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Streit mit Verleger HoltzbrinckSteingart verlässt das „Handelsblatt“

Der Herausgeber und frühere Chefredakteur des „Handelsblatts“ Gabor Steingart geht. Er habe die Geduld des Verlegers oft überstrapaziert, räumt er ein.

„Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen“: Steingart und sein Verleger waren sich sehr uneinig Foto: dpa

Düsseldorf dpa | Nach seiner scharfen Kritik an Noch-SPD-Parteichef Martin Schulz verlässt Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart die Wirtschaftszeitung. Handelsblatt-Verleger Dieter von Holtzbrinck hat sich mit dem 55-Jährigen darauf verständigt, die „berufliche Partnerschaft“ zu beenden, teilte die DvH Medien GmbH am Freitag in Stuttgart mit. Von Holtzbrinck ist Haupteigner der Handelsblatt Media Group. Zuvor hatte bereits der Spiegel über den möglichen Abgang des Herausgebers berichtet.

In einer Mitteilung spricht die Dvh Medien GmbH von „Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen“ und einer „unterschiedliche Beurteilung journalistischer Standards“ in einem Einzelfall. Eine „andere Form der Zusammenarbeit“ schließen Steingart und die DvH Medien nicht aus.

Steingart hatte in seinem täglichen und meinungsstarken Newsletter „Morning Briefing“ am Mittwochmorgen die Personalpolitik an der Spitze der SPD missbilligt. Unter der Überschrift „Der perfekte Mord“ hatte er geschrieben, Schulz wolle den scheidenden Außenminister Sigmar Gabriel „zur Strecke bringen“, um selbst Außenminister zu werden.

Holtzbrinck hatte den damaligen Chefredakteur Steingart 2013 unter anderem zum Miteigner der „Handelsblatt“-Gruppe gemacht, die zur Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH gehört. Vor allem bei der Gestaltung des „Handelsblatts“ und seiner zunehmend digitalen Ausrichtung hatte der gebürtige Berliner bis zuletzt große Freiheit erhalten und die Zeitung auf die Erfolgsspur gebracht.

„Multitalent“ Steingart

Steingart war Herausgeber, Geschäftsführer und Miteigentümer der Handelsblatt Media Group (Wirtschaftswoche), er hat außerdem mehr als ein halbes Dutzend Bücher geschrieben. Nach „Deutschland – der Abstieg eines Superstars“ 2004 wurde er zum „Wirtschaftsjournalist des Jahres“ gewählt.

Von Holtzbrinck würdigte ihn in der Mitteilung als „Multitalent“. Er habe das Handelsblatt und auch die Gruppe auf großartige Weise weiterentwickelt und erneuert. „Dabei hat sich der preisgekrönte und breit gebildete Publizist als äußerst kreativer und dynamischer Unternehmensstratege gezeigt, als mutiger und charismatischer Führer.“

Steingart lobte, von Holtzbrinck sei „ein wunderbarer Mensch und erfahrener Verleger, dessen Geduld ich über so viele Jahre nicht nur strapaziert, sondern oft genug auch überstrapaziert habe“. Ein „Morning Briefing“ des Handelsblattes wird nach DvH Medien-Angaben weiter wie gewohnt erscheinen. Steingart behält als Eigentümer allerdings sein eigenes „Briefing“, das nach seinen Angaben mittlerweile rund 700.000 Abonnenten zählt.

Der Journalist war 2010 vom Spiegel zu dem Düsseldorfer Blatt gewechselt. Beim Hamburger Nachrichtenmagazin war er bereits mit 32 Jahren Leiter des Wirtschaftsressorts und sechs Jahre später Leiter des Berliner Hauptstadtbüros, außerdem Büroleiter des Spiegel in Washington.

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3 Kommentare

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  • Und die Ironie dabei ist, dass Herr Steingart Recht hatte, auch wenn Herr Schulz letztendlich doch so schnell umgefallen ist, dass er in seinen eigenen Dolch fiel.

     

    Aber wie sagte Douglas Adams schon so treffend, dass was die Leute am wenigsten mögen sind Klugscheisser.

  • Offenbar ist von Holtzbrinck der Politiker Schulz wichtig. Und Steingart ist mit seinen Artikeln gegen die Spannungspolitik und für bessere deutsch-russische Beziehungen ein Außenseiter in der Holtzbrinck-Gruppe. Er war nicht ausreichend linientreu. Ist das auch hier ein Tabu? Transatlantiker - die Reihen fest geschlossen?

  • Aber Teile der SPD haben es wohl ähnlich gesehen und Schulz abgeschossen. Den Mann wegen seinem, wie ich finde zutreffenden Newsletter rauszuschmeißen, halte ich aufgrund der aktuellen Ereignisse für etwas verfrüht...