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Stolperstein auf dem Sprungbrett

Vattenfall-HEW: Traum vom Großkonzern droht zu platzen. US-Konzern Southern behindert weiter alle Expansionsgelüste  ■ Von Sven-Michael Veit

Hinter den Kulissen ging es hoch her. Mehr als eine Woche lang verhandelten in der Zentrale der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) in der City Nord die Experten-Teams. Vergeblich haben die Delegationen des US-Energiemultis Southern Energy aus Atlanta und der HEW versucht, den ostdeutschen Strommarkt halbwegs gütlich unter sich aufzuteilen. Da keiner der beiden so recht nachgeben will, krachte es am Donnerstag voriger Woche – die Verhandlungen wurden ergebnislos vertagt.

Zum selben Zeitpunkt hatte Lars G. Josefsson, Chef des schwedischen Energiemultis Vattenfall, im noblen Überseeclub bekannt gegeben, mit 71,2 Prozent die Aktienmehrheit an den HEW erworben zu haben, und seine Vision eines „Konzerns von europäischer Dimension“ verkündet (taz berichtete). Daraus scheint vorerst nichts zu werden. Denn Southern blockiert die Übernahme des Berliner Hauptstadt-Monopolisten Bewag durch Vattenfall-HEW.

Die Bewag gilt als Sprungbrett für die Expansion der Hamburger in den neuen Bundesländern. Im zweiten Schritt, so der Plan von Josefsson und HEW-Chef Manfred Timm, sollten HEW und Tochter Bewag gemeinsam den ostdeutschen Großkonzern Veag „möglichst zu 100 Prozent“ (Timm) kaufen und damit den rasanten Aufstieg des hanseatischen Lokalstromers zur Nummer drei in der deutschen Energiebranche vollenden. „Das ist die ideale Positionierung“, sagt Josefsson, „um Vattenfall mit seinen Töchtern zu einem der fünf oder sechs marktbeherrschenden Unternehmen in Europa“ zu machen.

Die HEW hatten Anfang August in einem Vertrag mit Eon, dem zweitgrößten Energiekonzern der Republik, eine umfangreiche Marktbereinigung vereinbart, da Eon aus kartellrechtlichen Gründen Beteiligungen abstoßen muss. Danach würden die HEW mit rund 60 Prozent Mehrheitseigner der Bewag. Deren Minderheitsaktionär Southern (26%) und der überrumpelte Berliner Senat aber klagen gegen diesen Deal vor Gericht – und setzen damit die HEW unter Zeitdruck. Denn bis zum 15. November müssen die Angebote für die Veag-Aktien eingereicht werden, die Eon ebenfalls auf Weisung der Kartellwächter verkaufen muss.

Der größte Stolperstein sind die Amis, die den HEW nicht kampflos die Bewag überlassen wollen. Southern-Chef Jason Harlan behauptete zwar gestern im Berliner Tagesspiegel, dass „eine Einigung mit den HEW sehr nahe“ sei. Deren Sprecher Johannes Altmeppen vermag diese Einschätzung aber nicht zu bestätigen. Die Gespräche seien vertraulich gewesen, deshalb könne er keinen Kommentar abgeben.

Wie düster die Hamburger Aussichten inzwischen sind, zeigt eine verzweifelte Aktion der Betriebsräte von HEW und Bewag. Brieflich forderten sie am Freitag Berlins CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen auf, sich den Hamburgern und ihrer schwedischen Mutter nicht länger in den Weg zu stellen. Nur „im Verbund mit den HEW“, so Bewag-Betriebsratschef Herbert Strobel, „haben wir eine Überlebenschance.“

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