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Strategie der EU-KommissionGeld verdienen mit Gesundheitsdaten

Die EU-Kommission will einen europäischen Binnenmarkt für Daten schaffen. In Sachen Privatsphäre ist dabei aber noch vieles ungeklärt.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Mittwoch in Brüssel Foto: Stephanie Lecocq/reuters

Brüssel taz | Die EU-Kommission will die Marktmacht von US-Konzernen wie Google, Amazon & Co brechen und einen europäischen Binnenmarkt für Daten schaffen. Dort sollen künftig nicht nur Industriedaten etwa aus dem Energie- oder Transportsektor, sondern auch Gesundheitsdaten und private „Datenspenden“ genutzt werden können. Das kündigte Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Mittwoch in Brüssel an.

„Unsere neue Verordnung wird dazu beitragen, dass Europa zum weltweit führenden Datenkontinent wird“ sagte Breton, der vor seinem Wechsel nach Brüssel beim französischen IT-Unternehmen Atos tätig war. Es gehe darum, den ungenutzten Datenschatz zu heben und ihn mithilfe von „neutralen Datenbrokern“ für Forschung und Entwicklung, aber auch für eine kommerzielle Nutzung zugänglich zu machen.

Seine dänische Kollegin Margrethe Vestager fügte hinzu: „Sie müssen nicht alle Daten teilen. Aber wenn Sie Daten teilen und diese sensibel sind, sollten Sie die Möglichkeit haben, dies in einer Weise zu tun, in der die Vertrauenswürdigkeit und der Schutz der Daten gewährleistet werden.“ Die Verordnung ziele vor allem darauf, Vertrauen zu schaffen und mögliche Vorbehalte auszuräumen.

Der Vorschlag baut auf einer Strategie auf, die die EU-Kommission bereits im Februar vorgelegt hatte. Damals hatte die Brüsseler Behörde neun „Datenräume“ vorgeschlagen, die Themen wie Fertigung, Energie und Gesundheit oder den Klimaschutz umfassen könnten. Die Verordnung passt aber auch zu Plänen der Bundesregierung in Berlin, eine staatliche Sammlung von Gesundheitsdaten anzulegen.

Dort könnten die Bürgerinnen und Bürger Daten freiwillig zur Verfügung stellen, schrieb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Oktober in einem gemeinsamen Gastbeitrag mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Analyse großer Datenmengen könne neue Vorsorge- und Behandlungs­methoden vorantreiben. „Nützen diese den Menschen, lässt sich damit dann auch Geld verdienen“, warb Spahn für sein umstrittenes Vorhaben.

Ungehinderter Datenfluss um die ganze Welt

Der Datenschutz soll dabei gewahrt werden, heißt es in Brüssel. „Unser Vorschlag ist voll kompatibel mit der Datenschutzgrundverordnung“, beteuert Breton. Allerdings will der Franzose auch „eine Brücke bauen, damit Daten ungehindert fließen können – um die ganze Welt“.

Im Europaparlament wurde der Vorstoß skeptisch aufgenommen. Der „Data Governance Act“ dürfe nicht dazu führen, dass der Datenschutz unterlaufen wird, so der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Dass die Kommission nun „Daten-Altruismus“ empfehle, um das Teilen personenbezogener Daten zu erleichtern, überzeuge ihn nicht, sagte der IT-Experte.

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4 Kommentare

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  • Ach, übrigens, Atos [1].

    Wird in einem Nebensatz erwähnt. Das ist einer der grossen EU Cloud-Anbietern. Somit bekommen wir einen hochrangigen Lobbyisten direkt in die Kommission implantiert. Danke aber auch.

    Und mit Gesundheitssystemen kennt sich Atos bereits aus:

    "In the United Kingdom, from 1998 to 2015, Atos Healthcare was at the centre of a controversy over the management of contracts by their healthcare division of the Work Capability Assessment [...]" (auch im verlinkten Artikel, lesenswert!.

    Und Steuern zahlen sie auch noch ungerne.

    Nur so.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Atos

  • Hm. Geht mir ganz ähnlich. Konnte mir das allereiligste Aufsuchen des Örtchens nur deshalb ersparen, weil es mir gleichzeitig zum Würgen noch den Hals zuzog.



    Z. B. "Datenspende". Das Wort wurde doch erst in der Corona-Krise erfunden. Das war vom Robert-Koch-Institut sicher gut gemeint. Aber jetzt geht es los. Auf ein solches moralisierendes Wort lassen sich wunderbar die miesesten Strategien aufbauen, die Leute von Anfang bis Ende zu belügen und zu betrügen. Am Besten gleich EU-weit.



    Ich will meine Daten weder spenden noch verkaufen. Ich will über sie bestimmen und sie sicher wissen. Für die med. Forschung habe ich schon mal Daten "geliefert". Wenn man den Artikel liest, überlegt man sich das ganz schnell noch mal.

  • Müssen wir jetzt jeden Scheiss monetarisieren?

    Wohin uns das geführt hat können wir jetzt bedröppelt sehen.

    Ich meine: ich habe keine Probleme mit Daten für die Forschung, so etwas würde ich freiwillg liefern, und da ist mir ein kurzes "Dankeschön" der Doktorandin mehr als genug Entschädigung -- aber Spahns Zitat da oben löst in mir nur eins aus: Kotzen.

    • @tomás zerolo:

      Full Ackn. Außerdem ist das was die Politiker da fordern klar Rechtswidrig, da die DSGVO klar fordert: Datensparsamkeit und nur die Daten dürfen erhoben werden die man für einen Vorgang benötigt... und auch nur für diese Dauer.

      "„Unser Vorschlag ist voll kompatibel mit der Datenschutzgrundverordnung“, beteuert Breton"

      Das ist eine klare Lüge... aber hey, für einen Politiker ist das quasi wahr