Strafe für Beschäftigte: Ryanairs Rache
Ryanair will seine Bremer Basis dauerhaft schließen – wegen geringerer Gewinnerwartungen, auch aufgrund der Streiks. Ver.di spricht von „Erpressung“
Laut Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Markus Westermann sind rund 90 MitarbeiterInnen in Bremen betroffen. „Für mich ist das ein riesen Skandal“, sagte er der taz. „Mit der Schließung der Bremer Basis macht Ryanair den Beschäftigen jetzt klar, dass sie keine Rechte haben.“ Den MitarbeiterInnen sei angeboten worden, sich an andere Standorte versetzen zu lassen. Ryanair hatte am Montag erklärt, man wolle Regelungen finden, um einen Stellenabbau zu vermeiden.
„Die Schließung ist dauerhaft“
In Bremen sind zwei Ryanair-Flugzeuge beheimatet. Was die Schließung für den Flugplan bedeutet und ob sie nur vorübergehend ist, war am Montag zunächst nicht klar. Auf Nachfrage bestätigte Robin Kiely, Head of Communications von Ryanair, am Montagnachmittag dann der taz: „Die Schließung ist dauerhaft.“
Zuvor laß sich eine Erklärung von Ryanair-Geschäftsführer Michael O’Leary noch so, als würde das Angebot nur im Winter um ein Prozent gekürzt. Er hatte erklärt, dass die Basis in Weeze von fünf auf drei Flugzeuge verkleinert und neben der Basis in Bremen die in Eindhoven geschlossen würde, wo vier Flugzeuge beheimatet sind.
Routen werden weiter bedient
In Bremen sollen die meisten Routen nun mit nicht-deutschen Flugzeugen weiter bedient werden, sagte O’Leary. Betroffene Kunden seien am Montag kontaktiert worden. Ihnen würden andere Flüge oder Rückerstattungen angeboten. Online waren am Montag auch nach November noch Flüge buchbar.
Markus Westermann, Ver.di Bremen
Auch die Flughafen-Sprecherin Andrea Hartmann erklärte, aktuell sei der Winterflugplan 2018 und der Sommerflugplan 2019 für Bremen auf der Ryanair-Webseite buchbar. Beim Airport Bremen war man bis dato jedoch ebenfalls von einer vorübergehenden Maßnahme ausgegangen: „Eine Schließung der Bremen-Basis im Winter bedeutet lediglich, dass die Bereitstellung der Crews der Ryanair-Maschinen nicht mehr aus dem Standort Bremen, sondern von anderen im Umlauf des Flugzeuges befindlichen Standorten erfolgt“, so Hartmann.
In den zurückliegenden Wochen hatten Flugbegleiter und Piloten von Ryanair in mehreren europäischen Ländern gestreikt – in Bremen zuletzt am Freitag. Die Beschäftigten kämpfen für den Abschluss eines Tarifvertrages, bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
„Wir sind bei Ryanair weit weg von dem, was wir in Deutschland als gesetzliche Standards haben“, sagte Westermann. Beschäftigte müssten sich etwa unbezahlt für Einsätze bereithalten und hätten keine Absicherung im Krankheitsfall. Bezahlt würden MitarbeiterInnen unter anderem, indem sie durch Provisionen an den Verkäufen während des Fluges beteiligt würden. „Es geht kein Ryanairbeschäftigter mit über 1.400 Euro brutto nach Hause“, sagte Westermann. 90 Prozent der Bremer Ryanair-Beschäftigten seien in der Gewerkschaft. Die Schließung der Basis werde man sich nicht gefallen lassen. „Wir fordern, dass Ryanair die Entscheidung zurücknimmt und sich wieder an den Verhandlungstisch setzt.“
Ryanair erklärte, in Italien, Irland und Großbritannien seien die Verhandlungen mit den Gewerkschaften sehr erfolgreich verlaufen. In anderen Ländern hätte es unnötige „Störungen“ gegeben, obwohl man den Gewerkschaften schriftlich zugesichert habe, wonach sie verlangt hätten.
„Nie dagewesene Härte“
Für Bremens FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner birgt die Schließung der Basis eine Gefahr für Bremen. „Auch wenn Ryanair viele der Flüge von anderen Basen weiterführen will, steht der komplette Rückzug weiter im Raum.“ Wenn ein so wichtiger Akteur wie Ryanair sein Engagement verringere, verschlechterten sich die Wachstumsperspektiven für den Flughafen dramatisch.
Claudia Bernhard, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, erklärte: „Standortschließung als Reaktion auf Streiks ist die moderne Form der Massenaussperrung und genauso inakzeptabel. Passagiere fragen sich mit Recht, ob man es eigentlich verantworten kann, mit Ryanair zu fliegen.“ Von der Landesregierung erwartet Bernhard, dass sie „die Erpressung öffentlich zurückweist und deutlich macht: Das ist nicht die Art von Unternehmenspolitik, die wir uns für den Standort Bremen wünschen.“
Ganz so deutlich fiel die Reaktion des Wirtschaftsressorts nicht aus. Sprecher Tim Cordßen erklärte: „Der Wirtschaftssenator beobachtet, dass der Tarifkonflikt mit einer nie dagewesenen Härte seitens der Unternehmensführung ausgetragen wird. Diese Folgen entstehen im System Ryanair.“ Der Senator stehe für gute Arbeitsbedingungen und guten Lohn ein, möglichst mit Tarifverträgen. Einmischen aber wolle er sich nicht. „Tarifauseinandersetzungen sind Sache der Tarifpartner“, so Cordßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken