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Streit über Bahnprojekt "Stuttgart 21"Heiner Geißler soll vermitteln

Alles nur ein Missverständnis? Der Stuttgarter Ministerpräsident Mappus hat im Streit um "Stuttgart 21" Kommunikationsfehler eingeräumt - und einen Schlichter benannt.

In Stuttgart geht in diesen Tagen vieles in die Brüche. Bild: dpa

BERLIN/ STUTTGART dpa / dapd | Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler soll die Wogen im Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" glätten. Das kündigte der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) am Mittwoch im Stuttgarter Landtag an. Er betonte, Geißler genieße hohes Ansehen über die Parteigrenzen hinweg.

Mappus warb in einer Regierungserklärung für das Bahnprojekt und lehnte einen Baustopp ab. Es bedeute eine Chance für Baden-Württemberg, wenn der Sackbahnhof in einen modernen Durchgangsbahnhof umgewandelt und die Strecke Wendlingen-Ulm neu gebaut werde.

Den Gegnern des Vorhabens versicherte er, seine Hand bleibe "ausgestreckt zum Dialog". Er sei zuversichtlich, "dass es einen Weg zur Versöhnung gibt". Der Weg dorthin führe über einen unparteiischen Vermittler. Mit Geißler könne neues Vertrauen aufgebaut werden.

"Ich möchte eine Fülle von Vorschlägen machen, auch solche, wo ich mir sicher bin, das man sie nicht ablehnen kann", sagte Mappus am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Was wir brauchen, ist Ruhe und Vernunft und der Dialog", betonte der baden-württembergische Ministerpräsident. Bilder wie vom vergangenen Donnerstag mit weit mehr als 100 Verletzten bei Ausschreitungen dürften sich nicht wiederholen.

Weiter sagte Mappus, man müsse alles für eine Deeskalation tun. Zugleich hielt der Länderchef an Stuttgart 21 fest. "Es bedarf keines Strategiewechsels, sondern eines Dialoges." Er stimmte der Einschätzung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zu, wonach es schwere Kommunikationsfehler gegeben habe. "Wir müssen uns fragen, ob Großprojekte nicht anderes vermittelt werden müssen, das nehme ich gerne auf", sagte Mappus. Ramsauer hatte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gesagt, seit vielen Jahren sei Stuttgart 21 zu bürokratisch und verfahrenstechnisch abgelaufen.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Stuttgart 21 ist ein großes Projekt, das offensichtlich noch nicht ausreichend kommuniziert wurde. Manche Bürger fühlen sich und ihre Sorgen anscheinend nicht ernst genug genommen. Aber der Widerstand hat auch einen tieferen Grund."

Ein Baustopp kommt nach Angaben von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nicht in Frage. "Stuttgart 21 wurde mit demokratischen Mehrheiten beschlossen und von Gerichten bestätigt", sagte er der "Märkischen Allgemeinen". "Diese Entscheidungen kann man nicht einfach beiseite schieben - dies würde bedeuten, dass wir uns auf den gefährlichen Weg einer Stimmungsdemokratie begeben", sagte er. Jedoch müsse man friedliche Proteste "natürlich" ernst nehmen.

Es sei richtig, dass sich jetzt alle Seiten um einen Dialog bemühten. "Niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich solche gewalttätigen Auseinandersetzungen wie vor wenigen Tagen wiederholen", sagte Gröhe. Es gehe um ein "überaus wichtiges europäisches Projekt mit Wirkung weit über Stuttgart und Baden-Württemberg hinaus". Kanzlerin Angela Merkel und der Union gehe es darum, deutlich zu machen, dass die Politik den Mut zu wichtigen Weichenstellungen brauche, auch wenn es Widerstände dagegen gebe.

Der Innenausschuss des Bundestags beschäftigt sich seit Mittwochmorgen mit der Eskalation bei den Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21. Nachdem eine Sondersitzung des Ausschusses am Freitag nicht viel gebracht hatte, erhofft sich die Opposition nun Aufklärung über den Polizeieinsatz. Die Polizei war am Donnerstag vergangener Woche mit Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen die Fällung alter Bäume protestierten.

Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte den Polizeieinsatz verteidigt. Auch die Polizeiführung gab den Demonstranten die Schuld an dem Gewaltausbruch mit hunderten Verletzten. Der "massive Widerstand" der Projektgegner habe erst dazu geführt, dass die Polizei Pfefferspray, Wasserwerfer und Schlagstöcke habe einsetzen müssen.

Stuttgart 21 sieht den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm vor.

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12 Kommentare

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    kritischer Beobachter

    lol (lough out loud)

    was will denn Hr.Geissler vermitteln als alibi-Mann?

    kennt wer das Sprichwort: wer einmal lügt dem glaubt

    man nicht??? ich finde die entwicklung des protest-

    eskalationsplans der verantwortlichen einfach nur noch lächerlich!wie oft wird dem bürger eigentlich noch gesagt das ist nicht schwarz es ist pink!ich kann Drohbriefe nicht für gut befinden!aber noch schlimmer finde ich das die protestler welche das gemacht haben

    noch weisses pulver reingetan haben!bitte lasst das weil die vermutung nahe liegt, dass sie es schnupfen!

    nach den ganzen absurden aussagen der betreffenden

    "Volksvertreter" 8) ich glaube nur noch 1ns :die verantwortlichen haben eh kein bock mehr politik zu machen wollen sich mit einem "goldenen handschlag" verabschieden und in die zuvor unterstützte wirtschaft flüchten ^^ what a dirty shame

  • SB
    Sabine Bauer

    So gut Geißler auch sein mag, eine Schlichtung ist der falsche Weg. Baustopp und dann eine massive Bürgerbeteiligung: http://bit.ly/92budK

  • J
    Jakobinerin

    Wer kann mir erklären, dass jeweilige Regierungen glauben, der versammelte Sachverstand wäre ausschließlich bei ihrer Partei zu finden?

  • F
    fuesie

    Das Projekt ist doch längst entschieden. Wenn die Landesregierung nun einen Schlichter vorschlägt, ist das reine Augenwischerei und Leute-verdummung!

     

    http://zeckenfussel.blogspot.com/

  • V
    vic

    Ich hoffe, Geißler gibt sich dafür nicht her.

    Es gibt nichts mehr zu vermitteln wenn Mappus jede sinnvolle Maßnahme kategorisch ausschließt.

    Nach Mappus kann der Bürger mitreden, in welcher Farbe die Burgerbude im neuen Bahnhof lackiert wird. Die Lizenzen sind leider längst verdealt.

    Ein Blödsinn jagt den anderen.

    " Möget ihr in interessanten Zeiten leben "

    Immerhin, wir haben was zu erzählen.

     

    PS. Durch Rechs "Sprühnebel" Wasserwerfer-Einsatz wurden u.A dem Rentner Dietrich Wagner die Augen zerschossen. Der Mann wird vermutlich nie wieder sehen können (siehe SZ von heute).

    Für mich sind das Terroristen, gegen die man sich nicht verteidigen darf.

  • H
    Hurzzz

    Realität erfolgreich umgedeutet, das Ministerium für Wahrheit hat es wiedermal geschafft!

  • E
    Erbsto

    Es ist unverhälltnismäsig was der Ministerpüräsident von einen Untertanen verlang.Erst werden Frauen, Kinder und alte Menschen gedemütig, geschlagen mit Pfefferspray angegriffen mit wasserwerfer beschossen dann wird auch noch eine scheinheilig klingender teil- baustopp angeboten.

    Das alles dient dazu die Mneschen zu demütigen und den Wiederstand zu brechen.Die Herrschenden haben eines nicht verstanden:

    Der Wiederstand, das sind keine Autonome die ohnehin schon von allen in der Bevölkerung gemieden werden,nein, der Wiederstand das ist das volk.All die jenigen die am Schloßpark letzten Donnerstag getrotzt haben verdienen unsere Bewunderung, respekt und Solidarität, denn sie haben Gesichte geschrieben,wie die einst gloreiche deutsche Arbeiterbewegung anfang des 19. Jhd.

