Streiks in Frankreich: Überrumpelter Macron
Wie aus heiterem Himmel scheint Frankreichs Präsident von den Streiks erwischt worden zu sein. Die Solidarität mit den Gewerkschaften ist groß.
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A uch wenn die Inflation in Frankreich weniger zunimmt als in den meisten Nachbarländern, musste man damit rechnen, dass die Arbeitnehmer*innen den Kaufkraftverlust nicht ohne Murren hinnehmen würden. Schon zu Beginn des Sommers zeichnete sich ein „heißer Herbst“ mit sozialen Protesten ab. Trotzdem wirkt die Staatsführung in der gegenwärtigen Krise, die ausgehend von Streiks in den Erdölraffinerien zu einem Generalstreik und in eine politische Krise zu eskalieren droht, komplett überrumpelt.
Präsident Emmanuel Macron glaubte, mit der Verbilligung des KfZ-Treibstoffs um 30 Cent und einer finanziellen Unterstützung für die mit gestiegenen Heizkosten kämpfenden Familien könne er den erwartbaren Ausbruch der Wut vermeiden. Auch dachte er wohl, dass die Gewerkschaften viel zu schwach seien, um ihm ernsthaft Schwierigkeiten zu bereiten.
Die Versorgung mit Benzin und Diesel aber bleibt für ein durchmotorisiertes Land wie Frankreich eine Achillesferse. Das haben ihm die Total- und Esso-Exxon-Arbeiter mit ihren Streiks und Blockaden vorgeführt. Mit dem noch anhaltenden Treibstoffmangel kommt der Alltag vieler Bürger*innen durcheinander.
Franzosen und Französinnen lasten das weniger den Streikenden an, deren Forderungen sie angesichts der „Superprofite“ von Total und anderen für legitim halten. Vielmehr richtet sich die Kritik gegen die Staatsführung, die ganz offensichtlich überrascht wurde und nichts mehr im Griff hat. Nichts aber ärgert hier die Bürger*innen mehr als eine Staatsmacht, die ihnen in der Krise sagt „Débrouillez-vous!“ („Schaut selber, wie ihr jetzt aus dem Schlamassel kommt!“).
All das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass die Gewerkschaften oder die politische Linke gestärkt aus diesem Konflikt hervorgehen. Fest steht, dass sie den Kampf für den Teuerungsausgleich und einen fairen Anteil an Unternehmensgewinnen nicht der Demagogie der extremen Rechten überlassen können, die sich aktuell ebenfalls zum Sprachrohr der „Zukurzgekommenen“ machen will.
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