Streit mit Vermieter Meravis: Rollstuhlfahrerin droht Rauswurf
Schimmel in der Wohnung, undichte Fenster: Weil Claudia S. diese Mängel nicht hinnehmen wollte und die Miete kürzte, droht ihr nun die Räumung.
2017 hatte sie ihren Vermieter erstmals wegen der Mängel kontaktiert. Es ging um Schimmel in der Wohnung, undichte Fenster und Balkontüren und um Lärmbelästigung. „Meravis hat das alles nicht sonderlich interessiert“, sagt sie. Nach Ankündigung und mit Rücksprache ihres Anwalts minderte sie daraufhin ihre Miete. Wieder gab es eine Zeit lang keine Rückmeldung von ihrem Vermieter – bis eines Tages eine Klage inklusive der Kündigung in ihrem Briefkasten lag.
Im Frühjahr 2019 landete der Fall vor Gericht. Ihr Anwalt Ulrich Birke ist noch heute fassungslos über das Verfahren. „Es ist mir völlig unverständlich, warum der Richter meinem Antrag auf Einschaltung eines Sachverständigen nicht stattgegeben hat“, sagt Birke. Statt einen Experten zurate zu ziehen, habe der Richter beschlossen, sich selbst ein Bild von der Wohnung zu machen. „Er hat sich das oberflächlich angeschaut, ist nicht auf die Hinweise meiner Mandantin eingegangen und hat daraus geurteilt, dass es keinen Schimmel gäbe“, sagt Birke.
Meravis behob einen Schaden
Die undichte Balkontür habe Meravis kurz vor dem Besuch des Richters erneuert. Das Absurde: Zwar war die Tür nun dicht, allerdings nicht mehr rollstuhlgerecht. Auch dies habe der Richter als nicht problematisch angesehen.
„Selbst geringster Schimmel ist für mich gefährlich“, sagt sie. Sie selbst sei im Laufe der 16 Jahre, die sie in der Wohnung wohne, Allergikerin geworden. Auch ihr 24-jähriger Sohn habe Asthma bekommen. „Aber es ist natürlich nicht nachweisbar, dass es durch den Schimmel verursacht wurde“, sagt S.
Ihr Sohn wohnt mittlerweile nicht mehr bei ihr, aus Sorge vor einer weiteren Verschlechterung der Gesundheit.
Der Teil des in den 50er- und 60er-Jahren hochgezogenen Wohnblocks, in dem S. lebt, wurde vor etwa 30 Jahren mit staatlichen Mitteln so saniert, dass die Wohnungen behindertengerecht sind. Offenbar wäre mittlerweile eine Erneuerung fällig: Gegenüber der taz berichten weitere ehemalige und aktuelle Mieter*innen von Schimmelbefall und davon, dass Meravis auf diese Missstände nicht oder nur zögerlich reagiere.
Ulrich Birke, Rechtsanwalt
„Meine Wohnung war eine Bruchbude – verschimmelt bis oben hin“, sagt eine ehemalige Mieterin, die im selben Block gelebt hat. Weil ihre Kinder ständig krank geworden seien, sei sie ausgezogen. Auch ein aktueller Mieter sagt gegenüber der taz, dass er aus denselben Gründen schnellstmöglich ausziehen wolle und nach einer Wohnung suche.
Meravis vermietet rund 12.000 Wohnungen vor allem in Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Ein hoher Anteil dieser Wohnungen ist alten- und behindertengerecht. Das Unternehmen streitet auf Nachfrage alle Vorwürfe zu den Wohnungsmängeln ab. Zudem habe das Gericht die Einschätzung von Meravis bestätigt. „In solchen Situationen und Fällen gibt es für uns keine einfachen Entscheidungen, aber da es kein Entgegenkommen der Mieterin gab, haben wir uns für diesen Weg entschieden“, sagt Meravis-Sprecher Jörg Schreiber.
Rosstuhlgerechte Wohnungen sind rar
Da auch die Berufung von S. abgelehnt wurde, erhielt sie nun den Räumungstitel. „Wir haben Antrag auf Vollstreckungsschutz eingereicht. Wenn dem nicht stattgegeben wird, dann wird es dramatisch“, sagt Anwalt Birke. Beim Wohnungsnotamt habe man S. bislang nicht helfen können, eine rollstuhlgerechte Wohnung zu finden. „Um es klar zu sagen: Wenn meine Mandantin auf die Straße gerollt wird, dann besteht Lebensgefahr“, sagt Birke.
Laut Axel Bosse vom Hamburger Mieterverein sei Meravis zwar im Vergleich zu anderen Wohnungsgesellschaften nicht als sonderlich schlechter Vermieter bekannt, sie zeige sich aber auch selten kulant. „Es ist eine Hausverwaltung, die durchgreift“, sagt Bosse. Auch in Hamburg ist Meravis in der Vergangenheit schon negativ aufgefallen, weil sie in einem Neubau 60 Prozent der Wohnungen als Eigentumswohnungen verkaufen wollte, statt günstigen Mietraum zu schaffen.
Der Mieterverein hofft, dass sich die Immobiliengesellschaft angesichts der dramatischen Lage noch einmal bewegt. „Ich traue der Meravis auch zu, dass man einen Weg findet, zumindest eine Verlängerung zu ermöglichen, bis eine neue Wohnung gefunden wurde“, sagt Bosse. Die Meravis habe auch deshalb eine soziale Verantwortung, da sie ein 100-prozentiges Tochterunternehmen des SoVD sei, dessen Aufgabe auch die Interessenvertretung von pflegebedürftigen und behinderten Menschen in Deutschland ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?