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Stockender Ausbau von WindrädernAlarm in der Windkraftbranche

Kommunen stellen immer weniger Flächen für Windräder zur Verfügung. Das schadet der Energiewende, denn Windkraftwerksbauer gehen pleite.

Im Meer ist noch Platz: Auch der Offshore-Windpark vor Spiekeroog besteht aus Geräten von Senvion Foto: dpa

Berlin taz | Für so viel Windenergie in einem Sommer wie in diesem Jahr hat Deutschland schon lange nicht mehr gesorgt. Von Juni bis August speisten nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) speisten Windräder knapp 20 Terawattstunden Strom ins öffentliche Netz ein. Das waren gut 20 Prozent mehr als im Sommer 2018. Trotz dieser hohen Einspeisung geht es der deutschen Windkraftbranche schlecht.

Am Mittwochnachmittag hat Deutschlands zweitgrößter Windkraftwerksbauer Senvion angekündigt, Teile seines Geschäftsbetriebs stillzulegen. Insbesondere für die Turbinenfertigung in Bremerhaven seien die Aussichten schlecht. 200 Mitarbeitern droht die Kündigung.

Senvion ist nicht das einzige Unternehmen, das leidet. Obwohl Windkraft nach Braunkohle inzwischen zum wichtigsten Energieträger in Deutschland gehört, ist der Neubau von Windkraftanlagen eingebrochen. 2018 kamen nur noch 2.500 Megawatt Onshore-Windkraftleistung dazu. In den Jahren zuvor waren es im Schnitt noch 4.000 Megawatt im Jahr.

Wie aus einer parlamentarischen Anfrage der Linken hervorgeht, sind in der Industrie bereits zwischen 2016 und 2017 insgesamt 26.000 ­Arbeitsplätze verloren gegangen. „Die Zahlen sind bestürzend“, klagt Lorenz Gösta Beutin, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Für 2018 lägen noch keine Zahlen vor, sie dürften aber ähnlich dramatisch sein.

Kein Platz fürs Rad

Gründe für den Niedergang gibt es mehrere. Neben der Konkurrenz aus China, die Anlagen auf dem Weltmarkt sehr viel günstiger anbietet als deutsche Hersteller, ist der wesentliche Grund der, dass viele Kommunen und ganze Bundesländer keine Flächen mehr zur Verfügung stellen.

Dabei sollen im Zuge der Energiewende bis zum Jahr 2022 alle Atomkraftwerke abgeschaltet sein, bis 2038 ist auch der Kohleausstieg geplant. Der Ökostromanteil soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Diese Ziele sind in Gefahr, wenn der Ausbau der Windkraft an Land wie zuletzt fast zum Erliegen kommt. Der Linke-Politiker Beutin gibt der Bundesregierung die Schuld. Sie nehme diese Entwicklung „stillschweigend“ hin, „während der Braunkohleindustrie weiter Milliarden Strukturgelder zugesichert werden“.

Es müsse dringend gegengesteuert werden, fordert auch Achim Dercks, Vizegeschäftsführer des Deutschen Indus­trie- und Handelskammertags (DIHK). Um die Ziele zu erreichen, sei ein zehnmal höherer Zubau von Windanlagen an Land nötig als im ersten Halbjahr, sagt Dercks.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat für den 5. September zu einem Krisentreffen eingeladen.

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6 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Die fundamentale Feststellung, dass regenerative Energien eben nicht zum ökologischen oder persönlichen Nulltarif zu haben sind, erschreckt doch sehr. Scheinbar. Photovoltiak auf dem Dach blendet den Nachbarn und darf nicht montiert werden, on-shore Windräder nerven, töten Vögel und „belästigen“ den freien Naturblick, off-shore Windanlagen schreddern auch Vögel und sind eine Gefahr für die Seeschifffahrt, Hochspannungsgleichstromübertragungsleitungen gehen aus vielerlei Gründen sowieso nicht, und - und - und. Und je mehr elektrischen Gimmick wir kaufen (noch‘nen Smartphone, eine Alexa in jedem Zimmer und noch etwas Sonos dazu, E-Bike, E-Scooter, etc.) desto mehr Energie verbrauchen wir, die aber vor den jeweiligen Haustüren lieber nicht erzeugt werden soll. Wie soll‘s denn gehen? Wie wäre es denn mit Antworten anstelle von Fragen?

