Stopp von Hilfslieferungen nach Syrien: 2,8 Millionen vom Hunger bedroht
In der Frage der Hilfstransporte nach Syrien blockieren sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erneut gegenseitig. Russlands Veto stützt vor allem Assad.
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Ein deutsch-belgischer Vorschlag scheiterte zweimal am Veto von Russland und China, ein russischer Gegenvorschlag wurde ebenfalls zweimal von der großen Mehrheit der Sicherheitsratsmitglieder abgelehnt. Damit endete das Hilfsprogramm für die Menschen in Syrien, die durch den Bürgerkrieg zu Flüchtlingen im eigenen Land wurden, nach sechs Jahren in der Nacht vom Freitag, 10. Juli, auf den Samstag.
Im Kern geht es bei der Auseinandersetzung darum, dass Russland seinem Protegé, dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, wieder mehr Zugriff auch auf die Teile des Landes verschaffen will, die er nach wie vor nicht kontrolliert. Das Assad-Regime, argumentiert Russland, ist die legitime Regierung. Folglich müsse die UN bei Hilfslieferungen mit Damaskus zusammenarbeiten.
Schließen von Grenzen
Ursprünglich galt das UN-Hilfsprogramm für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in den nicht von Assad kontrollierten Gebieten. Über vier Grenzübergänge, zwei an der türkisch-syrischen Grenze, einer an der irakisch-syrischen Grenze und ein weiterer von Jordanien nach Syrien, wurden von der UN Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs zu den syrischen Binnenflüchtlingen geschafft.
Im vergangenen Jahr wurden durch ein Veto Russlands bereits die beiden Grenzübergänge im Irak und Jordanien aus dem Programm genommen. Jetzt will Russland mit Unterstützung Chinas von den beiden Grenzübergängen an der türkisch-syrischen Grenze einen weiteren schließen. Nur noch der Grenzübergang Bab al-Hawa, im Westen der Rebellenprovinz Idlib, soll noch für 12 Monate offen bleiben.

Außer China lehnen alle anderen 13 Mitglieder des Weltsicherheitsrates das ab, weil die betroffenen 2,8 Millionen Hilfsbedürftigen über nur einen Grenzübergang nicht mehr versorgt werden können. Dadurch würde das Überleben vieler Menschen unmittelbar bedroht, erklärte die Welthungerhilfe, die bislang an der Umsetzung des Programms beteiligt ist. Zuletzt hatten Belgien und Deutschland einen Resolutionsvorschlag präsentiert, der den Russen zeitlich entgegenkam und die Hilfslieferungen über zwei Übergänge zunächst auf sechs Monate beschränkt hätte. Moskau lehnte ab.
Weiterer Resolutionsentwurf von Belgien und Deutschland
Dahinter steckt die Strategie, das Baschar al-Assad die Menschen in der letzten Aufstandsprovinz in Idlib durch Hunger zum Aufgeben zwingen könnte, statt sie mit Flugzeugen und Panzer anzugreifen. Für die kurdischen Gebiete im Osten Syriens, die im vergangenen Jahr noch vom Irak aus versorgt wurden, scheint diese Strategie bereits aufzugehen. In Verhandlungen mit dem Assad-Regime sind die Kurden gezwungen, immer mehr Abstriche von ihren Autonomievorstellungen zu machen.
Obwohl das Hilfsprogramm nun erst einmal beendet ist, wollen Deutschland und Belgien im Sicherheitsrat weiter verhandeln. Die Länder haben bereits gemeinsam einen neuen Resolutionsentwurf vorbereitet. Er sieht vor, dass zusätzlich zu dem von Russland akzeptierten Übergang Bab al-Hawa für 12 Monate, der bisherige Übergang Bab-al-Salam wenigstens noch für 3 Monate offen bleiben soll. Danach könne man dann weitersehen. Noch steht nicht fest, ob es am Wochenende bis zum 12.Juli zu einer erneuten Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über diesen Vorschlag kommt.
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