     

    Für mich sind sie alle Helden die am Bohnhof stehen und demonstrieren

  • R
    reblek

    "Ich möchte eine Fülle von Vorschlägen machen, auch solche, wo ich mir sicher bin, das man sie nicht ablehnen kann", sagte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Was wir brauchen, ist Ruhe und Vernunft und der Dialog", sagte Mappus. - Spricht Mappus so? "wo" statt "bei denen". Und er hat sicher "dass" gesagt. Und nicht eher "Was wir brauchen, sind..."?

    "Niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich solche gewalttätigen Auseinandersetzungen wie vor wenigen Tagen wiederholen", sagte Gröhe. - Interessant: Wenn die Polizei Leute zusammenprügelt, sind das "Auseinandersetzungen".

    Rette sich, wer kann, vor solchen Sprachakrobaten.

  • N
    NochEiner

    Wie wäre es mit einem etwas modifizierten Endabschnitt dieser Artikel:

     

    Stuttgart 21 sieht den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation vor, um innerstädtisch Flächen zur Vermarktung zu gewinnen.

    Die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm wird als ein Teil dieses Projektes kommuniziert, wäre aber auch ohne S21 möglich.

     

    Grüsse

  • M
    My_Name

    Das Dümmste, das man nun machen kann, ist einen Politiker als Schlichter einsetzen zu wollen, der der CDU angehört(e). Ich behaupte, er ist befangen und somit ungeeignet. Dadurch, dass er in der CDU ist, ist er - in dieser Sache - erpressbar.

    Dieser Schlichter hat obendrein nicht die Aufgabe, das Projekt als Ganzes infrage zu stellen, sondern (für die FDP) die tollen Argumente zu unterstreichen. Also ist das Wort "Schlichter" irreführend. "Missionar" trifft es eher, wobei dieses Wort positiven Ursprungs ist.

    Die neue Taktik der Politik in BaWü ist es, die Wogen zu glätten, damit sich die Chancen erhöhen, im nächsten Jahr weiterhin an der Macht zu bleiben, und dann die folgenden Jahre mehr oder weniger gelassen das Projekt durchziehen zu können. Scheinbar hat die CDU Angst bekommen, dass sie tatsächlich abgewählt werden könne.

    Es ist eine Heuchelei, was die Politiker nun an den Tag legen. Alle Zeitungen titelten "Stuttgart21 Baustopp" - aber der war sowieso geplant, und ist kein Zugeständnis der Regierung. Abgerissen wird der Südflügel im nächsten Jahr, so ist es geplant. Ich erwarte weitere Zugeständnisse, die keine sind, bis nächstes Jahr im März.

    Hoffentlich vergisst das Volk nicht, und wählt diese Regierung ab. Wenn man sich wegen Politikern schämen muss, ist es an der Zeit, etwas zu ändern.

  • MS
    Marcel S.

    also ein schlichter sollte eine neutrale Person sein jemanden aus den eigenen reihen zubennen halte ich für wenig objektiv. Deeskalierent wäre ein rücktritt von mappus, den ein komunikations problem ist es nicht die zu diesen auschreitungen geführt haben viel mehr fehl entscheidungen und falsche überzeugungen führten zu diesem gewalt akt gegen die Demonstranten.

     

    m.s.

  • K
    Kati

    Kommunikatiosfehler. Hi, hi, hi. Da hält uns einer für doof. Wie die SPD. Die meint/e ja auch stets, wir haben Hartz 4 den Menschen nur schlecht kommuniziert. Wie die 'Integrationspolitik', deren Hinterfragen als "...phobie" diffamiert wird. Nein, nein. Die Menschen verstehen eure Projekte durchaus. Sie wollen sie nur nicht.