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Es war immer klar, dass EE keine Wohlfühl-Kuschellösung sein kann, die niemand weh tut. Wer hobeln will, also in relativ kurzer Zeit große Veränderungen schaffen will, der muss die Späne in Kauf nehmen, sprich die daraus resultierenden Konflikte.



      Für mich ist das der Lackmustest für die Friday-Kids - wer es nicht allen Recht machen kann, der muss gegen die Zauderer und Bürger-Inis gegen Windräder Demonstrieren und Druck gegen Sie aufbauen. Jup, nur Kuscheldemos, für die man von allen gelobt wird, verändern gar nichts.



      Und von der Regierung erwarte ich eine zunächst auf 20 Jahre befristete Notstandsverordnung „Klimaziel 2040“, die juristische Einspruchsmöglichkeiten gegen Windräder, Leitungs- und EE-Projekte allgemein massiv einschränkt, damit die Energiewende gelingt und wir unsere CO2-Ziele zügig erreichen können. Es ist halt nicht nur der Autofahrer in der Stadt, oder der Kohlekumpel im Osten, der Zwangsmaßnahmen erdulden muss, auch der begüterte Grünen-Wähler muss hinnehmen, dass vor seinem stattlichen Einfamilienhaus auf dem Land ein Windrad gebaut wird, obwohl er doch vegetarier ist, viel mit dem ebike fährt und nun Angst vor einem Wertverlust der Immobilie hat.



      Jetzt ist es die Zeit für die Grünen, das ihren WählerInnen zu vermitteln und „die Menschen mitzunehmen“, auf dass sie einsichtig akzeptieren was sie vorher gewählt haben. Alles andere ist nur feelgood „greenwashing“. „Für das Klima sein“ ist nur die Kür, sich nicht gegen den tatsächlichen Wandel zu stellen, sondern diesen konsequent einzufordern, auch wenn es einen selbst trifft aber die Pflicht für echte Umweltschützer und future Kids.

      • 9G
        97088 (Profil gelöscht)
        @hup:

        Was heißt das denn „ ... von der Regierung erwarte ich ...“? Gar nichts! Organisationen sind nicht adressierbar und die handelnden Personen dahinter verbergen sich in aller Regel, oder übernehmen keine Verantwortung oder oder oder. Der Einsatz regenerativer Energien scheitert überwiegend an der bedrohten Komfortzone der/des Einzelnen (Bitte nicht vor meiner Türe.). Alles haben wollen - aber den Preis nicht bezahlen wollen oder können. Darin sind wir sehr sehr erfahren: Produktionsauslagerung in die Dritte Welt, in Schwellenländer, Kontraktionszwang vieler afrikanischer Ländern auf europäische Produkte mit der Folge des Zusammenbruchs der heimischen Märkte, ausgeflaggte Seeschifffahrt heißt, auf Containerschiffen 180 Dollar Monatslohn inkl. Kost und Logie für die Seeleute, Konzentration des Einzelhandels zu Lasten kleiner Läden, etc. Das alles sind WIR. Einer Regierung zu sagen „Das wollen wir aber nicht!“ ist völlig sinnlos. Ach ja: Bei Flugreisen ist kein „Greta-Effekt“ feststellbar. Auch so ein Ich-Indikator.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Das Argumt „Vogel schreddern“ ist bereits oft wiederlegter Quatsch - die Fallzahlen, so tatsächlich nachvollziehbar und mit wissenschaftlichen Standards erhoben, gefährden keine Art. Katzen, Raumverdrängung, Monokulturanbau, Trockenlegung und nicht zu letzt die domestizierte Miezekatze killen über 1.000 mal mehr Vögle, sprich Windräder sind nicht mal für ein Promille der toten Vögel verantwortlich. Das killt keine Art. Jedes nicht gebaute Windrad killt aufgrund des Klimawandels mehr Vögel, als ein gebautes.

  • Ich weiss schon, womit Herr Altmaier die Energielücke schliessen will: "Dingsbums 4.0". Da ist viel heisse Luft drin. Stirlingmotor dran und los!

    Ach ja, und die "Europäischen Champignons".

    Traurig.