Strafe für Alex Jones: Das Geschwurbel bleibt
Der rechte Fake-News-Guru Alex Jones muss 49,3 Millionen US-Dollar Schadenersatz zahlen. Das wird ihm schaden, aber nicht seinen Verschwörungsmythen.
Alex Jones ist vermutlich der durchgeknallteste unter den einflussreichen Verschwörungsmythenerzählern. Oder der einflussreichste unter den durchgeknallten. Ende vergangener Woche verurteilte ein Gericht in Texas den 48-jährigen Moderator und Betreiber der Plattform infowars.com zu 49,3 Millionen Dollar Schadenersatz.
Die Zahlungen sollen an Eltern von Kindern gehen, die 2012 beim Schulmassaker von Sandy Hook getötet wurden. Jones hatte damals behauptet, das Massaker habe nicht stattgefunden, sondern sei eine von der Obama-Regierung erfundene und mit Schauspielern nachgestellte Lügengeschichte, um einen Vorwand zu schaffen, die Waffengesetze zu verschärfen.
Das war absurd, fand aber dennoch willige Gläubige und Nachahmer*innen. Die damals populärste MMA-Kampfsportlerin Ronda Rousey tweetete im Januar 2013, wie wichtig es doch sei, sich mit diesen drängenden Fragen zu beschäftigen. Und als nur drei Monate später bei einem Anschlag auf den Boston Marathon drei Menschen getötet und 264 verletzt wurden, kursierte ebenfalls schnell die mit angeblichen Beweisfotos untermauerte Theorie, es handele sich bei den Verletzten um Schauspieler*innen und bei den Blutlachen um Ketchup.
Jones war bekannt geworden als einer der ersten, die unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von einem „Inside Job“ sprachen. Er behauptete, nicht islamistische Terroristen, sondern die US-Regierung sei für die Attacken auf das World Trade Center und das Pentagon verantwortlich.
Der Bruch mit Trump
Wenn er heute immer wieder darüber spricht, wie der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, Bill Gates und George Soros Pandemie und Krieg erschaffen haben, um die Neue Weltordnung durchzusetzen, dann ist nicht mehr nachzuvollziehen, ob er jetzt gängige Schwurbler-Diskurse abschreibt oder umgekehrt.
Alex Jones hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, parallelweltliches Verschwörungsdenken in eine Art rechten Mainstream zu überführen. Der Wahlsieg Donald Trumps 2016 war der größte politische Erfolg, den Jones sich hätte erträumen können, und er verbreitete QAnon-Theorien von einem „Deep State“, der Trump bekämpfe und Kinder ermorde, bevor es QAnon überhaupt gab.
Nur ein einziges Mal brach er öffentlich mit Trump – als der im Dezember 2021 öffentlich bekundete, Corona-Impfstoffe seien sicher und man möge sich doch impfen lassen. Für Jones war Trump plötzlich einer der bösesten Menschen, die auf der Erde herumliefen.
Das aktuelle Verfahren und Urteil im Sandy-Hook-Fall ist für Jones ein „politischer Schauprozess“, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, vor denen das Establishment zittere. Es wäre auch erstaunlich gewesen, wenn Jones ausgerechnet an dieser Stelle zurückhaltender gewesen wäre als Trump, der noch jedes Verfahren gegen sich selbst als „größte Hexenjagd der Geschichte“ verleumdet.
Twitter verbannte ihn 2018
Ob Jones die Millionenzahlungen finanziell übersteht, ist ungewiss. Er hat mit seiner Plattform und einem angeschlossenen Shop über Jahre Millionen verdient – das wurde allerdings schwieriger, nachdem Twitter ihn 2018 verbannt hatte, Facebook 2019.
Doch selbst wenn Infowars.com über die Millionenzahlungen bankrottgehen sollte, wird das Denken überleben, das Jones maßgeblich in die Welt gebracht hat. Längst glauben viele Menschen, hier handele es sich um den Versuch linker System-Richter, die einzigen Stimmen zu zensieren, die dem Establishment gefährlich werden könnten.
Das ist ja das Praktische an solchen Erzählungen: Wer dran glaubt, findet in jeder nur denkbaren Nachricht die Verschwörung bestätigt. Jones hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht – auch wenn er pleitegeht, wird es weitergehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül