschau" die Darstellung ihrer Webseite für diese Nutzer optimiert? Nicht mehr und nicht weniger wird die App mitbringen.

Das Programm, das bisher nur auf Skizzen existiert und noch programmiert wird, sieht dem ausgereiften Konzept zufolge ausschließlich Inhalte vor, die schon heute jeder im Netz abrufen kann und das auch mit einem Web-Browser auf modernen Handys. Die Inhalte der App sind identisch mit den etwa 20 Meldungen, die auf tagesschau.de pro Tag verbreitet werden. In ihrer thematischen Vielfalt wie auch in der Tiefe der Informationen wird die "Tagesschau"-App damit jedem Print-Angebot weit unterlegen sein.

Auch die Videoeinbindung dürfte nicht überraschen, deckt doch auch sie sich eins zu eins mit dem bestehenden Angebot. Wie auf tagesschau.de werden auch App-Nutzer Beiträge und Sendungen abrufen können, sowohl vom Tage als auch über ein Archiv. Dazu kommt die Möglichkeit, "Tagesschau" und "Tagesthemen" parallel zur Ausstrahlung im TV live auf dem iPhone zu sehen - auch hier: schon heute möglich. Und selbst die Ankündigung, die "Tagesschau" überlege, die Info-Radios der ARD als Liveabruf in ihre App einzubinden, kann nicht zu ernsthaften Protesten führen, sind sie doch schon heute auf tageschau.de verlinkt.

Wer diesen App-Entwurf kritisiert, der kommt eh viel zu spät. Die App der "Tagesschau" ist nämlich alles andere als eine Neuerung: WDR, NDR, MDR, SWR und Deutschlandradio sind teilweise bereits seit Monaten mit eigenen Programmen im sogenannten App-Store unterwegs. Und die Deutsche Welle bietet für iPhone-Nutzer neben Text- und Radionachrichten sogar schon heute TV-Beiträge auf Fingerdruck an.

Letztlich ist der ganze Aufstand eh nur eine riesige Werbung. Für den iPhone-Produzenten Apple, aber nicht zuletzt auch für die "Tagesschau". Der Streit geht für die beteiligten Verlage folglich nach hinten los. Auch deshalb hätte sich Yve Fehring ihren Einwurf getrost sparen können.

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