Streit im Abgeordnetenhaus: Opposition will früher abschieben
Hätte mit einer schnelleren Abschiebung der Mord im Tiergarten verhindert werden können? Darüber streitet der Innenausschuss im Berliner Landesparlament.
Die Stimmung im Innenausschuss ist gereizt. Punkt zwei auf der Tagesordnung: Umgang mit ausreisepflichtigen Straftätern. Allen voran ist es der innenpolitische Sprecher der CDU, Burkard Dregger, der treibt. CDU, AfD und FDP unterstellen dem rot-rot-grünen Senat, nicht genug Abschiebungen vorzunehmen. Der Mord an der 60-jährigen Susanne F. im Tiergarten dient ihnen als Beispiel.
Die Kunsthistorikerin war Anfang September gegen 22 Uhr im Tiergarten auf dem Weg vom Schleusenkrug zur U-Bahn-Haltestelle getötet worden. Der Fall hatte großes Aufsehen und Betroffenheit ausgelöst. „Jeder kennt diesen Weg“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, am Montag. Der Tatverdächtige, ein 18-jähriger Russe, hatte unter den Obdachlosen im Tiergarten gelebt. Seither wird dort „aufgeräumt“. Dass die Opposition über den Fall diskutieren will, hat aber mit der Vorgeschichte von Ilyas A. zu tun. Der Mann, inzwischen in Untersuchungshaft, war schon vorher justizbekannt.
Wie der Innensenator am Montag berichtete, war A. im Herbst 2014 allein nach Berlin eingereist, nachdem er zuvor mit seiner Familie nach Polen abgeschoben worden war. Nach Polen sollte der damals Minderjährige eigentlich auch zurückgeführt werden. Grundlage dafür war das Dublin-Abkommen. Doch dann wurde A. in Berlin straffällig und kam am 1. Juli 2016 in Untersuchungshaft.
Drei Raubüberfälle
Drei Raubüberfalle – die Opfer sollen hochbetagte Rentnerinnen gewesen sein – brachten ihm eine eineinhalbjährige Jugendstrafe ein. Im Dezember 2016 wurde der Minderjährige aus der Haft entlassen. Die Abschiebung in die Russische Föderation sei daran gescheitert, dass eine kindgerechte Inobhutnahme durch die russische Seite nicht gewährleistet gewesen sei, so Geisel. Am 10. August 2017 wurde A. volljährig. Die Inobhutnahme war damit obsolet.
Doch diesmal scheiterte die Abschiebung Geisel zufolge zunächst daran, dass A.s Betreuer einen Rechtsschutzantrag beim Verwaltungsgericht stellte, dann, weil A. in Parks lebte und sein Aufenthaltsort unbekannt war. Erst am 4. September, einen Tag vor der Tat, sei der Ausländerbehörde sein Bewohnerausweis für eine Notunterkunft vorgelegt worden. Eine Sofort-Einzelabschiebung sei aber nicht möglich gewesen, weil dazu eine Sicherheitsbegleitung der Bundespolizei erforderlich gewesen wäre. Das erfordere einen Vorlauf von vier Wochen. Die Alternative wäre ein „Sammelcharter“ in die Russische Föderation gewesen. Doch der sei zwischen dem 10. August und dem 5. September nicht durchgeführt worden.
Nicht auf Verdacht einsperren
CDU-Mann Dregger war der Meinung, A. hätte schon drei Monate vor seiner Volljährigkeit in Abschiebehaft genommen werden müssen. Geisel weist das zurück: „Menschen auf Verdacht einsperren?“ Damit, so der Innensenator direkt an Dregger gewandt, „spielen Sie Rechtspopulisten in die Hände“. Im Übrigen könne man Berlin nicht nachsagen, in Sachen Abschiebungen untätig zu sein.
2017 seien bereits 1.500 Menschen abgeschoben worden. Im bundesweiten Ranking liege Berlin damit auf dem 5. Platz. Täter, die Gewaltdelikte begangen haben, würden konsequent abgeschoben. „Aber selbstverständlich handelt Berlin rechtsstaatlich.“
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