piwik no script img

Störerhaftung und EuroparechtKein Netz für alle

Die Bundesregierung will den öffentlichen Zugang zu WLAN einschränken. Verbraucherschützer sind dagegen und appellieren an die EU-Kommission.

In Havanna auf Kuba haben die Leute gut lachen: Hier gibt es freies WLAN. Foto: ap

Berlin dpa | Mit einem Appell an die EU-Kommission wollen Verbraucherschützer den leichteren Zugang zu öffentlichen WLAN-Zugängen in Deutschland erzwingen. Dazu wurde EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ein formelles Schreiben im Rahmen des Notifizierungsverfahrens überreicht. Konkret wenden sich der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Verein Digitale Gesellschaft sowie der Förderverein Freie Netzwerke gegen die von der Bundesregierung geplante Neuregelung der Störerhaftung von WLAN-Betreibern im Telemediengesetz.

Das neue Telemediengesetz sieht zwar vor, dass WLAN-Provider grundsätzlich nicht als „Störer“ für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer haften. Dazu müssen die Anbieter allerdings „zumutbare Maßnahmen“ ergreifen und beispielsweise das Funknetz verschlüsseln. Das Netz darf dann nur denjenigen bereitgestellt werden, die zuvor erklärt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Sind die Anbieter weder „geschäftsmäßig“ noch als „öffentliche Einrichtung“ tätig, müssen sie die Nutzer außerdem namentlich kennen.

Nach Ansicht der Organisationen verstößt der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit diesen Einschränkungen gegen das Europarecht. Zudem verhindere das geplante Telemediengesetz eine flächendeckende Versorgung mit offenen WLAN-Netzen und begründe „erhebliche Rechtsunsicherheiten beim Betrieb von Cloud-Diensten“.

Der Gesetzesentwurf sei nicht mit der E-Commerce-Richtlinie der EU vereinbar, heißt es in dem Schreiben an Juncker. Außerdem verstoße die Regelung gegen das EU-Grundrecht auf unternehmerische Freiheit. „Durch die geplanten Änderungen würde Deutschland bei der Digitalisierung der Gesellschaft und der Konkurrenzfähigkeit seiner Online-Wirtschaft daher im internationalen Vergleich weiter ins Hintertreffen geraten“, lautet das Fazit der Organisationen.

Die EU-Kommission hat im Rahmen des Notifizierungsverfahrens die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu dem neuen Telemediengesetz abzugeben und Änderungen an dem Entwurf zu verlangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Alles beim alten,...Deutschland fühlt sich in der digitalen Steinzeit wohl. Und unseren "privatisierten" und privaten Konzernen können dank der Damen und Herren Lobyisten fette Gewinne zugesichert werden! Willkommen in der digitalen dritten Welt.

  • Die Bundesregierung will dieses Neuland nicht betreten. Freies WLAN - da sagt die Telekom, dass dies Umsatz kostet, die Musikindustrie meint, dass sie dann nicht mehr so viele Abmahnungen schicken kann - also weg damit.

    Digitale Gesellschaft interessiert nur dann, wenn sie von irgendwelchen Lobbyisten gefordert wird. Die Technologie hat keine Lobbyisten - es sei denn sie ist wo anders bereits angekommen und will sich nur in Deutschland ausbreiten (z.B. uber oder AirBnB). Um die Zukunft aktiv gestalten zu können, muss man jedoch vorher agieren - was diese Regierung aus Internetausdruckern und Neuländerinnen jedoch nicht will.

  • Der digitale Zustand in Deutschland ist einfach nur traurig. Ich war gerade auf Rundreise in Island, was dort geboten wird ist um Welten besser.

     

    Ich habe dabei in u.a. in abgelegenen Hotels in den Fjorden übernachtet, in einsamen Tagungshotels am Berg und kleinen Holzhotels im verträumten Dorf - aber egal, überall gibt es freies WLAN. Mitten an einsamen Pisten in ödem Hochland an einem Rasthof anhalten - freies WLAN. In Reykjavik mit dem öffentlichen Busverkehr durch die Stadt fahren - freies WLAN. Mit dem Schiff aufs Meer fahren um Wale zu beobachten - freies WLAN. Übrigens überall mit guter Geschwindigkeit, teilweise sogar über 30 MBit Upstream.

     

    Wenn man dazu noch die gerade mal gut 300.000 Einwohner auf der Fläche der neuen Bundesländer betrachtet: Respekt. Zum Vergleich möge man hier mal auf ein 3000-Seelen-Dorf nach Mecklenburg fahren und fragen, wer dort überhaupt DSL hat.

     

    Aber solange hier stabil 2/3 der Bevölkerung CDU und SPD wählen, bleiben wir noch jahrelang in der digitalen Steinzeit.