Streit über Nachlass von Museumschef: Brisante Sammlung auf Raumsuche

Als Linker hatte Direktor Alfred Dreckmann das konservative Museum für Bergedorf aufgemischt. Nun hat das Museum für dessen Nachlass keinen Platz.

Alfred Dreckmann hebt die geballte rechte Faust zum Gruß.

Kompromissloser Sozialist: Ex-Museumsdirektor Alfred Dreckmann Foto: Arne Andersen

HAMBURG taz | Er war ein überzeugter Linker. Kompromissloser Kämpfer für eine sozialistische Gesellschaft und bei der örtlichen Hautevolee als Radikaler verschrien.

Die Konfrontation suchte Alfred Dreckmann zweifellos, der 2020 mit 84 Jahren verstorbene Ex-Direktor des Museums für Bergedorf und die Vierlande, also den Hamburger Südosten: Nicht nur, dass der gelernte Lehrer zeitweilig in der DKP war und die Bergedorfer APO gründete: Er hat auch Bücher über Bergedorfs Industrie, die Arbeiterbewegung sowie über Widerstandskämpfer geschrieben; der Titel: „In Bergedorf war alles genauso. Der Kampf um die Weimarer Republik und Arbeiterwiderstand gegen den Faschismus“.

Es war im Zuge der „Lehrerschwemme“ der 1980er Jahre, dass Dreckmann 1986 ans Museum wechselte und 1988 dessen Direktor wurde. Dabei passte sein politisches Portfolio gar nicht zu dem gutbürgerlich-beschaulichen Heimatmuseum – das er dann auch konsequent aufmischte: mit Ausstellungen über Industriegeschichte, Bergedorf im Zweiten Weltkrieg, über Bergedorf in den 1950er-Jahren. Die museumseigenen „Schlosshefte“ widmeten sich unter anderem dem Schicksal von JüdInnen und ZwangsarbeiterInnen in der NS-Zeit. Der passionierte Sammler Dreckmann gründete das Museums­archiv, rief den unterstützenden Freundeskreis ins Leben.

Um Dreckmanns Nachlass tobt nun ein Streit. Denn besagter Freundeskreis hat auf Wunsch der Witwe beim Hamburger Senat 2.000 Euro „Traonc“-Mittel akquiriert, um den Nachlass – fünf Umzugskartons mit Aktenordnern – anzukaufen und dem Museum zu übergeben. Die Museums­chefin und das ihr vorgesetzte Bezirks­amt seien von Anfang an informiert gewesen, sagt Witwe Elke Dreckmann. Und die 2.000 Euro habe sie dem Museum für die Aufarbeitung spenden wollen.

SPD-Flugblätter und und eine SA-Mitgliederliste

Der Nachlass selbst sei formal und thematisch so spannend wie disparat, sagt der Historiker und Fotograf Arne Andersen, ein langjähriger Freund Alfred Dreckmanns. „Da finden sich Original-Flugblätter der SPD von vor 1914, eine Mitgliedskartei der SPD Lohbrügge von 1945 bis 1964. Dazu Originalausgaben der 1933 von den Nazis verbotenen SPD-Zeitung Bergedorf-Sander Volksblatt. Und schließlich eine teils maschinen-, teils handgeschriebene Liste aller Bergedorfer SA-Mitglieder, Hitlers Schlägertrupp. Das Dokument sei vermutlich einzigartig.

Obwohl noch nicht durch unabhängige WissenschaftlerInnen begutachtet, klingt das hochkarätig, und doch wollte die Witwe, dass der Nachlass an der einstigen Wirkungsstätte ihres Mannes blieb, im Bergedorfer Schloss. Aber dessen Chefin Schanett Riller und der Museumsbeirat wollten nicht: Riller habe den Nachlass anfangs als „irrelevant“ bezeichnet, und im Ablehnungsschreiben des Bezirksamts war die Rede von einer „suspekten“ Überschneidung des Nachlasses mit Museumsbeständen – so, als habe Dreckmann Dinge entwendet. Außerdem habe er das Archiv in seiner Arbeitszeit angelegt, es gehöre also ohnehin dem Museum.

Das ihn dann aber nicht haben wollte, weil Geld und Personal für Lagerung und Digitalisierung fehlten. „Frau Riller hat den Nachlass nach Monaten ganze 50 Minuten lang bei uns angesehen, aber die Ablehnung stand wohl schon vorher fest“, sagt Elke Dreckmann, die die Dokumente nun nicht mehr ins Bergedorfer Museum geben will.

Lösung in den nächsten Wochen

Alternative Orte könnten etwa das Hamburger Institut für Sozialforschung, die Forschungsstelle für Zeitgeschichte oder das Bonner Archiv der Sozialen Demokratie sein. Bergedorfs CDU indes hat in einem Antrag das Hamburger Staatsarchiv ins Gespräch gebracht. Dessen Personal ist aber chronisch überlastet – weshalb Bergedorfs SPD, FDP und Grüne wiederum beantragten, den Nachlass der Geschichtswerkstatt zu geben, dem „Geschichtskontor Bergedorf“. Elke Dreckmann ist überrascht: „Das will ich gar nicht, und mich hat auch niemand gefragt.“ Sie habe bereits Alternativen im Sinn, über die sie aber noch nicht sprechen wolle.

Das könnte sich in den nächsten Wochen klären: Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann stehe mit Frau Dreckmann in Kontakt und werde mit ihr besprechen, „wie der Wunsch der Familie, den Nachlass zu erhalten und insbesondere einer weiteren Auswertung zugänglich zu machen, bestmöglich entsprochen werden kann“, teilt das Bergedorfer Bezirksamt auf taz-Anfrage mit.

Elke Dreckmann ist erfreut: In diesem Gespräch, dessen Termin noch nicht feststehe, werde man sicher eine gute Lösung finden.

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