Streik bei „Gorillas“: Sie sollen nicht durchkommen

Beim Lieferdienst Gorillas streiken mehrere „Warehouse“-Belegschaften. Die Mobilisierung scheint breiter zu sein als bei letzten Arbeitskämpfen.

Poster mit Comic-Gorilla und Spruch "Bonus my ass"

Boni gibt es bei Gorillas, zufrieden sind damit nicht viele Foto: C. Prößer

BERLIN taz | Handgemalte Transparente sind mit silbernem Klebeband an der Fassade des schicken Neubaus am Platz der Luftbrücke befestigt: „No pasarán“ steht da in großen Lettern, „Bu işyerinde grev var“ – „Sie werden nicht durchkommen“ und „Dieser Arbeitsplatz wird bestreikt“. Außerdem fünf Forderungen auf Englisch, gerichtet an die Geschäftsführung des Lieferdienstes Gorillas: Faire Bezahlung, ausreichende Besetzung der Schichten und mehr Arbeitssicherheit gehören dazu.

Seit vergangenem Freitag streikt die Belegschaft des Gorillas-„Warehouse“, wo sonst um die 50 „Picker“ und „Rider“ hastig Lebensmittel aus Regalen in Tüten packen, um sie innerhalb von 10 Minuten bei den Bestellenden rund um den Bergmannkiez abzuliefern. Die Arbeitsbedingungen bei Gorillas werden von den Angestellten als prekär beschrieben, das Unternehmen verkauft sich selbst als smartes Start-up, das das urbane Leben erleichtern soll.

Am Montagmittag steht ein gutes Dutzend junger Menschen vor den Lagerräumen und beratschlagt – immer auf Englisch –, wie es weitergeht. Die Streikenden wollen sich aufteilen, sodass eine Delegation die KollegInnen in Schöneberg und Gesundbrunnen besuchen kann, wo die Arbeit auch niedergelegt wurde. „Die Geschäftsführung wird nicht noch mal kommen“, meint einer, „die werden versuchen, uns zu ignorieren, und warten, dass wir aufgeben.“

Am Freitag hatten zwei Mitglieder der Geschäftsführung nach Angaben der Streikenden versucht, sich in die Filiale zu mogeln. „Sie hatten sich als ‚Rider‘ verkleidet und wollten uns Aussagen entlocken, die sie gegen uns verwenden könnten“, sagt Fahrerin Duygu. „Allerdings waren sie miserable Schauspieler, und als klar wurde, was los war, haben sie uns extrem unfreundlich behandelt.“ Das Ganze sei eine klare Botschaft gewesen: „Wir sind da, um euch zu schikanieren.“

Duygu berichtet von unvollständigen Lohnzahlungen. Von Schichten, die per App ermittelt werden und nicht auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingingen, von denen viele studieren, und teilweise sogar die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten zwischen zwei Einsätzen unterschritten. Von Unfällen und Beinahe-Unfällen auf den Fahrrädern, die von einem anderen Unternehmen gemietet sind und nicht ausreichend gewartet werden.

„Wir sind die neuen Gastarbeiter“

„Wir sind doch keine Maschinen“, sagt sie. „Dieser Umgang verletzt unsere Menschenwürde. Ich sage immer: Wir sind die neuen Gastarbeiter.“ Proteste hatte es schon letzten Winter gegeben und dann wieder im Sommer, aus Solidarität mit einem entlassenen Fahrer. Auch am Samstag gab es eine Entlassung im Bergmannkiez, diesmal traf es Danny.

Der Mann aus Indien steht ebenfalls vor dem Lager. „Sie haben behauptet, ich hätte mich nicht rechtzeitig krankgemeldet“, berichtet er, „aber das stimmt nicht.“ Mit einem Anruf und der Löschung aus der internen App war es getan – als Mitarbeiter in der Probezeit sind da die Möglichkeiten, sich zu wehren, normalerweise begrenzt.

Das soll sich nun ändern, wenn es nach Duygu und den anderen geht: „Diesmal steht die ganze Warehouse-Belegschaft hinter dem Anliegen, auch wenn ein paar sich noch nicht trauen, aktiv mitzustreiken.“ Neu sei außerdem: Die auch durch Sprachbarrieren getrennten Gruppen – aus Lateinamerika, Südasien oder der Türkei – zögen an einem Strang.

Anlass für die nach formalen Gesichtspunkten „wilden“ Streiks sind auch Überleitungsverträge, die nach einem Bericht der Zeitung junge welt an zwei Drittel der Beschäftigten versandt wurden. Sie sollen ab Oktober in einem Tochterunternehmen beschäftigt sein. Das wird als Versuch bewertet, die Wahl eines Betriebsrats zu torpedieren.

Von der Gorillas-Geschäftsführung bekam die taz auf Anfrage bis Redaktionsschluss keine Antwort. Das Unternehmen befindet sich in einem erbitterten Kampf um Marktanteile mit mehreren Bewerbern: flink, getir, Foodpanda und Ubereats, auch Lieferando und Wolt, die bislang nur Speisen aus Restaurants liefern, wollen in dieses Geschäft einsteigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.