Streit im Front National: Couscous statt Sauerkraut
Ein Restaurantbesuch des Vize des Front National regt dessen parteiinterne Gegner auf. Es geht um mehr als Hartweizengrieß und Kichererbsen.
Schon die Erwähnung des klassischen Gerichts aus Nordafrika reichte, um in FN-Kreisen eine antiarabische Allergie zu provozieren. In den Augen der internen Kritiker hätte Parteivize Philippot im Elsass Sauerkraut statt Couscous bestellen müssen, protestierten sie.
Ausgerechnet die Nummer zwei des FN, die nach den Wahlen einen politischen Klub namens Les Patriotes gegründet hatte, mache so Reklame für fremde Kost. Unter dem Hashtag #couscousgate wurde die Polemik zu einem Schlagabtausch über die politische Verträglichkeit des Mahls aus Hartweizengrieß und Kichererbsen.
Dass sich gewisse Parteifreunde oder -freundinnen über seinen vermeintlichen politisch inkorrekten Appetit aufregen konnten, nahm Philippot zunächst gelassen. Er riet ihnen, sie sollten selber mal ein Couscous kosten, statt zu meckern. Er rief ihnen in Erinnerung, dass diese Rezept von den Pieds-noirs, den europäischen Algerienfranzosen, die vom FN stets verteidigt worden seien, nach der Unabhängigkeit ins französische Mutterland importiert worden sei. Allein schon darum könne nichts daran anstößig sein.
EU-Austritt als Ziel
Doch die Anfechtungen gingen weiter und Philippot riss der Geduldsfaden: „Wer sich von Fotos mit Couscous provozieren lässt, ist ein Dummkopf.“
Hinter den kulinarischen Meinungsverschiedenheiten verbergen sich viel ernsthaftere Spannungen innerhalb des FN. Viele haben es nicht verdaut, dass ihre Kandidatin Marine Le Pen, die nicht ohne Erfolgsaussichten für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen qualifiziert war, in der Fernsehdebatte mit Emmanuel Macron so schwach war und auch ihr eigenes Lager enttäuscht hat.
Verantwortlich dafür machen sie weniger die Parteichefin, sondern ihren engsten Berater: Philippot. Seine Gegner kritisieren vor allem Philippots „souveränistische“ Strategie, die auf einen Austritt aus der EU und dem Euro abzielt.
Philippot, den man seit dem Sommer nicht mehr an ihrer Seite gesehen hat, ist von Marine Le Pen via Medien aufgefordert worden, seine Position in der Partei zu „klären“. Er sagte dazu, falls der FN auf den EU-Austritt als Ziel verzichte, sehe er für sich darin keine Zukunft. Ein Rücktritt als Vorsitzender der Bewegung Les Patriotes komme nicht infrage, schon gar nicht wegen eines „Couscousgates“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“