Strafen für sexuelle Gewalt: Nein heißt nein - nur nicht hier
Das Strafrecht bei Vergewaltigung soll verschärft werden – um internationalen Vorgaben zu genügen. So will es das Deutsche Institut für Menschenrechte.
BERLIN taz | Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes bekommt juristische Unterstützung für ihre Forderung, den Vergewaltigungsparagrafen im Strafgesetzbuch zu verschärfen. Am heutigen Dienstag stellt das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin ein Positionspapier vor, das der taz vorliegt. Darin wird argumentiert, dass die deutsche Rechtslage der internationalen Entwicklung hinterherhinkt und dringend angepasst werden sollte.
Konkret geht es darum, dass eine Vergewaltigung nach Paragraf 177 Strafgesetzbuch bisher nur vorliegt, wenn der Täter Gewalt ausübt oder androht – oder das Opfer sich in einer „schutzlosen Lage“ befindet, in der ihm ebenfalls Gewalt droht und keinerlei Hilfe erreichbar ist.
„Ein bloßes ’Nein‘ der Betroffenen reicht nicht aus, damit ein Täter wegen Vergewaltigung verurteilt wird“, kritisieren deshalb etwa die Aktivistinnen von Terre des Femmes. Sie haben eine Unterschriftenaktion zur Änderung des Paragrafen durchgeführt und wollen die Listen am Mittwoch dem Justizministerium übergeben.
Dass Betroffene die sexuellen Handlungen aus Angst über sich ergehen lassen, deckt der Paragraf also nur dann ab, wenn konkrete Gewalt droht. Wenn aber jemand nicht laut schreit, weil dann die Kinder nebenan aufwachen, wenn eine Person sich nicht wehrt, weil sie Angst vor einer Abschiebung hat, oder wenn ein Pflegekind Angst davor hat, ins Heim zu kommen – all diese Fälle sind nicht berücksichtigt.
Bisher keine Änderung vorgesehen
Das Deutsche Institut für Menschenrechte betont, dass ein neues Europarats-Abkommen gegen Gewalt gegen Frauen, die „Istanbul-Konvention“, eine entsprechende Strafverschärfung vorsieht: „Artikel 36 des Übereinkommens verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, alle nicht-einverständlichen Sexualakte unter Strafe zu stellen.“ Deutschland hat die Konvention unterzeichnet, aber noch nicht in Kraft gesetzt. Spätestens aber mit einer Ratifikation, so das Institut, müsse der Gesetzgeber „klare gesetzliche Vorgaben schaffen“.
Zudem schlussfolgert ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2003 („M.C. gegen Bulgarien“), dass die Europäische Menschenrechtskonvention „die Kriminalisierung und wirksame Strafverfolgung aller nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen“ verlangt. Das Institut führt die geringe Zahl der Verurteilungen wegen Vergewaltigung (nur 8 Prozent der Anzeigen führen zu einer Verurteilung) auf die mangelhafte Rechtslage zurück.
Das Justizministerium teilte mit, dass eine Änderung des Paragraf 177 bisher nicht vorgesehen sei – obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass Schutzlücken im Sexualstrafrecht geschlossen werden sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel