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Streit über Sorgerecht im BundestagJenseits von Mama und Papa

Die Grünen wollen soziale Eltern rechtlich stärken. Das dürfte mögliche schwarz-grüne Koalitionsverhandlungen erschweren.

Leibliche Eltern? Soziale Eltern? Wem strecke ich denn diesmal die Zuge heraus? Foto: Gemma Ferrando/imago

Berlin taz | Wer sind die Eltern? Aus biologischer und rechtlicher Sicht mag die Antwort klar sein, doch die Realität ist oft komplizierter. Ein Beispiel: Trennen sich die Eltern und haben beide neue Partner, kann das Kind plötzlich vier Elternteile haben. Auch in Patchwork- und Regenbogenfamilien übernehmen häufig andere Erwachsene elterliche Mitverantwortung, und bilden für Kinder einen emotionalen Anker.

Diese so genannten sozialen Eltern wollen die Grünen im Bundestag nun stärken. Denn obwohl solche Familienkonstellationen seit langem zunehmen – geschätzt leben hierzulande zwischen 7 und 13 Prozent der Kinder in Stief- oder Patchworkfamilien – kennt die Rechtslage soziale Eltern-Kind-Beziehungen nicht. Im Sorgerecht sind nur rechtliche Eltern vorgesehen.

Um diese Lücke zu schließen, fordert die Grünen-Fraktion die Bundesregierung in einem Antrag auf, die soziale Elternschaft rechtlich abzusichern. Trotz parlamentarischer Sommerpause hat die Fraktion den Antrag vor einigen Tagen eingereicht. Er liegt der taz vor, zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet.

Die zentrale Forderung: Auch Partner, die nicht mit dem Elternteil verheiratet oder verpartnert sind, oder andere enge Bezugspersonen für das Kind, sollen das so genannte kleine Sorgerecht beim Jugendamt beantragen dürfen. Dies sieht vor, dass ein Elternteil Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens treffen darf, etwa das Kind von der Schule abholen.

Arztbesuch? Schwierig

„Mehrelternkonstellationen sind gelebte Realität in Deutschland, gerade die rechtliche Rolle sozialer Eltern ist jedoch unsicher“, sagt Grünen-Familienpolitikerin Katja Dörner, die den Antrag maßgeblich mit ausgearbeitet hat, der taz. Das belaste Eltern wie Kinder. Schon der einfache Arztbesuch mit dem Kind werde zum Problem, „denn es ist nicht vorgesehen, dass soziale Eltern dort Entscheidungen treffen“, beklagt sie.

Bislang können Stiefeltern nur dann das kleine Sorgerecht beantragen, wenn sie mit dem sorgeberechtigten Elternteil verheiratet oder verpartnert sind. Dörner will dieses Recht auf nicht verheiratete Stiefeltern ausweiten. Von „bis zu zwei weiteren Erwachsenen, die für ein Kind tatsächliche Verantwortung übernehmen“, ist im Antrag die Rede. Gründen ein schwules und ein lesbisches Paar zusammen eine Familie, sollen die nicht leiblichen Elternteile ebenfalls das kleine Sorgerecht beantragen dürfen – und zwar schon vor der Geburt.

Zusätzlich soll das Sorgerecht durch eine „elterliche Mitverantwortung“, also weitere Befugnisse ergänzt werden, wie Reisen mit dem Kind ins Ausland oder die Vertretungsvollmacht bei Behörden. Zudem soll der Kinderfreibetrag auf den sozialen Elternteil übertragen werden – vorausgesetzt, dieser verhindert durch seine Zahlung, dass das Kind sozialbedürftig wird.

Union tut sich schwer

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag dürfte das Grünen-Konzept vorerst wenig Aussicht auf Umsetzung haben. Auch wenn aus anderen Fraktionen positive Signale kommen. So hält Katrin Helling-Plahr von der FDP die bessere rechtliche Absicherung sozialer Elternteile „im Grunde für richtig“, würde aber noch einen Schritt weiter gehen und die Mehrelternschaft einführen. Auch der SPD-Abgeordnete Sönke Rix plädiert grundsätzlich für eine Stärkung der sozialen Elternschaft.

Und die Union? Die tut sich traditionell schwer, was die Besserstellung alternativer Lebensmodelle betrifft, warnt dabei gern vor unbegrenzten Mehrelternschaften. Silke Launert, die Obfrau im Familienausschuss, will sich auf taz-Nachfrage denn auch nicht äußern. Ihr Fraktionskollege Jan-Marco Luczak räumt zwar ein, dass es für „vielfältige und bunte Familienkonstellationen“ rechtliche Lücken gebe, will auf den Grünen-Antrag aber nicht weiter eingehen.

Nach der Sommerpause soll der Antrag erst mal im Parlament diskutiert werden. Doch auch für die Zeit danach könnte der grüne Vorstoß noch interessant werden. Dann nämlich, wenn Union und Grüne nach der Bundestagswahl in gut einem Jahr einen Koalitionsvertrag aushandeln. Spätestens dann können Launert, Luczak und Co. Dörners Konzept nicht mehr ausweichen.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wie wäre es zuerst die prekäre Lage des Sorgerechts bei den leiblichen Eltern klarer zu Regel?



    Mit Einführung des gemeinsamen Sorgerechts bei der Geburt bei nicht verheirateten?



    Auch wäre es mal an der Zeit Umgänge und Wechselmodelle schneller und Unkomplizierter zu realisieren!



    Auch wäre eine Überarbeitung des Unterhaltsrechts lange überfällig und sollte an die Realität angepasst werden!



    Ein Stück nach dem anderen!



    Erstmal die Hausgemachten/ Gesetzlich und Richterlich provozierten Probleme der leiblichen Eltern regeln bevor man das nächste Problem angeht!



    Da sind noch einige EU-Vorgaben umzusetzen!



    Daher Idee nicht schlecht aber andere Dinge haben Vorrang und sollten zuerst bearbeitet werden!

  • " sollen das so genannte kleine Sorgerecht beim Jugendamt beantragen dürfen"

    klingt vernünftig. Warum sollte man etwas dagegen haben wenn Menschen Verantwortung übernehmen?

    • @danny schneider:

      Weil das - vor allem bei asymmetrischer Sorgerechtsausübung - den neuen Partner vor den getrennten Elternteil stellen kann, selbst wenn es sich bloß um eine vorübergehende Beziehung handelt. Das kann die beziehung zum leiblichen Elternteil schwerer schädigen, als es im Verhältnis zum Stiefelternteil nutzt.

      Es ist der alte Zank um den Wert der Ehe. NEL-Befürworter: Man braucht keinen Trauschein, um verlässlich zueiander zu stehen. Eheverfechter: Und wenn man das wirklich will und sich zutraut, warum dann KEIN Trauschein?

      Ansonsten haben Sie natürlich recht. ;-)

  • Ob grüne Gesellschaftsutopien immer dem Kindeswohl dienen sei mal dahingestellt...

    • @Argonaut:

      Es ist keine Utopie, sondern eine Reaktion auf seit Langem bestehende (und gründlich erforschte) Realität. Lesen Sie mal Arbeiten des Deutschen Jugendinstituts München.

      Dagegen werden überkommene Ideologien, die den Anschluss an die Realität langsam aber sicher verlieren, am Ende zur Utopie.